von Leila Haidar
Senioren-Einrichtungen sollten sich Hygiene-Konzepte und Zertifikate vorlegen lassen. Diese sind inzwischen behördlich gefordert.
Pflegebedürftige Menschen, häufig Teil der Corona-Risikogruppe, sind sehr gefährdet und bedürfen besonderem Schutz. Die Folge: Einrichtungen nehmen ihre Verantwortung ernst und vermindern die Zahl der Kontaktpersonen, um Ansteckungsgefahr zu minimieren. Auch die Behörden schauen Einrichtungen vermehrt auf die Finger. Wenn allerdings Physiotherapie-Anwendungen und andere Therapien nicht mehr durchgeführt werden, verkümmern Mobilität und Lebensqualität vieler Älterer. Die Lösung: Einrichtungen sollten den Nachweis über ein Hygiene-Konzept mit Zertifikat fordern, das belegt, dass die jeweilige Praxis ansteckungssicher arbeitet.
Rund 70 Prozent Umsatzrückgang hat Eva Mergenthaler im März und April zu verzeichnen. Die Unternehmerin mit eigener Physio- und Ergotherapie-Praxis und 17 Mitarbeitern hat bis vor kurzem vor allem Senioren und Menschen mit Behinderung in Einrichtungen therapiert. Die Chefin mit spezialisiertem Team für Geriatrie und Neurologie stand mit Beginn der Corona-Krise Mitte März meist vor verschlossenen Türen. „Selbst unter Einhaltung aller Schutzmaßnahmen wollten uns die meisten Häuser nicht mehr reinlassen. Die Ansteckungsgefahr der meist Hochrisikopatienten sei viel zu hoch, hieß es uns gegenüber“, so Mergenthaler. Inzwischen seien die Vorschriften lockerer geworden und auch die Umsätze haben sich weitgehend normalisiert. Doch jetzt fordern Einrichtungen und Behörden, dass sie ihre ansteckungssichere Arbeit mit einem Hygienekonzept und passender Dokumentation nachweisen kann.
„Ein übliches Vorgehen“, weiß Markus Sobau. Der Berater für Heilberufler beobachtet, dass Hygienekonzepte derzeit nicht nur vom Bund, sondern auch vom Land und den Berufsgenossenschaften gefordert werden. „Es ist die Pflicht der Betreiber, Bewohner und Patienten zu schützen und so sollten sie sich das jeweilige Konzept unbedingt vorlegen lassen“, so der Geschäftsführer von Consularis. Nicht nur der Verlust eines Kunden droht den Praxen, die noch kein Hygienekonzept vorweisen können. Auch die Behörden führen aktuell vermehrt unangemeldete Kontrollen durch. Wer beim Verstoß gegen die Maskenpflicht, bei unzureichender Desinfektion oder Dokumentation erwischt wird, muss zahlen. Oder sogar die Praxis für gewisse Zeit schließen. „Der Einsatz von Schutzmitteln sei inzwischen bei fast allen Therapeuten Alltag“, beobachtet Sobau. Nur die Dokumentation und Nachweispflicht fehle mancherorts. Er empfiehlt Therapie-Praxen, sich vom Experten beraten zu lassen. Zum Beispiel von der Deutschen Gesellschaft für Hygieneberatung oder den Referenten von Berufsverbänden und Innungen. Erstere entwickeln ein individuell angepasstes System gemäß der behördlichen Vorgaben und sorgen für den Eintrag ins Deutsche Hygiene-Register. Das hiermit verbundene Zertifikat wird derzeit vom Bundesministerium BAFA als Sonderprogramm gefördert. Außer einem Einsatz von zwei bis drei Stunden Schulung und Ortsbegehung habe die Praxis in der Regel einen Selbstbehalt zwischen 500 und 900 Euro zu leisten. Die restlichen Kosten übernimmt das Bundesamt im Rahmen der aktuellen Förderungen.
Für den Auftraggeber, nämlich die Pflegeeinrichtung, bietet ein solches Hygiene-Konzept mit Zertifikat eine wertvolle Orientierung bei der Ansteckungssicherheit und Auswahl von Therapeuten. Experte Sobau glaubt, dass hier persönliches Vertrauen auf beiden Seiten eine wichtige Grundvoraussetzung ist, das vom Hygiene-Prüfsiegel zusätzlich unterstützt wird. „Der Vorteil des Hygiene-Konzeptes ist es, dass jederzeit nachgewiesen werden kann, wer beispielsweise wann was desinfiziert und gereinigt hat“, sagt Sobau. So seien Dienstleister, wie Auftraggeber, auf der sicheren Seite. Der Auftraggeber kann sich die Dokumentation und auch die Bestätigung, dass ansteckungssicher gearbeitet wird, jederzeit zeigen lassen.
„Wir arbeiten natürlich unter allen Hygienevorschriften, tragen Masken, Schutzkittel und Handschuhe. Um die Gesundheit der Menschen nicht weiter zu strapazieren, hoffe ich auf ein baldiges Einsehen der Entscheider“, erzählt Praxisinhaberin Mergenthaler. Positives gibt es in Kusterdingen auch zu vermelden: Eine Hochrisikopatientin, die im Rollstuhl sitzt, sei nach wenigen Tagen sozialer Isolation als Patientin zurückgekehrt. „Natürlich geht die Frau ein geringes Risiko ein, wenn sie sich von uns therapieren lässt. Die Wahrscheinlichkeit, dass es ihr ohne unser Eingreifen immer schlechter geht, ist aber bei hundert Prozent“, fasst Mergenthaler zusammen.
Mehr unter: www.hygiene-schafft-vertrauen.de
Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2020 zu finden.