von Dr. med. Sonja Krupp

Eines der wenigen standardisiert durchzuführenden Trainingsprogramme im Bereich der Bewegungsförderung, die ihre Wirksamkeit bei pflegebedürftigen Senioren unter Beweis stellen konnten, ist das „Lübecker Modell Bewegungswelten“ (LMB). Es setzt sich aus zweimal wöchentlich einer Stunde Gruppentraining (inklusive 15 Minuten Erholungszeit) und Anleitungen für tägliche Individual-Übungen zusammen.

Die Entwicklung des Programms durch die Forschungsgruppe Geriatrie Lübeck (FGL) startete 2015 und bereits 2018 wurde das Programm unter Förderung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in über 100 Pflegeeinrichtungen genutzt.

2019 widmete das Bundesgesundheitsblatt (Band 62, Heft 3, S. 267-295) 4 Artikel der Beschreibung dieses Angebots, der wissenschaftlich nachgewiesenen Effekte auf die teilnehmenden pflegebedürftigen Personen, der fördernden und hemmenden Implementierungsfaktoren und der Umsetzung über ein qualitätsförderndes Netzwerk (QVNIA) in Berlin. Noch im gleichen Jahr begann die Anpassung der Manuale, die Übungsleitende für die Zusammenstellung der Trainingseinheiten nutzen, an die zunehmende Heterogenität der Teilnehmenden – gemeint ist das gemeinsame Trainieren von wenig und schwer beeinträchtigten älteren Menschen hinsichtlich der Komponenten körperlicher und kognitiver Leistungsfähigkeit in verschiedenen Kombinationen. Die individuelle Berücksichtigung der Leistungsgrenzen stellt hohe Ansprüche an die Fähigkeiten der Übungsleitenden des LMB.

Die Auswahl passender Übungen für Bewohnende mit erhaltener Gehfähigkeit und Kognition oder ohne ein oder beide dieser Merkmale sollte durch eine geänderte Struktur der Manuale erleichtert werden. Das „LMB 2.0“ weist daher auf anspruchsvollere Übungsvariationen hin, durch die Trainingsreize auch bei fitteren Teilnehmenden gesetzt werden können, um sie ausreichend zu fördern.

Die restlichen Anleitungen sind „Übungen für alle“ – auch Personen mit mittelschwerer Demenz oder/und Verlust der Gehfähigkeit. Abbildung 1 zeigt ein Beispiel aus der demnächst erscheinenden Bewegungswelt „Herbst“ mit der „Übung für alle“ in der ersten Tabellenzeile, gefolgt von einer Variation für Teilnehmende mit erhaltener Gehfähigkeit (G) und einer für Personen, die eine gleichzeitige kognitive Aufgabe bewältigen möchten (K).

06 (Rumpf, Beine)
Laub wegfegen:
Besen holen
Mit ca. 8 stampfenden Schritten sitzend einen Halbkreis vor dem Stuhl gehen.

  • ca. 4 x hin, 4 x zurück
  • zuletzt Poolnudel in Empfang nehmen (durchreichen)

Wer musste bei Ihnen früher meistens das Laub wegfegen?

G (Rumpf, Beine)Wie oben, aber freier Sitz, Mitbewegen der angewinkelten Arme und Mitdrehen des Rumpfes.
K (Rumpf, Beine)Wie kann Herbstlaub schaden? Wie kann Herbstlaub nützen?
(Schaden: Glätte erhöht Sturzgefahr, Regenrinnen verstopfen / Nutzen: düngt den Boden, Nahrung für Würmer usw., Frostschutz für Pflanzen und Tiere)

Tabelle 1: Ausschnitt aus dem Planungs- und Dokumentationsbogen der Bewegungswelt „Herbst“

 

1. Wir fahren zum Festplatz
  • Lehnen Sie Ihren Oberkörper zurück und strecken Ihre Beine.
  • Halten Sie das „Lenkrad“ (Tuch, Pappteller) mit gestreckten Armen vor Ihren Körper.
  • Drehen Sie das „Lenkrad“ abwechselnd nach rechts und links.
  • Treten Sie die „Pedale“, indem Sie die Füße gegensinnig beugen und strecken.
  • ca. 20 x

Ältere Frau sitzt im Garten auf einem Stuhl, hält einen Teller in beiden Händen und hebt dabei beide Beine – eine Übung, die Autofahren simuliert.

Foto: Forschungsgruppe Geriatrie Lübeck

Tabelle 2: Ausschnitt aus „Mein tägliches Bewegungsprogramm“ der Bewegungswelt „Frühling“

In dem mit Mitteln der DAK geförderten Projekt POLKA wurden 2020 – 2023 von der FGL entwickelte 10- und 30-Minuten-Versionen der „Bewegungswelten“ eingesetzt (siehe Seniorenheim-Magazin 1/2021), um auch Bewohnende zu erreichen, die ein einstündiges Gruppentraining aus unterschiedlichen Gründen überfordert.

2022 wurden mittels des im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit geförderten Projekts „LMB im Quartier“ ambulante LMB-Gruppen aufgebaut. Begleitende Angehörige erhielten die Möglichkeit, am LMB oder dem AlltagsTrainingsProgramm (ATP) teilzunehmen. In diesem Rahmen bestätigte sich, dass ältere Menschen mit bereits bestehenden chronischen Funktionseinschränkungen sowohl körperlich als auch emotional sehr vom LMB profitieren. Dies fiel auch den sie versorgenden Angehörigen auf, deren Bedürfnisse in einem Folgeprojekt noch stärker berücksichtigt werden sollten.

Seit rund einem Jahr werden nun in dem von der Possehl-Stiftung geförderten Projekt „bewegt und belebt“ unterstützungsbedürftige Bewohnende mittels des LMB gefördert und deren Angehörige können einmal wöchentlich simultan in einem Nebenraum an einem „Klönschnack“ teilnehmen – ein Name, der seine norddeutsche Heimat verrät. Dieses Programm wird entsprechend den Wünschen der Helfenden gestaltet: Außer regelmäßigem Austausch zu den erlebten Freuden und Belastungen der geleisteten Pflege und darüber hinaus, können Übungen für die eigene Fitness und Entspannung sowie Informationen zu rechtlichen und medizinischen Themen, digitaler Kompetenz und vielem anderen angeboten werden.

Der Haupt-Einsatzort des LMB ist weiterhin die stationäre und teilstationäre Pflege. Hier achten immer mehr Führungskräfte darauf, den Bewohnenden nicht nur einen willkommenen Zeitvertreib zu bieten, sondern sie mit einem Programm wie z. B. dem LMB gezielt zu fördern. Allerdings verfügt nur wenig Personal über die Voraussetzungen für die unmittelbare Teilnahme an einem der von der FGL angebotenen zweitägigen Kurse zum Erwerb der Lizenz für Übungsleitende des LMB. Die Lizenz gilt für drei Jahre und kann durch Online-Teilnahme an einem der Qualitätszirkel verlängert werden. Dies sichert den Zugang zu aktualisierten Schulungs-Materialien.

Welche Schulungsmöglichkeiten gibt es?

Wer weder Physio- oder Ergotherapeut ist noch eine der anderen akzeptierten beruflichen Voraussetzungen mitbringt, hat inzwischen die Möglichkeit, eine 16 Unterrichtseinheiten umfassende Schulung zu besuchen, die Basiswissen vermittelt, das für den Besuch des Kurses für künftige Übungsleitende des LMB erforderlich ist. Auf diese Weise wird auch für Betreuungskräfte in Seniorenheimen, die Aktivierung gemäß § 85 Absatz 8 des SGB XI leisten sollen, eine zusätzliche Qualifizierung möglich. Die Kursleitenden besprechen im Sinne der Einzelfall-Entscheidung, ob sich die Schulung zu einer/einem Übungsleitenden des LMB anschließen kann.

Doch auch Kursteilnehmende, die diesen Schritt nicht alsbald gehen können oder wollen, profitieren für ihre tägliche Arbeit von einem vertieften Wissen über die Möglichkeiten, die Bewegungskompetenzen der von ihnen betreuten Bewohnenden zu fördern.

Mehr unter: gesund-aktiv-aelter-werden.de/fachinformationen/luebecker-modell-bewegungswelten/lmb-schulung

Dieser Artikel ist in der Ausgabe 01/2025 erschienen.

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