von Hans-Gerd Spelleken und Natalia Bodiu

Ausgangssituation

Der Bedarf zusätzlichen Personals für die stationäre und ambulante Altenpflege in Deutschland ist unbestritten. Dabei schauen alle größeren Einrichtungen, Bezirke und Konzerne bereits auf gescheiterte internationale Projekte zurück. Während zunächst eher die soziokulturelle Integration unterschätzt wurde, fehlte es später an zügigen Anerkennungsverfahren, während inzwischen eher die Entgelte und Arbeitsbedingungen in Deutschland auf dem Prüfstand stehen.

Es fällt auf, dass sich die Politik und große Träger in aller Welt verzweifelt umtun, ohne aber eine Win-Win-Situation in Europa überhaupt zu thematisieren. Liegt es nur daran, dass gefügige oder hilfsbedürftige Zielgruppen in klassischen Entwicklungsländern gesucht werden, die nichts zu verlieren haben? Hoffen wir darauf, dass Mexikaner Deutschland per se toll finden? Glauben wir Deutschen, es sei a priori unmoralisch, die Arbeitsmärkte zweier EU-Länder nebeneinander zu legen und Schnittmengen zu identifizieren, als wäre Europa ein Nullsummenspiel? Warum dieser Kleinmut?

Warum suchen wir zum Interessenausgleich nicht die Kooperation innerhalb Europas?

Personalbeschaffung in Rumänien

Wer an die Chance einer zirkulären Arbeitsmigration in Europa glaubt, der fischt gleichwohl in einem überhitzten Arbeitsmarkt. Für Rumänien ist zwar ein Personalüberschuss nachgewiesen. Die Pflegefachschulen sind gut aufgestellt, dankbar für echten Know-how-Transfer und innovativ bzgl. zukünftiger Herausforderungen des Arbeitsmarktes. Tausende gut ausgebildete Fachkräfte werden ohnehin oberhalb des eigenen Bedarfs ausgebildet und könnten geplant für eine mittlere Frist nach Deutschland gehen. Solche Konzepte aber werden politisch tabuisiert, da scheinbar ein Nullsummenspiel zwischen den Arbeitsmärkten besteht.

Dabei beschäftigen sich wissenschaftliche und gewerkschaftliche Fachleute, Projekte und Institute beider Seiten schon länger mit zirkulären und fairen Personalansätzen. Ein Weg ist das externalisierte Trainingszentrum, das für andere Berufe bereits mehrfach durchgeführt wurde und Erfolge generiert.

Projektdesign

In Ländern der östlichen Partnerschaft (Ukraine, Moldau, Belarus), aber auch im westlichen Balkan (Serbien, Bosnien Herzegowina) gibt es Pflegefachschulen, die willig europäische Standards adoptieren. Diese sind dankbar, EU-Praktiken in den Lehrbetrieb und entsprechende Normen in ein zunehmend duales eigenes Bildungssystem aufzunehmen. Gängige Ausbildungstechniken werden dort kraftvoll umgesetzt, da diese Länder bereits jetzt hunderttausende Pflegeberufsträger informell in die EU entsenden.

Eine formelle Zusammenarbeit kostet einen deutschen Pflegeträger nicht viel, bringt aber eine große Hebelwirkung. Nur drei bis vier Fachreisen mit mehrtägigen Workshops in den Pflegefachschulen im Partnerland würden reichen, um dutzende von Lehrern der dortigen Einrichtung das Know-how und den Geist moderner Dokumentation und Organisation mitzugeben. Zusammen mit den parallel durchgeführten Sprachkursen profitieren die Schwesternschülerinnen und -schüler sofort und entscheiden sich für Deutschland.

Solche Kooperation im Sinne eines Training of Trainers humanisiert die ohnehin stattfindende Migration im Sinne von Formalität und Fairness. Der deutsche Pflegeträger würde als vorbildlicher Arbeitgeber und Leuchtturm im Partnerland bekannt und würde jährlich eine ganze Reihe von frischen Fachleuten anlocken – aber transparent und gesteuert, so dass Nervosität, Wildwuchs und Ausbeutung zurückgedrängt werden.

Schlussfolgerungen

Den Autoren liegen Beispiele für eine bundesdeutsche Förderung vor, die in einem mehrschrittigen Verfahren beantragt werden kann.

Hinzukommen muss aber Freude an der neuen Zielgruppe, ein empathischer (disruptiver) Zugang zu ihr durch ein Einlassen auf die neuen Fachkräfte sowie auch die Bereitschaft zur Marke Arbeitgeber. Durch interne Weiterbildung und couragiertes Projektmanagement muss die Fachkräftesicherung im europäischen Ausland zum Veränderungstreiber werden. Nur dann ist die bescheidene Investition auf Dauer werthaltig.

  • Hans-Gerd Spelleken, 58, hat jeweils zehn Jahre in Honduras und der Republik Moldau gearbeitet. Der Entwicklungsökonom und Vater von vier Kindern ist Projektentwickler und führt in Alzenau Unterfranken die gleichnamige entwicklungspolitische Beratungsunternehmung.
  • Natalia Bodiu, 37, ist seit 13 Jahren in der Projektentwicklung für Durchführungsorganisationen der Ministerien BMU, BMZ und BMWi zwischen Deutschland und Südosteuropa tätig. Aufgrund langjähriger internationaler Erfahrung kennt sie die Arbeitsmärkte und die Kommunikationsstrategien, die in einem desillusionierten Umfeld Bewerbungen und Zufriedenheit generieren.
  • CareTrain ist ein Produkt von Spelleken Assoc. und basiert auf sozialer Vernetzung in der Projektregion, auf einem Integrationsmonitoring zugunsten ganzheitlicher Verankerung der neuen Bürger in der Gesellschaft sowie auf einem Sprach-Know-how im Unternehmen selbst. Weitere Informationen unter www.caretrain.eu

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2020 zu finden.

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