von Dr. Birgit Graf (birgit.graf@ipa.fraunhofer.de)
Fraunhofer-Forscher haben neue Schlüsseltechnologien für die roboterbasierte mobile Reinigung und Desinfektion entwickelt und den produktnahen Prototyp des Desinfektionsroboters „DeKonBot 2“ aufgebaut. Er ist kostengünstiger als der Vorgänger und reinigt Oberflächen effizienter und sicherer. In praktischen Tests bewies der Roboter seine technische Zuverlässigkeit und intuitive Bedienbarkeit.
Reinigungs- und Desinfektionsaufgaben stehen seit der Corona-Pandemie nicht nur im Gesundheitswesen im Fokus, da sie dazu beitragen können, eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Die angespannte Personalsituation und die aufwendige Qualitätskontrolle setzen die Reinigungsbranche allerdings schon länger unter Druck. Robotische Assistenzsysteme können hier unterstützen. Verfügbare Automatisierungslösungen wie UV-basierte Desinfektionsroboter oder Roboter für die Sprühdesinfektion können aber aus Sicherheitsgründen nur menschenleere Räume desinfizieren. In Einrichtungen des Gesundheitswesens stellen sie lediglich einen Zusatz zu der gesetzlich vorgeschriebenen Wischdesinfektion dar, sodass das Personal lediglich minimal entlastet wird. Die Wischdesinfektion von Oberflächen z. B. in den Gängen oder Bewohnerzimmern führen weiterhin Reinigungskräfte durch.
Um hier für passgenauere Automatisierungslösungen zu sorgen und das Reinigungspersonal zu unterstützen, entstand am Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA der Desinfektionsroboter „DeKonBot 2“. Das Fraunhofer-Zentrum für Internationales Wissensmanagement und Wissensökonomie IMW entwickelte die graphische Benutzeroberfläche für die intuitive Bedienung. Anvisierte Einsatzbereiche des Roboters sind öffentliche Gebäude und Einrichtungen im Gesundheitswesen. Die Entwicklung des Roboters wurde im Rahmen des Projekts „MobDi – Mobile Desinfektion“ und mit Mitteln der Fraunhofer-Gesellschaft aus dem Aktionsprogramm „Fraunhofer vs. Corona“ gefördert.
Produktnaher Prototyp
DeKonBot 2 ist die Weiterentwicklung des gleichnamigen Desinfektionsroboters, den das Fraunhofer IPA 2020 in erster Generation vorgestellt hatte. Basierend auf den gewonnenen Erfahrungen überarbeiteten die Robotikexperten die Hardwarekomponenten, um einen kompakteren, kostengünstigeren und funktionaleren Roboter zu gestalten. Herausfordernd war zudem, das Reinigungswerkzeug flexibler und raumsparender zu gestalten, sodass es unterschiedlichste Objekte effektiv desinfizieren kann.
Als mobile Basis wird jetzt eine preiswertere Plattform der Firma MetraLabs eingesetzt, die mehr Platz für alle nötigen Aufbauten bietet. Der ursprüngliche Roboterarm wurde durch einen Arm ersetzt, der sich besser um die zu desinfizierenden Objekte herumbewegen und alle relevanten Kontaktflächen erreichen kann. Neu ist auch das Bürstensystem, das die Oberflächen von grobem Schmutz befreit und dann mit Desinfektionsmittel benetzt. Das Eintauchen der Bürsten in den Tank mit Desinfektionsmittel desinfiziert die Bürsten und verhindert, dass Keime über das Reinigungswerkzeug verschleppt werden.
Softwareseitig ist die Erkennung der zu desinfizierenden Objekte eine Schlüsseltechnologie des DeKonBot 2. Die Algorithmen müssen bei unterschiedlichen Umgebungsbedingungen, z. B. variierenden Beleuchtungsverhältnissen, zuverlässig funktionieren. Dabei sind Objekte in verschiedenen Formen und Ausprägungen zu erkennen und im Raum zu lokalisieren, beispielsweise auch wenn es spiegelnde Oberflächen sind. Möglich machen dies maschinelle Lernverfahren und ein neues Sensorsystem.
Einlernen und Anwenden
Um den autonomen Betrieb zu ermöglichen, muss die Reinigungskraft DeKonBot 2 in einer neuen Arbeitsumgebung einmalig einlernen. Hierfür fährt sie ihn per Fernsteuerung durch diese Umgebung und der Roboter erstellt hiervon automatisch eine Karte. Während der Einlernfahrt markiert sie die Position aller zu reinigenden Objekte, indem sie den Roboter vor diese bewegt. Der Roboter prüft automatisch, ob er das Objekt erkennen kann, und speichert dann die Position in der Karte ab.
Nach dem Einlernprozess kann die autonome Reinigung beginnen. Dabei fährt der Roboter selbstständig einen vom Nutzer festgelegten Bereich ab und reinigt alle dort eingelernten Objekte. Alternativ können sogenannte Routinen definiert werden, in denen der Roboter einzelne Bereiche zu bestimmten Zeiten reinigt.
Einwöchiger Praxistest und Nutzerbefragung
Ein wichtiges Ziel der Weiterentwicklung des DeKonBot war, die Produktnähe und Praxistauglichkeit zu verbessern. Um diese zu überprüfen, führten die Wissenschaftler des Fraunhofer IPA und Fraunhofer IMW eine Woche lang Tests zusammen mit dem Gebäudedienstleister Gegenbauer auf einer Etage in einem Bürogebäude der EnBW durch. Zu reinigen waren Lichtschalter, Türgriffe und -knäufe. Die Probanden steuerten den Roboter, lernten neue Objekte ein und starteten und beobachteten den Regelbetrieb.
Mit der technischen Zuverlässigkeit und den erzielten Leistungsdaten waren die Fraunhofer-Wissenschaftler sehr zufrieden. Die Nutzertests zeigten auch, dass die Akzeptanz des Roboters hoch ist: Der Roboter kam bei den Probanden gut an, sie konnten ihn nach der Einführung erfolgreich bedienen und alle könnten sich vorstellen, mit dem Roboter dauerhaft zusammenzuarbeiten.
Untersuchung der Wirtschaftlichkeit
Das Team des Fraunhofer IMW untersuchte darüber hinaus die Wirtschaftlichkeit des Roboters auf Basis einer Lebenszykluskostenrechnung. Dabei werden alle Kosten betrachtet, die auf den gemessenen und zukünftig erreichbaren Leistungsdaten und den Kosten des Roboters von der Anschaffung bis zur Entsorgung anfallen. Als Vergleichswert dienten die Kosten einer Reinigungskraft, die ausschließlich die genannten Objekte desinfiziert. Bisher kann der Roboter unter Gegebenheiten wie im Test 30 Objekte pro Stunde reinigen. Die Berechnungen zeigten, dass ab einer Leistung von 45 Objekten pro Stunde ein wirtschaftlicher Einsatz gegeben ist. Im wirtschaftlichen Szenario arbeitet der Roboter 24 Stunden am Tag (inklusive Ladevorgängen), die Abschreibungsdauer läge dann bei acht Jahren.
Mit den aktuellen Weiterentwicklungen und Optimierungen soll diese Zielleistung erreicht werden. Dadurch soll der Roboter bspw. schneller arbeiten. Einzelne Komponenten wie das Werkzeug und der Tank sollen hinsichtlich ihrer Sicherheit und Hygiene verbessert werden. Das Fraunhofer IPA plant, den Roboter im aktuellen Jahr mit der Firma MetraLabs zur Produktreife zu bringen, sodass dieser ab Anfang 2023 ausgeliefert werden kann. Vorbestellungen sind ab sofort möglich. Perspektivisch soll der Roboter weitere relevante Objekte wie beispielsweise Griffleisten erkennen sowie reinigen können, Aufzug fahren sowie Türen öffnen, damit er Zimmer betreten und Oberflächen darin reinigen kann.
Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2022 zu finden.