von Bettina M. Jasper
Die Tage werden allmählich kürzer, die Temperaturen kühler. Trotzdem ist es wichtig, möglichst täglich Sauerstoff und Tageslicht zu tanken, gerade für Bewohner*innen von Pflegeheimen. Die pandemiebedingte Situation der letzten Monate hat den (Pflege-)Alltag grundlegend verändert. Eine positive Begleiterscheinung ist die Kreativität, die bei Mitarbeitenden geweckt wurde, um trotz allem ein Mindestmaß an sozialem Miteinander zu ermöglichen.
Dazu gehört u. a. die Erkenntnis, dass viele Angebote draußen möglich sind. Da wurde und wird im Garten bewegt, gespielt und gesungen, da finden Begegnungen und Konzerte unter freiem Himmel statt. Doch, um sitzend im Park oder auf der Terrasse längere Zeit zu verbringen, wird es jetzt langsam zu kühl.
Spazierengehen – ganzheitliches Rundumtraining
Darum gehen Sie doch mit den Senioren einfach spazieren. Es kommt nicht darauf an, eine lange Strecke zurückzulegen. Viel wichtiger ist, sich an frischer Luft zu bewegen. Dabei sollte nicht nur der Körper, sondern auch der Geist gefordert sein.
„Für die einen ist ein sehr gemächlicher Spaziergang – Schritt für Schritt mit vielen Pausen – das Richtige, für andere muss es zügigeres Gehen oder gar Marschieren über eine längere Strecke sein. Spaziert der eine selbstständig und trittsicher durch den Park, benötigt die andere ein Hilfsmittel oder Begleitung oder beides. Ob mit Gehstock, Gehbock oder Rollator, Hauptsache unterwegs. Selbst im Rollstuhl ist ein Denkspaziergang möglich – bei selbstständiger Fortbewegung oder mit Unterstützung einer schiebenden Begleitperson.
Es kommt darauf an, Standorte zu wechseln, die Umgebung auf sich wirken zu lassen, mal einen anderen Blickwinkel einzunehmen. Das ist wichtig, gerade für Menschen, die viel Zeit am selben Ort verbringen – sei es auf dem Wohnbereich, in der eigenen Wohnung oder im Zimmer.
Ein Denkspaziergang bringt Wahrnehmung, mäßige körperliche Beanspruchung und Umwelt mit Impulsen für das Gehirn in Einklang und lässt alles zu einem harmonischen Ganzen verschmelzen. Fortbewegungsart und körperliche Belastungsintensität sind in der Regel moderat und passen sich an die Voraussetzungen der Teilnehmenden an. Das kognitive Training findet wahlweise während der Fortbewegung oder in aktiven Pausen statt.
Grundsätzlich lassen sich Denkspaziergänge draußen wie drinnen durchführen. Doch die Effekte in freier Natur sind noch intensiver als im Gebäude.“ (JASPER | FRIESE, Denkspaziergang S. 12)
Wechselnde Reize fürs Gehirn
Allein das Bewegen bringt Sauerstoff ins Gehirn und sorgt so für höhere Leistungsfähigkeit. Der fortlaufende Umgebungswechsel ist hervorragender Ausgleich für sonst im Alltag immer gleiches Ambiente. Sich auf dem Weg an unterschiedliche Untergründe wie Steinplatten, Gras, Kies, Sand usw. anzupassen, ist eine Herausforderung an Koordination und Gleichgewicht und bedeutet gleichzeitig Sturzprophylaxe. Der Wechsel von Licht und Schatten gibt den Augen Impulse. Wärmende Sonnenstrahlen und ab und zu ein kühles Lüftchen stimulieren die taktile Wahrnehmung.
Erdige Gerüche, gemähtes Gras, Holz usw. bieten dem olfaktorischen Wahrnehmungssystem Abwechslung, jenseits von gleichbleibender Wohnbereichs-Raumbeduftung. Insgesamt beeinflusst die Natur mit ihren vielen Reizen die Stimmung positiv.
Unterwegs den Kopf trainieren
Das Gehen allein ist schon ein Stück Gehirntraining. Kommen spezielle Denkaufgaben hinzu, wirkt der Spaziergang umso intensiver. Grundsätzlich lassen sich alle kognitiven Fähigkeiten auch beim Spaziergang üben, ob Grundfunktionen des Gehirns wie Informationsverarbeitung und Merkfähigkeit oder spezielle Bereiche wie Konzentration, Wortfindung, Wortflüssigkeit, Strukturbildung, Rechenfähigkeit, Fantasie, Orientierung usw.
Die natürliche Umgebung bietet jede Menge Material für abwechslungsreiche Aufgaben und bei manchen Übungen kann Zusatzmaterial zum Einsatz kommen. Hier einige Beispiele:
Farbenspaziergang: Beim Start wird eine beliebige Farbe festgelegt, z. B. Rot. Die Teilnehmenden (TN) finden möglichst viele rote Dinge auf der Strecke – Hagebutte, Hydrant, Bank … Am Ende gemeinsam an alles Genannte erinnern.
Alles mit „K“: Vor dem Start wird ein Buchstabe gezogen, z. B. ein „K“. Dann gilt es, unterwegs möglichst viele Dinge mit diesem Anfangsbuchstaben zu entdecken – Kastanie, Kiosk, Kinderspielplatz …
Fotospaziergang: Kärtchen mit Einzelfotos von Dingen, die unterwegs zu finden sind – Brunnen, Vogelhaus, Bank … Die TN erhalten jeweils eine auf die eigene Leistungsfähigkeit abgestimmte Anzahl Bilder, wahlweise durcheinander oder in Reihenfolge der Strecke. Sie sollen beobachten und die Gegenstände finden.
Blättersammlung: Wer draußen unterwegs sein kann, bringt für alle anderen ein bisschen Natur mit ins Haus, z. B. eine Blättersammlung, mit der später gemeinsam gespielt wird. Möglichst viele verschiedene Blattformen und -farben in einem Korb sammeln. Später drinnen Konturen der Blätter auf Papier zeichnen und anschließend die passenden Arten zuordnen.
Wer nicht ins Freie kann oder mag, geht auf dem Wohnbereich auf Entdeckungstour. Dabei gibt es Aufgaben zu Fotos und Gemälden an den Wänden, Türschildern und Wegweisern im Haus, jahreszeitlicher Deko usw.
Die nachstehenden Bücher geben viele Tipps für ähnliche Aktivitäten, jeweils mit Angabe der Trainingsschwerpunkte zu jeder Übung und mit Formulierungsvorschlag für die Dokumentation.
Buchtipps:
• DENKSPAZIERGANG
Erlebnistouren – nicht nur draußen
Jasper | Friese, Vincentz Network, Hannover 2019
ISBN 978-3-86630-792-6• DENKKONFEKT
Mit kurzen Denkaufgaben den Tag versüßen
Jasper | Friese, Vincentz Network, Hannover 2018
ISBN 978-3-86630-670-7• BEWEGUNGSHÄPPCHEN
Alltagsmobilität täglich individuell fördern
Jasper, Vincentz Network, Hannover 2017,
ISBN 978-3-86630-299-0• Formulierungshilfen
MOBILITÄT & BEWEGUNG
Individuell beschreiben
Jasper, Vincentz Network, Hannover 2016,
ISBN 978-3-86630-511-3
Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2020 zu finden.