von Dr. David Kröll

Seit 1. April 2016 ist das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz in Kraft, das die Durchführung von Streitschlichtungsverfahren in unabhängigen Schlichtungsstellen regelt. Alle Verbraucher – und damit auch Heimbewohner – haben nun die Möglichkeit, im Konfliktfall außergerichtlich eine möglichst einvernehmliche Lösung mit dem Unternehmer, also dem Träger der Einrichtung, zu erreichen. Allerdings wird diese niedrigschwellige und kostengünstige Art der Konfliktlösung bis jetzt nur selten genutzt: Bei den Heimbewohnern und ihren Angehörigen ist sie kaum bekannt und die Heimbetreiber haben das volle Potential der Verbraucherschlichtung großteils noch nicht erkannt. Hintergründe zeigt eine Erhebung des BIVA-Pflegeschutzbunds auf.

Grafik zu Teilnahme Schlichtung

Umfrage des BIVA-Pflegeschutzbunds
bei Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zur
Umsetzung der Verbraucherschlichtung – Grafik: BIVA

Grafik zu Konflikt erlebt

Grafik: BIVA

Grafik zu Bekanntheit Schlichtung

Grafik: BIVA

Verbraucherschlichtung wird kaum genutzt: Gründe

Obwohl das Verbraucherschlichtungsverfahren seit fast vier Jahren für Heimbewohner möglich ist, wird es bisher nur selten genutzt. Das zeigen die Zahlen des Kehler Zentrums für Schlichtung: Von insgesamt 2.125 bearbeiteten Anträgen im Jahr 2018 kamen nur ganze 23 aus dem Bereich Pflege. Zur Klärung der Hintergründe hat der BIVA-Pflegeschutzbund die Umsetzung der Verbraucherschlichtung in einer Befragung von Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen überprüft. Diese hat ergeben, dass deren Anwendungsmöglichkeit im Bereich des Wohn- und Betreuungsvertragsverhältnisses bei den Betroffenen kaum bekannt ist: In mehr als 90 Prozent der ausgewerteten Verträge finden sich entweder keine Auskünfte zum Thema Schlichtungsverfahren oder die Teilnahme daran wird abgelehnt. Dass die Betroffenen auch in diesem Fall einen Antrag auf Streitbeilegung stellen können, ist ihnen laut Umfrage ebenfalls nicht bekannt. Auf Seiten der Verbraucher fehlt es demnach an Wissen. Eine breiter angelegte Aufklärungskampagne wäre notwendig.

Offensichtlich hat man es bislang auch versäumt, die Betreiber von Pflegeheimen von der Möglichkeit der Streitschlichtung zu überzeugen. Warum – so könnte man sich als Verantwortlicher fragen – soll ich neben einem internen Qualitätsmanagement noch über ein zweites Verfahren aufklären? Nun, weil die etablierten Systeme nicht ausreichend sind: Dass die wenigsten Betroffenen Kraft, Geld und Mühe aufbringen, vor Gericht zu ziehen, darf nicht den Blick darauf verstellen, dass es auch in Pflegeheimen viele Konflikte gibt. So hat die Mehrheit der Befragten (fast 80 Prozent) bereits Konflikte im Heim erlebt, die „überwiegend“, „gar nicht“ oder „nur unzureichend“ gelöst wurden.

Chancen der Verbraucherschlichtung

Langfristig schwelende Konflikte haben weitreichende negative Auswirkungen: etwa auf das Verhältnis der Mitarbeiter zu den Bewohnern, auf das Betriebsklima, auf die Zufriedenheit der Pflegekräfte oder auf die Reputation der Einrichtung. Die meistgenannten Anlaufstellen bei Problemen sind laut Umfrage zudem Pflegepersonal und Heimleitung – auch bei mehrfachen Klärungsversuchen. Das bedeutet, dass ohnehin schon knappe Ressourcen an Arbeitszeit dadurch gebunden werden.

Streitschlichtung bietet eine vergleichsweise niedrigschwellige Möglichkeit, diese Konflikte zu lösen. Die große Chance der Streitschlichtung besteht in ihrer Neutralität, Transparenz und Öffnung nach außen. Dies erhöht die Akzeptanz bei den Pflegebedürftigen und somit die Chance, möglichst schnell zu einer Einigung zu kommen. Die meisten Befragten (ca. 70 Prozent) könnten sich das Schlichtungsverfahren als geeignetes Mittel zur Lösung vorstellen, nur 1,4 Prozent standen dem ablehnend gegenüber.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2020 zu finden.

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