von Johanna Knüppel

Opioid-Krise – seit Sommer 2017 gilt in den USA aus diesem Grund der nationale Notstand. Ca 60.000 Amerikaner sterben jährlich an einer Überdosis Opioide. Viele – vor allem junge – Menschen können keine Schulen besuchen und nicht mehr arbeiten, weil sie abhängig sind. Der wirtschaftliche Schaden wird auf etwa 80 Milliarden Dollar pro Jahr geschätzt 1 .

Situation in Deutschland

Von einer Opioid-Krise sind wir, Experten zufolge, hierzulande noch weit entfernt, dennoch nehmen die Probleme zu. Ein Hauptgrund für den Anstieg der Todesfälle durch Drogen in den USA war seinerzeit das Aufkommen des synthetischen Opioids Fentanyl.

Der von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung im Juli 2017 vorgestellte Drogen- und Suchtbericht schreibt über die deutsche Situation dazu im Kapitel Drogenbedingte Todesfälle: „Auch die Anzahl der Verstorbenen mit der Todesursache Vergiftungen in Verbindung mit Fentanyl (95; Zunahme um 9%) ist gewachsen.“ Und das sind nur die erfassten und untersuchten Todesfälle, die Dunkelziffer ist vermutlich enorm hoch. Auch in deutschen Medien finden sich mittlerweile Schlagzeilen wie „Tod aus dem Pflaster“, „Fentanyl auf dem Vormarsch“ oder „Todesdroge Fentanyl – der Kick aus dem Müll“.

Ersatzdroge Schmerzpflaster

Knapp 31 Millionen opioidhaltige Schmerzpflaster sind 2016 von öffentlichen Apotheken ausgegeben worden – eine enorme Menge. Die Wirkstoffe, um die es dabei geht, sind Fentanyl und Buprenorpin. Beides hochwirksame synthetische Opioide, die neben ihrer gewünschten therapeutischen Wirkung auch ganz erhebliche Nebenwirkungen haben und gefährlich werden können. Umso wichtiger, dass einerseits die Schmerzpatienten selbst, andererseits aber auch diejenigen, die sie pflegen und versorgen, gut Bescheid wissen und sehr sorgfältig mit diesen Pflastern umgehen. Bei der Erarbeitung ihres im Juni 2018 herausgegebenen „Leitfaden für den Umgang mit opioidhaltigen Schmerzpflastern“ hat sich die Fachgruppe der Pflegeexperten Schmerz im Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) besonders dem Thema der Entsorgung gebrauchter Schmerzpflaster gewidmet. Aus gutem Grund, denn diese Pflaster enthalten, wenn sie 72 Stunden nach Applikation zu wechseln sind, noch ca. 70% ihres Wirkstoffs.

Das wissen auch Drogenabhängige. Abhängige besorgen sich den Stoff, indem sie benutzte Fentanylpflaster aus dem Müll von Kliniken, Heimen und Hospizen sammeln. Durch Auskochen werden die Wirkstoffe herausgelöst und anschließend injiziert, auch das Zerkauen der Pflaster ist üblich. Eine Überdosierung führt zu Bewusstlosigkeit und Atemlähmung – oft mit Todesfolge. Wie weit Drogenabhängige oder –dealer bei der Beschaffung manchmal gehen, zeigt ein Fall aus einem Münchner Pflegeheim. Dort wurde im Sommer 2017 ein Schmerzpflaster gestohlen – direkt vom Rücken einer 95-jährigen Patientin. In der Einrichtung war ein Mann beobachtet worden, der sich verdächtig verhielt, kurz darauf stellten Pflegende fest, dass das Fentanyl-Pflaster fehlte. Mithilfe der guten Beschreibung konnte der Verdächtige kurze Zeit später polizeilich ermittelt werden.

Ergebnisse einer Online-Umfrage

Wie entsorgen Sie gebrauchte Schmerzpflaster üblicherweise? (Grafik: DBfK)

Wie entsorgen Sie gebrauchte Schmerzpflaster üblicherweise? (Grafik: DBfK)

In einer kurzen Online-Umfrage hat die DBfK-Fachgruppe in der Zeit vom 17. Januar bis 14. März 2018 Pflegefachpersonen aller Versorgungssektoren zum Umgang mit gebrauchten Opioidpflastern befragt. Die Ergebnisse sind am Aktionstag gegen den Schmerz im Juni 2018 präsentiert worden.

Bemerkenswert sind die Antworten auf die Frage, wie man selbst üblicherweise gebrauchte Schmerzpflaster entsorgt. Weitgehend hält man sich offenbar an Empfehlungen der Hersteller. Das belegt u.a. die große Zahl derjenigen (48,8 Prozent), die nach dem Abnehmen die Innenflächen der Pflaster zusammenkleben, bevor sie sie in den Abfall entsorgen. Allerdings hat auch knapp ein Fünftel der Antwortenden angegeben, die Pflaster, so wie sie sind, in den Müll zu werfen. Beides sind Wege, über die der begehrte Wirkstoff für Interessierte auch leicht wieder zugänglich ist.

Regelung nötig

Bisher ist die Entsorgung gebrauchter Opioidpflaster in Deutschland nicht gesetzlich geregelt. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMG) schreibt im § 16 Vernichtung vor: „Der Eigentümer von nicht mehr verkehrsfähigen Betäubungsmitteln hat diese auf seine Kosten in Gegenwart von zwei Zeugen in einer Weise zu vernichten, die eine auch nur teilweise Wiedergewinnung der Betäubungsmittel ausschließt sowie den Schutz von Mensch und Umwelt vor schädlichen Einwirkungen sicherstellt.“ Was ist unter „nicht mehr verkehrsfähigen Betäubungsmitteln“ zu verstehen? Nach Einschätzung juristischer Kommentatoren gilt dieser Paragraph ganz eindeutig für Betäubungsmittel, die nicht mehr für den normalen Gebrauch geeignet sind oder nicht mehr benötigt werden. Weil beispielsweise ihre Haltbarkeitsdauer abgelaufen ist, weil der Patient verstarb und Restmedikamente übrig blieben oder weil die Therapie umgestellt wurde.

Es besteht offensichtlich eine große Unsicherheit, wie mit gebrauchten Pflastern verfahren werden soll. Vor dem Hintergrund der Gefahren, die von solchen Pflastern ausgehen, sollte der Gesetzgeber prüfen, die Entsorgung dieser Arzneimittelreste gesetzlich zu regeln – beispielsweise durch Ergänzung und Konkretisierung des § 16 BtMG. Vorläufig empfiehlt der DBfK Einrichtungsleitungen und Pflegedienstbetreibern dringend, innerbetriebliche Anweisungen vorzugeben. Die professionell Pflegenden wünschen sich das auch, wie in der Umfrage wiederholt geäußert wurde. Eine Entsorgung im sogenannten Spritzenabwurf zusammen mit benutzten scharfen Gegenständen halten wir für praktikabel und weitgehend sicher, sie wird derzeit auch in den Weiterbildungen für Pain Nurses gelehrt und empfohlen.

Verfasst im Namen der DBfK-Fachgruppe Pflegeexperten Schmerz

Literatur

1 Medical Care: Florence et al, 2016: The Economic Burden of Prescription Opioid Overdose, Abuse, and Dependence in the United States, 2013; https://insights.ovid.com/pubmed?pmid=27623005, zuletzt aufgerufen am 22.06.2018
2 Drogen- und Suchtbericht 2017; https://www.drogenbeauftragte.de/fileadmin/dateien-dba/Drogenbeauftragte/4_Presse/1_Pressemitteilungen/2017/2017_III_Quartal/170807_BMG_Drogenbericht_2017_online_RZ.pdf, zuletzt aufgerufen am 22.06.2018
3 Angaben von Insight Health
4 Download: https://www.dbfk.de/media/docs/expertengruppen/pflegeexperten-schmerz/Leitfaden-Opioidpflaster_final_2018-05-16.pdf; kostenlose Broschüre zu bestellen unter https://www.dbfk.de/de/shop/index.php
5 Gesetz über den Verkehr mit Betäubungsmitteln (Betäubungsmittelgesetzt – BtMG); https://www.gesetze-im-internet.de/btmg_1981/BtMG.pdf, zuletzt aufgerufen am 22.06.2018

Kurzinfo

Johanna Knüppel

Foto: Johanna Knüppel

Johanna Knüppel

Referentin DBfK-Bundesgeschäftsstelle Berlin

Koordinatorin der DBfK-Fachgruppe Pflegeexperten Schmerz

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2019 zu finden.

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