von Prof. Dr. Christel Bienstein und Prof. Dr. Angelika Zegelin

Schon vor unserer Zeitrechnung (ca. 430 – 370) wurde nach dem griechischen Arzt Hippokrates ein Eid, das sogenannte Arztgelöbnis, benannt und verfasst. Dieses hielt fest, dass kein Arzt seinem Patienten schaden darf. Die Urheberschaft ist bis heute ungeklärt, leitete aber die ärztliche Ethik ein. Für die Pflegenden gab es lange keinen Ethikkodex. Erst 1953 wurde dieser erstmalig vom Internationalen Concil of Nursing (ICN) verabschiedet. Er wurde mehrfach in den vergangenen Jahrzehnten ergänzt und den neuen Gegebenheiten angepasst. Letztmalig wurde er 2021 überarbeitet und kann kostenfrei von der DBfK Homepage heruntergeladen werden (www.dbfk.de).

Ziel des Ethikkodexes ist es, dass alle beruflich Pflegenden auf grundlegende Werte und Haltungen verpflichtet werden. Jede Pflegefachperson (vom Auszubildenden bis zum Management der Pflege) sind diesem Ethikkodex verpflichtet und müssen diesen daher kennen. Umso erstaunlicher ist es, dass dieser für die Pflegefachpersonen so wichtiger Kodex oftmals nicht bekannt ist.

Der Ethikkodex für Pflegefachpersonen umfasst vier Elemente:

Abb.: CN - International Council of Nurses

Abb.: CN – International Council of Nurses

  1. Pflegefachpersonen und Patientinnen und andere Menschen mit Pflegebedarf
  2. Pflegefachpersonen und die Praxis
  3. Pflegefachpersonen und der Beruf
  4. Pflegefachpersonen und Globale Gesundheit

Neu aufgenommen wurde der Punkt 4 – Globale Gesundheit sowie in den anderen Punkten, Anforderungen an den Datenschutz und der Umgang mit Sozialen Medien sowie Anforderungen an den Gesundheitsschutz für Pflegefachpersonen.

Häufig erfährt ein so grundlegender Baustein für den Pflegeberuf aufgrund seines theoretischen Aufbaus nicht die Anerkennung deren er bedarf. Dabei sind die hierin formulierten Werte sehr hilfreiche Entscheidungshilfen für den Alltag und damit für die Praxis von hoher Bedeutung.  Damit der Ethikkodex nun wirklich in der Praxis bei den Pflegenden ankommt, ist es sinnvoll verschiedene Möglichkeiten zu bedenken und dann einige gezielt anzugehen.

Umsetzungsvorschläge

Zuvor sollte eine intensivere Diskussion stattfinden, etwa auf der Ebene von Pflegeteams oder Ausbildungsgruppen. Der Text kann auf Schlüsselaussagen heruntergebrochen werden, etwa mit einem Thesenpapier – dies könnte durch die Einrichtungs-/Ausbildungsleitung geschehen. In Besprechungen könnte überlegt werden: Wie ist die Situation bei uns? Welche Begriffe sind uns besonders wichtig? Kann eine bessere Umsetzung geplant werden? (So wird immer wieder über „Würde“ gesprochen, die wahrscheinlich oft missachtet wird.) Haben wir genug Zeit für die Anliegen unserer Bewohner:innen? Schützen wir die Privatsphäre? Kümmern wir uns um die Angehörigen? Sind etwa christliche Werte tatsächlich spürbar?

Die Aussagen aus Leitbildern, Pflegetheorien, Berufsbeschreibungen orientieren sich an hohen Werten – sie bleiben aber abstrakt, wenn sie nicht konkretisiert oder personalisiert werden. Oft bleiben es schöne Gedanken, als Werbebotschaften im Eingangsbereich oder auf der Homepage. Vermutlich unterscheiden sich auch Prioritäten, je nach Team oder Pflegesetting. Jedes Teammitglied könnte 2 – 3 Leitgedanken wählen und jeweils auf eine Karte schreiben – dabei sind die selbstgewählten Begriffe wichtiger als Worthülsen, ein anschließender Austausch zeigt die Prioritäten. Diese wenigen Werte sollten auch unter misslichen Bedingungen durchgehalten werden. Die häufigst genannten Inhalte repräsentieren die Richtung im Team.

Wünschenswert sind eine regelmäßige Diskussion und auch eine Anpassung, gerne auch eine Visualisierung etwa auf einem Flip-Chart und eine Darstellung im „Dienstzimmer“ – als Team-Leitbild sozusagen. Die Präferenzen der Pflege-Profis sind individuell und verschieden, deswegen werden auch unterschiedliche Fort- und Weiterbildungen gewählt. Ein kürzlich in „Die Schwester, Der Pfleger“ erschienener Artikel mit der Aufforderung, die Abschlusszertifikate von Bestandenen Weiterbildungen öffentlich auszuhängen, führte zu einer großen Resonanz.

So kommt in den Gruppen eine Vielfalt an Pflege-Prioritäten zusammen, einigen geht es um gute Information oder Aktivierung, um Empathie, anderen um Selbstbestimmung oder Wohlbefinden, wieder anderen um Familienorientierung oder Interkulturelles – Vielen um Würde, Respekt, Sicherheit. Damit werden die Ideen „begreifbar“ durch genauere Beschreibung – bis hin in einzelne tägliche Aktivitäten der Bewohner:innen oder Themen wie dementielle Verwirrung, Nachtruhe, Nahrungsverweigerung oder Schmerz. All dies kann Pflegearbeit deutlicher machen.

In Professionstheorien wird ausgesagt, dass es um Konzeptanalysen und Gegenstandsbildung geht – die Anliegen des „Faches“ müssen operationalisiert deutlich werden. Jede Profession hat eigene Werte. Besonders die Werteorientierung ist Kennzeichen eines fortgeschrittenen Professionalisierungsprozesses. Bewohner:innen haben andere Werte, die sollten von Pflegenden beachtet werden. Dabei geht es um Information, um Linderung und Kümmern (Caring).

Eine Möglichkeit besteht darin, allen neuen Mitarbeitenden in der Pflege den Ethikkodex auszuhändigen, ihn in der Aus- und Weiterbildung zu besprechen und ihn den Absolventen der Pflegeausbildung bei ihrer Verabschiedung zu überreichen, mit dem deutlichen Hinweis sich an diesem zu orientieren.

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2022 zu finden.

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