von Manfred Godek

Es muss nicht gleich eine Pandemie ausbrechen. Auch Hitzewellen und Grippewinter werden mit einer leistungsfähigen und hygienisch einwandfreien Raumlufttechnik (RLT) besser beherrschbar.

Großmutter wusste es schon immer: Frische Luft tut gut und schützt vor Ansteckung. Aber in vielen Seniorenheimen und Pflegeeinrichtungen lassen sich Fenster nicht öffnen, um z. B. demente Bewohner nicht zu gefährden. Dies trug nach Feststellung der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene zu den dramatischen Massenausbrüchen z. B. von Covid-19 bei. Denn nur ein Teil der betreffenden Einrichtungen verfügte über Lüftungskonzepte. Als Notlösungen kamen vielerorts mobile Luftreinigungsgeräte zum Einsatz. Inwieweit sie etwas genutzt haben, ist unter Fachleuten umstritten. Ein zentraler Kritikpunkt ist, dass die Luft statt nach oben nach unten in die Kopfhöhe der atmenden Menschen befördert wurde. Tausende dieser Geräte stehen jetzt nutzlos herum. Eine leistungsfähige mechanische Lüftungs- und Klimatechnik können sie ohnehin nicht ersetzen. Eine solche saugt „verbrauchte“ Luft nach oben ab. Zugleich wird saubere Luft zugeführt, entweder im unteren Bereich eines Raumes unter Nutzung des thermischen Auftriebs (Quelllüftung) oder mit hohem Impuls an anderer Stelle (Mischlüftung). Es wird Heizenergie gespart und neben Schadstoffen und Pollen bleibt auch der Lärm draußen. „Eine RLT-Anlage ist das Beste, um eine Aerosolausbreitung zu verhindern“, stand schon in dem kürzlich veröffentlichten Protokoll des Corona-Krisenstabs beim RKI vom 03.08.2020.

Die Bedeutung des Innenraumklimas wurde uns in den letzten Jahren deutlich vor Augen geführt. Gute Lüftungskonzepte sind und bleiben auch in Zukunft wichtig, um hygienische Raumluftverhältnisse herzustellen, ebenso zur Prävention gegen die Verbreitung von Krankheitserregern. Zugleich geht es um Luftqualität allgemein, um thermischen und visuellen Komfort sowie um Akustik.

Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP)

Portrait von Kassenärztechef Gassen

Kassenärztechef Gassen fordert Klimatisierung von Altenheimen bei Hitze. – Foto: KBV

RLT-Anlagen schützen zudem vor den Folgen des Klimawandels. Hitze setzt betagten Menschen besonders zu und verstärkt die Risikofaktoren diverser Krankheiten. Bereits im Jahr 2017 hatte der schweizerische Pflegeverband CURAVIVA auf die Übersterblichkeit bei den großen Hitzewellen in den Jahren 2022, 2013 und 2015 hingewiesen. Im gleichen Jahr veröffentlichte das deutsche Bundesumweltministerium „Handlungsempfehlungen“. Demnach soll „mittelfristig“ bei jeder Renovierung z. B. von Kliniken und Pflegeheimen der Einbau „technischer Kühlverfahren“ in Betracht gezogen werden. Im Jahr 2019 forderte der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach, damals noch nicht Minister, mehr Klimaanlagen für Altenheime und Krankenhäuser. Im Sommer 2023 legte Kassenärztechef Gassen diesbezüglich nach. In den Empfehlungen des Qualitätsausschusses Pflege vom 28.03.2024 heißt es, dass im Fall eines Falles „zentrale Einrichtungen zur Verschattung bzw. Kühlung“ zu aktivieren seien. Würden die vorhandenen fachlichen Erkenntnisse baurechtlich verankert, dürften in spätestens zwei Jahren Neubauten ohne Temperaturbegrenzung auf maximal 25 Grad in jedem Bewohnerzimmer nicht mehr in Betrieb gehen, so Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz.

Informationsdefizite

Bei Neuplanungen gehören zentrale Lüftungs- und Heizsysteme, die durch Gebäudeautomationssysteme nutzungs- und ereignisabhängig gesteuert werden, inzwischen zur „State of the Art“. Deshalb geht es vor allem um die bundesweit rund 12.000 Bestandsbauten. Ohne milliardenschwere Investitionen des Bundes und der Länder sei ein nationaler Hitzeschutzplan Makulatur, so Brysch. Um wenigstens der Hitze etwas entgegenzusetzen, können Aufenthaltsräume und Patientenzimmer mit Klimageräten ausgerüstet werden. Das Seniorenzentrum St. Martin in Essen-Rüttenscheid (108 Zimmer) ist ein Beispiel von vielen. Der Träger, der Katholische Pflegehilfe e. V., hat dafür im Jahr 2023 rund 500.000 Euro investiert.

Ein Techniker reinigt mit einer Bürste eine Klimaanlage an der Decke und trägt dabei eine Schutzmaske.

Gesunde Luft für Bewohner: nur bei guter Wartung – Foto: PantherMedia/Elnur_

Das Problembewusstsein wächst. Zugleich gibt es zu dem relativ „jungen“ Thema Raumlufttechnik Informationsdefizite, aus diesen resultierende Vorbehalte und es mangelt an Routinen im Umgang damit. Gegen maschinelle Lüftungsanlagen wird häufig der hohe Energieverbrauch ins Feld geführt. Ein solcher entsteht allerdings vor allem bei älteren und schlecht gewarteten Anlagen. Bei der Neuanschaffung, Aufrüstung oder Sanierung könne durch den Einsatz hocheffizienter Komponenten viel Energie eingespart werden, betont der Fachverband Gebäude-Klima e. V. (FGK). Für Bestandsanlagen empfehlen die Experten eine energetische Inspektion und für Neuausschreibungen eine Lebensdauer-Kosten-Berechnung („Life Cycle Costs“). Veraltete Anlagen haben neben konstruktiven Nachteilen auch rückständige Zusatzfunktionen für Heizen, Kühlen, Be- oder Entfeuchten, die unnötig viel Strom fressen. „Die größte Energieverschwendung ist die Ableitung der Abwärme, ohne diese für die Temperierung der Frischluft zu nutzen. Durch Umrüstung auf eine Wärmerückgewinnung lässt sich in gewerblichen Immobilien bis zu 50 % Heizenergie sparen“, so Marc-A. Eickholz, Geschäftsführer der Niederberger Gruppe, eines auf Facility Services für Kliniken und Heime spezialisierten Dienstleisters.

Wartung als Achillesferse

In Bezug auf die Anlagenwartung unterschieden sich Heime und Pflegeeinrichtungen nicht von anderen Gebäudearten. Während Corona seien die gesetzlichen Vorgaben zu Inspektion und Reinigung der maßgeblichen VDI-Richtlinie 6022 genauestens erfüllt worden. Nun, da die Sensibilisierung nachgelassen habe, werde auch die Wartung wieder vernachlässigt. Bei älteren Anlagen fehlten zudem oft Revisionsöffnungen. Diese nachträglich vorzunehmen, rentiere sich bereits nach wenigen Inspektionsterminen. Außer Acht gelassen werde zudem, dass auch dezentrale Klimageräte unter die Wartungsvorschriften fielen. Anlagen mit Befeuchtung müssten zudem alle 14 Tage auf Verkeimung überprüft werden. Auch dies gehört zum Standard moderner Raumlufttechnik.

Infos: www.fgk.de, www.niederberger-gruppe.de

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2024 zu finden.

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