Die Pflege ist eine spannende Branche: oft hochdynamisch, dann wieder konservativ, aber immer in Bewegung. Ein „Mitbeweger“ ist die Pflegemotive GmbH, deren neues Betreibermodell Schule machen könnte.
von Wiebke Buhr (Pflegemotive GmbH)
Pflege anders denken – ein Anspruch, den in wirtschaftlich schwierigen Zeiten viele Betreiber haben. Auch die Pflegemotive GmbH hat sich auf den Weg gemacht, neue Modelle, Abläufe und Kooperationen auszuloten. Das Unternehmen mit Sitz im niedersächsischen Winsen ist ein spannendes Konstrukt: Es versteht sich nicht als Betreiber, sondern als übergeordnete Plattform für seine Betreibermarken. Diese GmbHs sind eigenständige Betreiber mit eigener, operativer Geschäftsführung und jeweils vier bis acht Betriebsstätten: Seniorenresidenzen, Tagespflegen, Hausgemeinschaften. Die Marken Curavie, Lavendio und Libento arbeiten jeweils als kleine, regionale und familiäre Einheiten, mit eigenen lokalen Zielgruppen und individuellen Lösungsideen. Doch man kennt sich untereinander, arbeitet miteinander, nutzt Wissen und Synergien der „Partnerresidenzen“.
Die Klammer aller Betreibermarken ist die Muttergesellschaft Pflegemotive GmbH. Sie stellt Strukturen, Know-how und Ressourcen zur Verfügung. Konkret: Sie verantwortet die Strategieentwicklung, den Bau und die Ausstattung der Residenzen durch das Schwesterunternehmen Cureus, den Einkauf, das Qualitätsmanagementhandbuch, das Marketing. „Diese Dienstleistungen bietet die Pflegemotive als Baukastensystem an“, erklärt Pflegemotive-Geschäftsführer Michael Burmester. „Sie sind auf den Bedarf der jeweiligen Organisationseinheit hin nutzbar und skalierbar.“ So wird eine tiefe Wertschöpfung erreicht, die alle Bereiche eines Residenzbetriebes einschließt.
Besser waschen
Das Ziel der Pflegemotive ist nicht nur Wirtschaftlichkeit: Alle klugen Synergien dienen dazu, den Senioren ein besseres Leben im Alter zu ermöglichen und den Mitarbeitern verbesserte Arbeitsbedingungen zu schaffen und Wertschätzung entgegenzubringen, also allen Mitarbeitenden, in jeder Profession. Das zeigt sich z. B. im Bereich Wäscherei: Alle Häuser betreiben eigene Wäschereien. Einige Pilothäuser erkunden gemeinsam mit einem Wäscherei-Ausstatter, wie effizientes Waschen auf das nächste Level gehoben werden kann. Dabei geht es zum einen um die Ausstattung der Wäschereien: Der Ausstatter entwirft für einige Residenzen die Wäscherei auf dem Reißbrett. Maschinen, Bügelstationen und Sortiertische sind räumlich und organisatorisch genau aufeinander abgestimmt. Aber gleichermaßen wichtig ist auch die Analyse der Prozesse: Welche Maschine läuft wann mit welchem Programm und Füllgrad, wann sind Hygieneprogramme eingesetzt worden, wie oft laufen die Maschinen? Mit diesen Informationen, die intelligente, digitale Maschinen liefern, können Abläufe optimiert werden und der Personaleinsatz präziser geplant werden.
„Unsere Investition in die „Erforschung“ der Wäschereiabläufe zahlt sich – so hoffen wir – mehrfach aus: Wir haushalten mit Umweltressourcen, erleichtern Arbeitsabläufe, setzen Personal passgenauer ein, digitalisieren Sekundärprozesse, arbeiten wirtschaftlicher, bieten unseren Bewohnerinnen und Bewohnern eine hohe Dienstleistungsqualität und unseren Häusern einen transparenten und durchdachten Arbeitsbereich“, fasst Burmester die Laborsituation zusammen.
Ein Campus für alle
Ein weiteres Best Practice zeigt, wie Synergien im Bereich der Personalentwicklung geschaffen werden können: der Pflegecampus. Dieser virtuelle Ort ermöglicht E-Learning für alle Mitarbeitenden, gleich welcher Profession. Schulungen, Erklärvideos, Live-Webinare und eine Kursbibliothek bilden das Wissensgerüst. Per Schnittstelle zur Personalakte werden Zertifikate verwaltet und Pflichtfortbildungen terminiert. Mittel- und langfristig wird der Pflegecampus eine zentrale Rolle in der internen Kommunikation spielen. Projektmanager John Benedetto Terrana erläutert den Stellenwert des Pflegecampus: „Wir schaffen mit dem Pflegecampus einen zentralen Kompetenz-HUB. Die Bestandsmitarbeiter lernen unter zeitlicher und organisatorischer Entlastung. Die Residenzen können sich sicher sein, dass die Fort- und Weiterbildung personalisiert und strukturiert abläuft. Und Job-Interessenten nehmen wahr, dass wir unser Versprechen nach Mitarbeiterentwicklung sehr ernst nehmen.“
Ausrollbares Modell
Stand Januar 2024 sind drei Betreibermarken am Netz. Libento betreibt vier Standorte im Bergischen Land/Rheinland in NRW – zwei Häuser in Solingen und Alfter eröffnen in diesen Tagen. Curavie wird ab Sommer 2024 fünf Residenzen unter sich versammeln, allesamt im Westfälischen gelegen. In Nordwestdeutschland werden in Zukunft bis zu sieben Residenzen von Lavendio errichtet – aktuell haben bereits zwei Standorte in Hannover-Ricklingen und Melle ihre Tore geöffnet.
„Weitere Cluster sind denkbar“, sagt Michael Burmester. „Die Pflegemotive kann weitere Einheiten versorgen und mit soliden Rahmenbedingungen ausstatten. Denkbar ist auch, zukünftig andere Betreiber mit Bestandteilen unseres Baukastensystems auszustatten.“
Neue Wege haben es in sich, ergebnisoffen zu sein. Auch Geschäftsführer Michael Burmester „preist“ eine gewisse Unsicherheit mit ein: „Es ist schon vorgekommen, dass wir Entwicklungen nicht weitergeführt haben. Aber auch daraus lernen wir und machen es beim nächsten Projekt besser.“ Am Ende könne es nur so funktionieren, dass einige vorangehen und mit Mut die Pflege verändern.
Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2024 zu finden.