von Mandy Krüger (Verband der Ersatzkassen e. V.)

Sich konzentrieren, flexibel auf Neues reagieren und kleine Alltagsprobleme selbstständig lösen – was vielen selbstverständlich erscheint, sind Fähigkeiten, die im Alter oft nachlassen. Gemeint sind die sog. exekutiven Funktionen – sie steuern das Denken, Planen und Handeln. Ihr schleichender Abbau ist ein natürlicher Teil des Alterungsprozesses. Die gute Nachricht ist jedoch: Sie bleiben ein Leben lang trainierbar.

 

Gut zu wissen:
Was sind exekutive Funktionen?

Exekutive Funktionen sind geistige Steuerungsprozesse, die es uns ermöglichen, Dinge zu planen, unsere Aufmerksamkeit zu lenken, Gewohnheiten zu durchbrechen oder auch bei Ablenkung konzentriert zu bleiben. Im Alltag helfen sie beispielsweise beim Einhalten von Tagesstrukturen, beim Bewältigen unerwarteter Situationen oder beim Bewegen in unbekannter Umgebung. Mit dem Alter lassen sie nach – gezieltes Training kann hier wirksam gegensteuern.

Was ist das Projekt P.F.L.E.G.E.?

Hier setzt das Projekt P.F.L.E.G.E. an, ein gemeinsames Vorhaben des Verbands der Ersatzkassen (vdek) und der Europäischen Fachhochschule (EU|FH). Das Ziel bestand darin, gezielt jene Fähigkeiten zu stärken, die älteren Menschen dabei helfen, ihren Alltag sicherer, aktiver und selbstbestimmter zu gestalten und somit ihre Lebensqualität deutlich zu verbessern.

Die Ausgangslage ist deutlich: Schon heute sind etwa 5,7 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig – mit steigender Tendenz. Das Statistische Bundesamt rechnet in den nächsten zwei Jahrzehnten mit über 7 Millionen. Vor diesem Hintergrund rückt die Frage in den Fokus, wie Pflegeeinrichtungen nicht nur Versorgung, sondern auch Gesundheit und Teilhabe gezielt fördern können.

Von der Theorie zur Praxis

In vier stationären Pflegeeinrichtungen wurde daher von August 2023 bis Mai 2024 eine besondere Maßnahme entwickelt und erprobt: die sogenannte KöKo-Maßnahme (Körperliche Aktivität und Kognitive Ressourcen). Sie verbindet Bewegung mit geistiger Anregung und ist speziell auf die Bedürfnisse älterer Menschen mit Pflegegrad angepasst. Über einen Zeitraum von zehn Wochen trainierten die Teilnehmenden regelmäßig in Kleingruppen Übungen, die sowohl die Muskeln als auch den Kopf forderten.

Dabei ging es nicht um sportliche Höchstleistungen, sondern um gezielte, alltagsnahe Bewegungen. Beispiele sind Reaktionsspiele mit Bällen, kleine Bewegungsaufgaben in Kombination mit Denkaufgaben oder Balancetraining mit Konzentrationselementen. Auch Sinnesreize wurden gezielt eingesetzt, um verschiedene Wahrnehmungskanäle zu aktivieren. Das Ziel bestand darin, den Geist zu fordern, die Beweglichkeit zu fördern und das Vertrauen in den eigenen Körper zu stärken.

Welchen Mehrwert bietet das Projekt?

Ein besonderer Erfolgsfaktor war, dass von Beginn an sowohl die Bewohnenden als auch die Pflegekräfte aktiv eingebunden wurden. Die Mitarbeitenden wurden zu Multiplikatoren geschult. Sie führten die Übungen durch, sammelten Rückmeldungen und konnten anschließend ihre Kollegen selbst ausbilden. So wurde von Anfang an sichergestellt, dass das Projekt über sein offizielles Ende hinaus nachhaltig in den Einrichtungen weitergeführt werden kann.

Die Umsetzung wurde eng begleitet. Ein Team der EU|FH führte regelmäßige Workshops und digitale Austauschrunden durch. Zu Beginn und am Ende testete es die geistige Leistungsfähigkeit, Mobilität, Sturzangst und Lebensqualität der Teilnehmenden und wertete die Ergebnisse wissenschaftlich aus. Die Rückmeldungen aus der Praxis flossen kontinuierlich in die Weiterentwicklung ein.

Hände einer Person formen Gesten vor hellem Hintergrund, Fokus auf Fingerbewegung.

Übungen wie Hase und Jäger verbessern die sog. exekutiven Funktionen – Foto: vdek

Die Wirkung war deutlich mess- und spürbar: Die sogenannten exekutiven Funktionen verbesserten sich signifikant. Wer zuvor Probleme mit der Konzentration oder der schnellen Reaktion hatte, konnte nach zehn Wochen Fortschritte verzeichnen. Auch die Beweglichkeit stieg und die Sturzangst sank. Ein besonders anschaulicher Wert ist die Veränderung der sturzassoziierten Selbstwirksamkeit, also das Vertrauen in die eigene Fähigkeit, sicher stehen und gehen zu können. Diese verbesserte sich von „starken Bedenken“ auf „moderate Bedenken“, gemessen mit dem international anerkannten FES-I-Score. Auch die gesundheitsbezogene Lebensqualität stieg. Sie wurde über den EQ-5D-Fragebogen erfasst und verbesserte sich von durchschnittlich 60 auf 75 von 100 Punkten. Das ist ein messbarer Gewinn im Alltag der Teilnehmenden.

Doch nicht nur die Bewohnenden profitierten, auch die Pflegekräfte erlebten das Projekt als Bereicherung. Durch die Schulungen gewannen viele neues Wissen im Bereich Prävention und Aktivierung, was wiederum zu mehr Sicherheit und Motivation im Arbeitsalltag beitrug. Auch aus Sicht der Einrichtungen selbst war das Projekt ein Gewinn: Die entwickelten Übungen wurden in ein umfassendes Schulungskonzept überführt. Dazu gehören praktische Anleitungen, Übungsmaterialien und Videos. Diese digitale Ergänzung erleichtert auch künftig den Einstieg. So können Einrichtungen die Maßnahme dauerhaft in den Alltag integrieren – unabhängig von externen Projekten oder Förderungen.

Fazit

P.F.L.E.G.E. steht somit für ein modernes Verständnis von Pflege als Ort der Gesundheitsförderung und der Teilhabe, nicht nur als Versorgung. Das Projekt zeigt, wie durch gemeinschaftlich entwickelte und praxisnahe Programme spürbare Verbesserungen für ältere Menschen erreicht werden können – ganz ohne großen Aufwand, aber mit großer Wirkung.

Für alle Beteiligten – Bewohnende, Pflegekräfte und Einrichtungen – war das Projekt mehr als nur eine Forschungsstudie. Es war ein Schritt hin zu mehr Bewegung, Lebensfreude und einem selbstbestimmteren Alltag im Alter.

Logo „Gesunde Lebenswelten – Ein Angebot der Ersatzkassen“.

Logos der Ersatzkassen: TK, Barmer, DAK, KKH, hkk, HEK und vdek nebeneinander.

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 02/2025 erschienen.

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