von Anna Kiefer, Sebastian Ritzi und Eric Schmitt (Institut für Gerontologie, Universität Heidelberg – Literatur bei den Verfassern)

Aufgrund des demographischen Wandels werden Menschen in Deutschland immer älter, was auch mit einem erhöhten Risiko an einer Demenz zu erkranken einhergeht. Aktuell leben rund 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenz in Deutschland, wobei im Jahr 2050 weltweit von 139 Millionen Menschen mit Demenz auszugehen ist (Statistisches Bundesamt, 2022; DZNE, 2023). Vor diesem Hintergrund und der damit einhergehenden pflegerischen Bedarfslage gewinnen (gesamtgesellschaftliche) Fragen nach einer pflegefachlich und ethisch fundierten Begleitung immer mehr an Bedeutung. So stellt sich nicht nur die Aufgabe, die aktive Teilhabe von Menschen mit Demenz sicherzustellen, sondern auch deren Lebensqualität zu erhalten bzw. zu verbessern. Um diesen Anforderungen zu entsprechen und Menschen mit Demenz sowie deren An- und Zugehörige zu unterstützen, hat die Bundesregierung die im Jahr 2020 veröffentlichte Nationale Demenzstrategie entwickelt. Diese beschreibt 162 umzusetzende Maßnahmen, die in verschiedenen Handlungsfeldern darauf abzielen, die Lebenssituation von Menschen mit Demenz in Deutschland zu verbessern. Ein aktuell beobachtbarer Trend im Pflege- und Gesundheitswesen ist die Digitalisierung und der Einsatz von Technik für Menschen mit Demenz. Auch diese Aspekte, die auf die Vereinfachung pflegerischer Prozesse und die Verbesserung der Versorgungsqualität pflegebedürftiger Menschen abzielen, werden in der Nationalen Demenzstrategie aufgegriffen. Insbesondere digitale Technologien zur Unterstützung bei Therapie und Diagnostik, des Pflegemanagements oder zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit finden dabei immer häufiger Anwendung. Darüber hinaus gewinnt der Einsatz digitaler Technologien auch in der alltäglichen Begleitung, etwa im Rahmen der Alltagsbegleitung und -gestaltung pflegebedürftiger Menschen zunehmend an Wichtigkeit.

Die Tovertafel in der Begleitung von Menschen mit Demenz

Die sog. Tovertafel (dt. Zaubertisch) bietet digitale Aktivierungsmöglichkeiten für Menschen mit Demenz. Das Produkt lässt sich als interaktive und spielerische Freizeitaktivität für Menschen mit Demenz beschreiben, indem die Spielenden durch digitale Projektionen (Lichtanimationen) und einer Infrarot-Technologie auf projizierte Objekte multisensorisch reagieren und in Interaktion treten können. Die Zielsetzung der Tovertafel besteht darin, vor allem Menschen mit Demenz zu aktiveren, deren kognitiven Fähigkeiten anzuregen und das soziale Zusammenwirken untereinander zu fördern.

Mit Blick darauf, dass digitale Technologien zunehmend Einfluss auf pflegerische Sorgebeziehungen nehmen und daher unweigerlich ein Potenzial zur Veränderung derselben aufweisen, ist der Einsatz, die Nutzung und die Implementierung solcher Technologien in der Pflege und Begleitung – verstanden als Sorge-, Beziehungs- und Interaktionsprozess – stets auch ethisch zu hinterfragen.

Die Aktion „Greifbares Glück“

Die Dietmar Hopp Stiftung beschenkte im Rahmen der Aktion „Greifbares Glück“ 100 stationäre bzw. teilstationäre pflegerische und rehabilitative Einrichtungen in der Metropolregion Rhein-Neckar jeweils mit einem Tovertafel-Paket. Die Förderaktion richtete sich dabei an gemeinnützige Einrichtungen, in denen der Schwerpunkt auf der Betreuung und Begleitung von Menschen mit Demenz liegt, wie etwa Einrichtungen der stationären Langzeitpflege oder gerontopsychiatrische Stationen in Kliniken.

Um ein Tovertafel-Paket zu erhalten, konnten sich steuerbegünstigte sowie gemeinnützig oder mildtätig anerkannte Einrichtungen bewerben und wurden im Nachgang anhand festgelegter Kriterien durch die Dietmar Hopp Stiftung ausgewählt. Zwischen Dezember 2021 und September 2022 wurden pro Monat je zehn Einrichtungen im Rahmen des Aktionsprogramms beschenkt, sodass die Tovertafel zu unterschiedlichen Zeitpunkten zum Einsatz gebracht wurde.

Um den Einsatz und Nutzen der Tovertafel in den unterschiedlichen Einrichtungen zu evaluieren, wurde von Februar 2023 bis Januar 2024 in Kooperation mit dem Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg ein Evaluationsprojekt durchgeführt. Insgesamt haben 29 Pflegeeinrichtungen – vor allem Einrichtungen der stationären Langzeitpflege – an dem Forschungsprojekt zur Nutzung der Tovertafel teilgenommen. Der Großteil der beteiligten Einrichtungen konzentriert sich dabei auf die professionelle pflegerische Betreuung und Versorgung von Menschen mit Demenz. In dem Forschungsprojekt sollte untersucht werden, wie die Tovertafeln in den beschenkten Einrichtungen genutzt werden, welche Auswirkungen die Angebote auf die Spielenden und Pflegenden haben und inwiefern sich aus der Anwendung der Tovertafeln Chancen und Herausforderungen für die Einrichtung ergeben.

Wie wurde das Forschungsprojekt aufgebaut?

Zwei ältere Frauen und ein Mann interagieren mit einem interaktiven Projektor, der bunte Blumenbilder auf den Tisch projiziert.

Foto: Dietmar Hopp Stiftung

Die Herangehensweise umfasste drei einander ergänzende Zugänge, die sowohl die individuelle Sichtweise unterschiedlicher Akteure beleuchten als auch einen Einblick in die alltägliche Nutzung der Tovertafel geben und die dabei erhobenen und analysierten Ergebnisse im Rahmen einer Vollbefragung verdichten sollten. Zu Beginn wurden leitfadengestützte Interviews mit der jeweiligen Einrichtungsleitung sowie den für den Einsatz der Tovertafel verantwortlichen Personen (zumeist Leitung der sozialen Betreuung) geführt. Im Anschluss daran wurden je Einrichtung zu drei unterschiedlichen Zeitpunkten teilnehmende Beobachtungen mit einer Dauer zwischen 15 – 60 Minuten durchgeführt und im Nachgang mit den Spielenden ein – ebenfalls leitfadengestütztes und in einfacher Sprache verfasstes – Interview geführt. Weiterhin wurden begleitende An- und Zugehörige im Rahmen eines leitfadengestützten Interviews nach ihrem Eindruck der Nutzung der Tovertafel befragt. Abschließend folgte die digitale Vollbefragung per Fragebogen zur Ergebnissicherung.

Die Anwendung der Tovertafel in der Praxis

Insgesamt deuten die Ergebnisse darauf hin, dass zumindest einige Personen, auch mit Blick auf die kognitive Leistungsfähigkeit, von den Angeboten der Tovertafel zu profitieren scheinen. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass die Tovertafel in der Praxis auch in therapeutische Angebote integriert und als gute Ergänzung wahrgenommen wurde.

Die mit der Durchführung der Angebote betrauten Mitarbeitenden beobachteten während des Spielens Glücksmomente bei den Teilnehmenden, die währenddessen lachten, Freude ausstrahlten und miteinander ins Gespräch kamen. Insofern kann die Tovertafel Möglichkeiten für soziale Interaktion bieten, da sie gemeinsame Aktivitäten und damit verbundene Geselligkeit fördern kann. Dabei sei es den Akteuren zufolge wichtig, darauf zu achten, dass das Spielen an der Tovertafel eng und vor allem sensibel begleitet wird, um mögliche schwierige Situationen gut abfangen und begleiten zu können. Weiterhin ist anzumerken, dass die Spiele wenig bis keine haptischen Anreize schaffen. Dieser Punkt wurde in einigen Einrichtungen als kritisch betrachtet und deshalb durch alltägliche, zu den Spielen passende, Gegenstände ergänzt. Dies kann beispielsweise ein Silberputztuch beim Spiel „Tafelsilber“ oder eine Fliegenklatsche, etwa beim Spiel „Fliegenklatschen“, aber auch anderen Spielen sein. Zudem werden ebenfalls z. B. bunte Seidentücher genutzt, um die Spiele mit haptischen Anreizen abzurunden.

Unabhängig davon, dass im Rahmen der gewonnenen Ergebnisse überwiegend positive Effekte der Tovertafel gegenüber kritischen Punkten überwiegen, sollte die Nutzung der Tovertafel mit Bedacht erfolgen. Die Nutzung von (digitaler) Technik kann eine an den individuellen Ressourcen und Bedürfnissen orientierte, person-zentrierte pflegerische Betreuung nicht ersetzen; sie dient lediglich als zusätzliches bzw. ergänzendes Aktivierungsangebot. Zudem ist anzumerken, dass die Tovertafel nicht pauschal für alle Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder einer Demenzerkrankung geeignet ist, da die Spiele möglicherweise nicht für jedes Individuum ansprechend oder passend sind. Es gilt auch hier, die individuellen Bedürfnisse und Vorlieben der Nutzenden zu berücksichtigen, um eine bestmögliche Unterstützung und Förderung ihres Wohlbefindens zu ermöglichen.

Aufgrund der Studienergebnisse erscheint es unstrittig, dass die Nutzung von Tovertafeln in der pflegerischen Begleitung unmittelbare positive Auswirkungen auf die emotionale Befindlichkeit und soziale Interaktionen hat und zu glücklichen Momenten beitragen kann. Um die möglichen Auswirkungen auf die (langfristige) kognitive Leistungsfähigkeit umfassend zu erforschen, bedarf es weiterer Untersuchungen. Gleiches gilt für die längerfristige Aufrechterhaltung und Entwicklung von Lebensqualität.

Der Abschlussbericht der Evaluationsstudie kann auf der Homepage der Dietmar Hopp Stiftung eingesehen werden.

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2024 zu finden.

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