Ein optimales Hygieneregime sorgt nicht nur für Sauberkeit und Infektionsschutz. Es ist Bestandteil eines ganzheitlichen Qualitätsmanagements und im Rahmen der ESG-Agenda mit dem Thema Nachhaltigkeit eng verzahnt. Diesbezüglich gibt es allerdings noch viel zu tun.
von Manfred Godek
Neben dem Energie- und Wasserverbrauch und der Verpflegung sind die bei der Reinigung und Desinfektion eingesetzten Mittel und Technologien maßgeblich für den ökologischen Fußabdruck verantwortlich. Weil das Seniorenheim keine isolierte Einrichtung ist, steht es auch diesbezüglich in einer gesellschaftlichen Verantwortung. Zumal für ältere Menschen und deren Angehörige der schonende Umgang mit Ressourcen einen besonders hohen Stellenwert hat. Das Bewusstsein, aktiv zum Schutz der Umwelt beizutragen, kann eine tiefgreifende, das Selbstwertgefühl fördernde steigernde psychologische Wirkung haben.
Im Rahmen der EU-Taxonomie hat umweltbewusstes Management unmittelbar Einfluss auf die Finanzierung durch Banken und Fonds. Zwar sind zunächst nur große Kapitalgesellschaften zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet. Wenn allerdings mehrere Senioreneinrichtungen zu ein und derselben Betreibergesellschaft gehören, sind sie ebenfalls von der Berichtspflicht erfasst. Kleine Betriebe stehen aber nicht minder im Blick der Öffentlichkeit, ihrer Banken und Fördergeber.
Vor diesem Hintergrund besteht hoher Handlungsbedarf. Laut dem „ReKlimaMed“-Gutachten aus dem Jahr 2023 spielt das Thema Nachhaltigkeit im deutschen Gesundheitswesen, für das u. a. stationäre Pflegeeinrichtungen untersucht wurden, „keine oder nur eine geringe Rolle“. Es bestehe u. a. ein Informationsdefizit, inwieweit Maßnahmen zur ökologischen Nachhaltigkeit auch einen ökonomischen Nutzen haben können. Die Reinigung ist dafür geradezu exemplarisch.
Reinigungslevel definieren
Der Einsatz von RKI-empfohlenen Reinigungsmitteln ist selbstverständlich. Das RKI gibt aber auch Empfehlungen für den Reinigungsturnus. Demnach ist in Bereichen mit überwiegend sozialer Betreuung eine „routinemäßige Reinigung wie im Haushalt in der Regel ausreichend“ (Hinweis: Aktualisierung in 2025 geplant).
„Warum sollte das Zimmer eines Heimbewohners fünfmal in der Woche gewischt und vielleicht sogar noch desinfiziert werden? In sozialen Organisationen wird oft zu viel des Guten angeboten und getan“, so Christine Klöber, Unternehmensberaterin für hauswirtschaftliches Dienstleistungs- und Qualitätsmanagement. Während sich Heime an anderen Stellen bemühten, umweltfreundlich zu sein, z. B. mit dem Papierkram im Büro oder der Abfallvermeidung in der Küche, werde der Reinigungsbereich unter dem Blickwinkel der Umweltfreundlichkeit „eher stiefmütterlich behandelt“. Dies, obwohl Reinigungsmittelhersteller seit Jahren wirksame umweltfreundliche Produkte für den professionellen Einsatz anböten, etwa mit dem Blauen Engel oder dem EU Ecolabel. Vor allem aber müssten verschiedene Level der Reinigung definiert werden.
„Bloßes Saubermachen ist kein Wert an sich. Vielmehr haben sich Reinigungs- und Desinfektionsstandards und damit die Auswahl von Mitteln, deren Mengen und die angewandten Verfahren an den jeweiligen Nutzungen auszurichten“, so Peter Hollmann, Betriebsleiter der u. a. auf Facility Services in Kliniken spezialisierten Niederberger Gruppe in Berlin. Häufig würden bspw. Flure, Zimmer, Aufenthaltsräume und Toiletten „sozusagen in einem Aufwasch“ gereinigt. Dies, um auf der sicheren Seite zu sein, mit einer maximalen und damit teilweisen Überdosierung der eingesetzten Mittel. Hollmann: „Dies ist unwirtschaftlich und unökologisch zugleich. Das ist das Erste, was wir bei einem neuen Objekt in Angriff nehmen: ein detailliertes, nach Verschmutzungsarten und -graden sowie Hygieneanforderungen spezifiziertes und differenziertes Leistungsverzeichnis mit Festlegung der zu verwendenden, möglichst gefahrstofffreien Produkte und deren Dosierung.“ Nicht zuletzt seien die Mitarbeiter für den sorgfältigen Umgang mit Reinigungsmitteln zu schulen, etwa für die individuelle Dosierung von Konzentraten oder Mikrofasertüchern, die besser und zugleich schneller reinigten. Und damit effizienter. Es gelte, den ökologischen Fußabdruck des gesamten Unternehmens nach Verbrauchsarten und -kosten zu ermitteln, so die Beratungsgesellschaften ETL Advision und BFS Service in einem gemeinsam entwickelten Leitfaden zur Nachhaltigkeit. Spannend sei ein Vergleich einzelner Standorte. Vielfach ließen sich Stellhebel zur Optimierung und für Einsparungen von bis zu 20 % identifizieren.
Wasser ohne Zusätze
Ein aktuelles Beispiel für innovative und zugleich ressourcensparende Verfahren ist die Verwendung von Ozon-angereichertem, entmineralisiertem Wasser („Ozonwasser“). Aufgrund seines hohen Oxidationspotenzials baut Ozon Bakterien, Keime und Viren effektiv ab, indem es die Zellmembran von Krankheitserregern zerstört. Die Fraunhofer Institute IST und ISIT forschen an Verfahren für die Abwasserreinigung, die Haustechnik und die hygienische Reinigung. Letztere bewährt sich bereits in der Praxis. Hollmann von der Niederberger Gruppe: „Die desinfizierende Kraft und hohe Reinigungswirkung reduziert den Einsatz von chemischen Zusätzen, und zwar nicht nur in der Flächenreinigung, sondern auch in der Wäscherei. Das schont die Textilien, senkt durch die Nutzung von Kaltwasser den Energieverbrauch und reduziert die Wasch- und Trockenzeiten.“ Es werde eine deutliche Effizienzsteigerung erreicht.
Die Liste positiver Beispiele ließe sich ergänzen – gleichwohl: Innovative und konstruktive Maßnahmen beschränkten sich im Wesentlichen auf „einige Leuchttürme und einzelne engagierte Akteure“, so die ReKlimaMed-Studie. Nachhaltigkeit müsse als dauerhafter und kontinuierlicher Prozess in Management- und Leitungsebenen eingebunden sein. Es fehlten zudem regulatorische Vorgaben.
Allerdings ist nicht jede behördliche Anordnung sinnhaft. Es gibt z. B. auf EU-Ebene Überlegungen, das rückstandsfrei abbaubare Ethanol (Alkohol) als reproduktionstoxisch und krebserregend zu klassifizieren. Für Frauen im gebärfähigen Alter bestünde damit praktisch ein Beschäftigungsverbot.
Weitere Informationen:
kloeber-kassel.de
niederberger-gruppe.de
rki.de
viamedica-stiftung.de
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 01/2025 erschienen.