von Manfred Godek

Viren und Keime bedrohen die Gesundheit von Heimbewohnern. Neue Erkenntnisse, vor allem aber Personalprobleme, stellen große Herausforderungen dar.

Ein „Worst Case“ bedarf keines epidemischen Ausmaßes. Schon ein lokaler Ausbruch ist einer zu viel. Aber, wenn die Hygieneregimes nach und nach einen immer höheren Standard erreichen, ist dies zugleich die beste Prävention gegen eine großflächige Verbreitung. Unter anderem mit dieser Intention hat der Gesetzgeber im Jahr 2022 das Infektionsschutzgesetz aktualisiert. Heime sind verpflichtet, Hygienemaßnahmen „nach dem Stand der medizinischen Wissenschaft und der Pflegewissenschaft“ zu treffen und dazu unter anderem innerbetriebliche Verfahrensweisen festzulegen. Die Gesundheitsbehörden sollen das regelmäßig kontrollieren. Doch Papier ist bekanntlich geduldig.

In Hamburg haben von Januar bis Oktober 2022 in Kliniken, Pflegeheimen und Kitas 153 Kontrollen stattgefunden. Im Jahr 2018, vor Ausbruch der Pandemie, waren es 558 gewesen. Das förderte eine kleine Anfrage an den Senat zutage und zeigt, wie wenig ernst der Staat seine eigenen Vorgaben nimmt. Wie wenig systematisch er zudem agiert, offenbarte die kakofone Diskussion über Lüftungskonzepte. Aufgrund gesplitteter Zuständigkeiten auf Ministerien und Behörden sei es zu „nicht abgestimmten und teils sich widersprechenden Empfehlungen gekommen“, heißt es in einer Denkschrift der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Die Spielräume für „selbst ernannte Experten“ seien entsprechend groß gewesen. Das erinnert an den von Politikern promoteten Einsatz mobiler Luftreiniger. Diese haben die Luft, statt sie richtigerweise nach oben abzuführen, nach unten in Kopfhöhe der atmenden Menschen befördert.

Klimatechnik optimieren

Virologen und Hygieniker gehen davon aus, dass innerhalb einer überschaubaren Zeit wieder mit einer Pandemiesituation zu rechnen ist. „Die größten erwartbaren Gefahren gehen von leicht veränderlichen RNA-Viren aus, insbesondere Picornavieren, Coronavieren, Orthomyxovieren und Paramyxovieren“, sagt Martin Mielke aus der Abteilung für Infektionskrankheiten am Robert-Koch-Institut. Dabei spiele die aerogene Übertragung von Infektionen eine zentrale Rolle. Diese sei besonders schwer zu beherrschen. Insofern gelte es, die Klimatechnik anzupassen, d. h. richtig zu konzipieren und die Anlagen mit leistungsfähigen Filtern auszustatten, fordert DGKH-Präsident Professor Martin Exner. In einer defekten oder schlecht gewarteten Anlage könne kontaminierte Abluft in die Zuluft geraten; ebenso bei Inversionswetterlagen. Exner verweist auf einen Massenausbruch von SARS-CoV-2 in einem Alten- und Pflegeheim, der auf solche Effekte zurückzuführen war. Gesunde Luft ist ein wesentlicher Aspekt von Hygiene. Eine inzwischen von Medizinern erhobene Forderung nach einer Klimatisierung von Altenheimen zeigt dies auch abseits einer Pandemieprävention. Bekanntlich sind betagte Menschen für hitzebedingte Krankheiten und Sterblichkeit besonders anfällig. „Nach wie vor habe ich den Eindruck, dass viel Unklarheit darüber herrscht, was wann zu prüfen oder zu reinigen ist und dies sogar themenübergreifend in den Bereichen Heizung, Sanitär, Lüftung, Klima, Elektro und bei vielem mehr“, berichtet Marc-A. Eickholz, Geschäftsführer der auf infrastrukturelles und technisches Gebäudemanagement unter anderem in Kliniken und Heimen spezialisierten Niederberger Gruppe. Viele Betreiber seien schlichtweg erstaunt, wenn sie mit den Anforderungen konfrontiert würden, etwa den Wartungsintervallen von Anlagen mit Luftbefeuchtung.

Die „stille Pandemie“ bekämpfen

Trotz verschärfter Hygieneregeln ist während der Pandemie die Zahl der Krankenhaus- und Heiminfektionen gestiegen. Zugleich nahmen die „Antimikrobiellen Resistenzen” (AMR) – von der WHO auch als „stille Pandemie“ bezeichnet – EU-weit um 43 % zu. Zurückzuführen sei dies vermutlich auf Hygienedefizite, weil man sich vor allem um die Verhütung von SARS-CoV-2 gekümmert habe, so Peter Walger, Leiter des Zentralbereichs Hygiene und Infektionsprävention im ABS Verbund Katholischer Kliniken Düsseldorf (VKKD). Der Einsatz von Antibiotika ohne Resistenzbildung sei zwar eine Illusion – eine unvermeidliche Folge des Selektionsdrucks durch ihre Anwendung. Allerdings verschärften neben einem inadäquaten Einsatz der Medikamente auch Hygienedefizite die Verbreitung. AMR sei ein schleichender, lang andauernder Vorgang und ein allgegenwärtiges Problem in jeder Einrichtung, so Walger, und Deutschland weit davon entfernt, für den Kampf dagegen gerüstet zu sein. „Wir haben zu viel Analyse und zu wenig Exekutive.“ Das zeigt im Übrigen ein Blick in die Niederungen des Alltags.

Personalprobleme lösen!

Flächendeckend fehlt qualifiziertes Reinigungspersonal. Das betrifft private Dienstleister ebenso wie Tochterunternehmen von Klinik- und Heimbetreibern. Man habe eine hohe Zahl unbesetzter Stellen und müsse zugleich den Hygienestandard aufrecht erhalten, so die leitende Facility-Managerin eines solchen Betriebs im Rheinland.

Der „letztmögliche“ Weg, eine Streckung der Service-Zyklen, konnte bisher vermieden werden. Zumal es nicht nur darum geht, Ansteckungen zu verhindern. „Sauberkeit ist auch ein Markenzeichen. Eine regelmäßige, gründliche Reinigung stärkt das Vertrauen der Bewohner, Patienten und deren Angehörigen, das hat die Pandemie insbesondere gezeigt“, so Marc-A. Eickholz.

Doch die Reinigungsbranche leidet unter einem schlechten Image. Schuld sind Firmen, die ihre Mitarbeiter schlecht behandeln und bezahlen. Aber auch Betreiber, die solche Praktiken dulden und indirekt befördern, indem sie Versprechungen von Einkaufsberatern wie „gleiche Leistung, 20 % billiger“ Glauben schenken. „Hygienemaßnahmen kosten Zeit und Geld. Einrichtungen versuchen, die Kosten zu senken“, weiß Markus Sutorius, Referent Recht der BIVA Bundesinteressenvertretung für alte und pflegebetroffene Menschen e. V. Zur Erinnerung: Es ist noch gar nicht lange her, es war auf dem Höhepunkt der Pandemie, dass die Reinigungs-Dienstleistung als „systemrelevant“ erklärt wurde.

Problemlösungen seien nicht immer eine vordergründige Frage des Geldes, so Experte Eickholz. Auch optimierte Arbeitsprozesse reduzierten Kosten. Insbesondere komme es darauf an, den Arbeitsplatz durch zusammenhängende Dienstzeiten attraktiv zu machen und Reinigungskräfte nicht nur auf Teilzeitbasis oder ständig woanders einsetzen zu müssen. Durch entsprechende Arbeitsstrukturen ließen sich die Mitarbeiter besser in einen Heimbetrieb integrieren. Das komme auch einer lückenlosen Umsetzung von Hygieneplänen zugute.

Nachhaltige Verbesserung der Hygiene in Pflegeheimen: eine Checkliste

  1. Überprüfen Sie regelmäßig und systematisch die Hygienemaßnahmen in Ihrem Pflegeheim, um sicherzustellen, dass sie dem aktuellen Stand der medizinischen und pflegewissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen.
  2. Stellen Sie sicher, dass die Klimatechnik in Ihrem Pflegeheim richtig konzipiert ist und über leistungsfähige Filter verfügt, um die aerogene Übertragung von Infektionen zu minimieren.
  3. Überwachen Sie regelmäßig den Zustand der Klimatechnik und führen Sie die notwendigen Wartungsund Reinigungsarbeiten durch, um Kontaminationen zu vermeiden.
  4. Achten Sie darauf, dass die Luftqualität in Ihrem Pflegeheim gesundheitsfördernd ist, insbesondere mit Blick auf hitzebedingte Krankheiten und die Sterblichkeit älterer Menschen.
  5. Schulen Sie Ihr Reinigungspersonal regelmäßig und stellen Sie sicher, dass die Reinigungskräfte über genügend Ressourcen und Zeit verfügen, um ihre Aufgaben gründlich zu erledigen.
  6. Optimieren Sie die Arbeitsprozesse im Bereich der Reinigung, um Effizienz und Kostenersparnis zu erreichen. Bieten Sie attraktive Arbeitsbedingungen an, um qualifiziertes Reinigungspersonal zu gewinnen und langfristig zu binden.
  7. Implementieren Sie klare Hygienepläne und stellen Sie sicher, dass sie konsequent umgesetzt werden. Überprüfen Sie regelmäßig die Einhaltung der Pläne und nehmen Sie gegebenenfalls Anpassungen vor.
  8. Sensibilisieren Sie Bewohner, Patienten und deren Angehörige für die Bedeutung von Hygiene und schaffen Sie Vertrauen durch regelmäßige und gründliche Reinigung.
  9. Kooperieren Sie mit den Gesundheitsbehörden und nehmen Sie Kontrollen ernst. Nutzen Sie Feedback und Empfehlungen, um kontinuierlich Verbesserungen vorzunehmen.
  10. Behalten Sie aktuelle Entwicklungen und Erkenntnisse im Bereich der Hygiene im Auge und passen Sie Ihre Maßnahmen entsprechend an, um stets auf dem neuesten Stand zu sein.

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2023 zu finden.

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