AWO Demenz Zentrum Wolfratshausen

Migranten, Kontingentflüchtlinge, betagte Einwanderer und schlichtweg Weltbürger – es gibt viele Gründe, weshalb alte Menschen der deutschen Sprache nicht oder nicht mehr mächtig sind. Auch Menschen mit Demenz verlieren im Verlauf der Erkrankung den Bezug zur Sprache.

Die verbale Kommunikation wird schwieriger und je nach fremdsprachlichen Ressourcen der Mitarbeiter*innen wird der verbale Austausch mitunter fast unmöglich.

Unser Wunsch, eine biographisch orientierte Alltagsgestaltung, Betreuung und Pflege zu ermöglichen, stellt uns vor viele ganz unterschiedliche Herausforderungen. Nachtigallennester zum Nachtisch für Menschen aus dem Irak, Verlegung der Essenszeiten im Ramadan auf die Zeit nach Sonnenuntergang bei Muslimen, Ermöglichung ritueller Waschungen, Rücksichtnahme auf „sittliche“ Kleidung, völlig unterschiedliche Tischsitten und vieles mehr gilt es im Alltag zu berücksichtigen.

Nun reicht es aber nicht aus, sich mit transkulturellen Bräuchen, Sitten und Gewohnheiten vertraut zu machen. Entscheidend für den Erhalt von Wohlbefinden und Lebensqualität sind zunächst zwischenmenschlicher Austausch und verbale Kommunikation. Unter Umständen haben wir es mit Menschen zu tun, die neben der Auseinandersetzung mit einer neuen Heimat mit fremder Kultur, fremder Sprache und einem fremden Land, neben der Pflegebedürftigkeit und Demenz auch noch ein Flüchtlingstrauma erlitten haben.

In unserer Einrichtung, die sich auf die Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz spezialisiert hat, sind wir zurzeit etwa mit sechs Fremdsprachen konfrontiert. Von Spätaussiedlern über Weltenbummler bis hin zu Flüchtlingen aus aktuellen Krisengebieten variiert das Spektrum und mit ihm die damit verbundenen sprachlichen Probleme im Alltag.

Unser Ziel war es, ein Medium zu finden, das Mitarbeiter*innen von Pflege und Sozialdienst, Angehörigen und Ärzt*innen die Kommunikation ermöglicht. Bewohner*innen sollten in der Lage sein, Wünsche und Bedürfnisse mitteilen zu können. Das Medium sollte einfach in der Handhabung und immer parat sein. Zusätzlich zum Fremdwortschatz sollte es sprachunabhängig allen Bewohner*innen mit Wortfindungsstörungen und fortschreitendem Sprachverlust als Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen. So hat sich die Erstellung unserer Sprach- und Bildkarten ergeben, die im Pocketformat in jede Hosentasche passen. Wir sehen dieses Konzept als Bestandteil und Grundvoraussetzung für kultursensible Pflege.

Beispiel für Bildkarten

Kultursensible Betreuung und Pflege von Menschen mit Demenz (Foto: AWO Demenz Zentrum Wolfratshausen)

Foto: AWO Demenz Zentrum Wolfratshausen

Die fremdsprachige Übersetzung wird in einer von uns selbst erstellten Lautschrift aufgezeigt, um die Anwendung zu erleichtern.
Die Kombination von Vokabular und Symbolik macht die Karten im Prinzip sprachunabhängig. Dennoch möchten wir uns mit der fremden Sprache vertraut machen. Mitarbeiter*innen lernen auf diese Weise Schlagwörter sehr schnell auswendig und brauchen viele Karten gar nicht mehr. Bedarf es einer neuen Sprache können die Karten problemlos erweitert werden. Auch der Umfang der Worte ist jederzeit veränderbar.

Die Qualität hängt immer von den Möglichkeiten bei der Erstellung ab: Mal sind uns Angehörige behilflich, mal Ehrenamtliche oder wir sind ganz auf das Internet angewiesen und “erlauschen” uns die Lautschrift mit Hilfe der Computerstimme aus dem Netz.

 

Beispiel für Sprachkarten

Bezugspflegekräfte und Betreuungspersonal haben diese Karten immer bei sich, um sich über Aktivitäten des täglichen Lebens jederzeit austauschen zu können. Zurzeit arbeiten wir mit Karten der russischen, aramäischen, türkischen und italienischen Sprache. Das Kommunikationskonzept mit Sprach- und Bildkarten ist zwar nur ein kleiner Schritt in der Verständigung, aber für uns doch ein sehr wichtiger. Eine Bewohnerin sagte einmal auf die Frage, was Heimat für sie bedeutet: Heimat ist da, wo jemand zu dir sagt „Hallo meine Liebe, schön dass du da bist!“. Ein Satz den man in vielen Sprachen schnell auswendig lernen kann, der Wertschätzung und Respekt ausdrückt – die Grundvoraussetzung für Lebensqualität im Alter.

 

 

Kurzinfo

Gabi Strauhal, Dip. Soz. Päd. (FH)AWO-Logo mit Herzsymbol

AWO Demenz Zentrum Wolfratshausen
Paradiesweg 18, D- 82515 Wolfratshausen
Tel.: 08171/4325-0, Fax.: 08171/4325-11
Internet: www.sz-wolfratshausen.awo-obb.de
E-Mail: info@sz-wor.awo-obb.de

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2019 zu finden.

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