von Mathias Steinbuck (Vorsitzender der bpa-Landesgruppe Schleswig-Holstein)
Seit 1. Juli 2023 gilt das neue Personalbemessungssystem (PeBeM) in stationären Einrichtungen. Für die Einrichtungen der stationären Langzeitpflege ist die Umsetzung mit Herausforderungen verbunden. Dies betrifft insbesondere den vermehrten Einsatz von Assistenzpersonal und neue Zuständigkeiten. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), das Land Schleswig-Holstein und die Koordinierungsstelle der betrieblichen Gesundheitsförderung (BGF) haben eine Tool-Box (Werkzeugkasten) entwickelt, die es Pflegeheimen erleichtert, das neue Personalbemessungsverfahren umzusetzen.
Die Tool-Box enthält einfach zu nutzende Arbeitshilfen, die direkt oder auch schrittweise in den Arbeitsalltag einbezogen und an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden können. Alle Tools sind in sich abgeschlossen und können einzeln und unabhängig voneinander angewendet werden. Ergänzt wird die Tool-Box durch eine Selbstcheck-Liste zur Stärke-Schwäche-Analyse und einen Dokumentationsteil: Ist-Analyse zum Einsatz des Personals. Die Umsetzung kann im „Do-it-yourself“-Verfahren erfolgen, also ohne beratende externe Personalressourcen und soll im Ergebnis zu einer deutlich verbesserten Resilienz, Arbeitszufriedenheit und Pflegequalität beitragen.
Vor dem Hintergrund der Umsetzung der veränderten Personalbemessung war im September 2021 das Modellprojekt „StaVaCare 2.0 OE SH“ (kurz für: Stabilität und Variation des Care-Mix in Pflegeheimen unter Berücksichtigung von Case-Mix, Outcome und Organisationscharakteristika/-entwicklung und Gesundheitsförderung in Schleswig-Holstein) in sechs bpa-Einrichtungen der stationären Langzeitpflege gestartet. Das Modellprojekt wurde durch die Uni Bremen Campus GmbH unter Leitung von Prof. Dr. Stefan Görres und Prof. Dr. Karin Wolf-Ostermann wissenschaftlich begleitet und vom Sozialministerium und der BGF-Koordinierungsstelle mitfinanziert.
Ziel des Projektes „StaVaCare 2.0 OE SH“ war es, Erfahrungen zu sammeln, wie die Ergebnisse der sogenannten Rothgang-Studie zur Personalbemessung, wonach zukünftig deutlich mehr Personal innerhalb der Fachkraftausbildung für die Pflege in stationären Einrichtungen erforderlich ist, erfolgreich umgesetzt werden kann. Damit der Umstrukturierungsprozess gelingt und auch die Mitarbeitergesundheit und -zufriedenheit gesteigert wird, braucht es neue Ansätze im betrieblichen Alltag, ein Umdenken aller in der Pflege Tätigen und eine angepasste Besprechungs- und Führungskultur.
Die Tool-Box sollte im Einzelnen dazu beitragen, die sich aus der Umsetzung der Personalbemessungsstudie ergebenden Konsequenzen erfolgreich zu managen und optimal zu nutzen. Die Konsequenzen beziehen sich auf die Arbeitsorganisation, organisatorische Abläufe, die Abgrenzungen von Kompetenzen entsprechend der unterschiedlichen Qualifikationsniveaus sowie die sich daraus ergebende Notwendigkeit, entsprechender Führungsstile und Teamkulturen und notwendige Maßnahmen der BGF und BGM und deren Integration in den Arbeitsalltag.
Im Sinne eines Sekundäreffekts sollten zudem die Personalbindung gefestigt und das Pflegepersonal dabei unterstützt werden, eine sichere und effektive Pflege zu leisten sowie eine hohe Pflegequalität zu erbringen.
In die Entwicklung der Tool-Box waren Mitarbeitende und Führungskräfte von Pflegeheimen als Experten einbezogen worden. Die Tools bzw. Werkzeuge wurden sowohl Mitarbeitenden in der Pflege als auch Führungspersonen an die Hand gegeben. Die Tool-Box enthält für den späteren Gebrauch einfach zu nutzende Werkzeuge, die direkt und auch schrittweise in den Arbeitsalltag einbezogen und an die jeweiligen Bedingungen angepasst werden können.
Die Möglichkeit einer flexiblen Anpassung ist notwendig für eine erfolgreiche Anwendung, da die Heterogenität der Pflegeeinrichtungen bezogen auf Größe, Art und Lage beachtet werden muss. Vor allem aber müssen der unterschiedliche Case- und Care-Mix sowie die jeweiligen Organisations- und Teamkulturen der Pflegeheime und die daraus entstehenden individuellen Herausforderungen berücksichtigt werden.
Für die Entwicklung der Tool-Box wurden in sechs ausgewählten bpa-Einrichtungen der stationären Langzeitpflege in Schleswig-Holstein, die sich nach ausgewählten Kriterien wie Größe, Lage, Case- und Care-Mix unterscheiden, mittels unterschiedlicher methodischer Instrumente Daten ermittelt und ausgewertet.
Die Studie bestand aus drei methodischen Schritten:
- Dokumentenanalyse zur Erfassung von Organisationsmerkmalen der sechs beteiligten Einrichtungen wie z. B. Fachkraftschlüssel, Qualifikationsniveaus, Anzahl des Personals, eingesetzte Arbeitszeitmodelle, Arbeitszeiten und gewählte Pflege- und Dokumentationssysteme.
- Onlineumfrage aller Mitarbeitenden aus der Pflege (auswertbare Daten: n=99) u. a. zur Erfassung von empfundenen Belastungen und Faktoren, die zur Entlastung beitragen.
- Fokusgruppeninterviews in den sechs Einrichtungen sowohl mit jeweils zwei bis vier Führungskräften als auch jeweils vier bis acht Mitarbeitenden in der Pflege (Fach-, Assistenz- und Hilfskräften), um Stärken und Schwächen in der Arbeitsorganisation der Teams und Möglichkeiten herauszufinden, darauf basierend Potentiale wahrzunehmen und über Maßnahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung die Resilienz der Mitarbeitenden aufzubauen.
Auf Basis der so gewonnenen Daten und einer Literaturrecherche wurde die Tool-Box entwickelt und mit den beteiligten Einrichtungen diskutiert und konsentiert. Im Anschluss hatten weitere Führungs- und Pflegekräfte aus Pflegeeinrichtungen in Schleswig-Holstein die Möglichkeit, Rückmeldung zur Tool-Box zu geben.
Entstanden ist eine Tool-Box, die als Blaupause dienen und dazu beitragen soll, dass mit variablen Fachkraftquoten die pflegerische Versorgung, die Prozesssteuerung und die Anpassung an Personalbedarfe verbessert werden und auf die Einführung der Personalbemessung frühzeitig reagiert werden konnte.
Für das Zustandekommen der Tool-Box möchte ich allen Beteiligten meinen Dank aussprechen. Insbesondere danke ich den Mitarbeitenden der beteiligten Einrichtungen und den wissenschaftlichen Mitarbeitern des Projektteams von der Uni Bremen Campus GmbH Dr. Susanne Stiefler, Christina Hartig, M.Sc., Dipl.-Soz. Friederike Höfel, Anna-Carina Friedrich, M.A. sowie Prof. Dr. Stefan Görres und Prof. Dr. Karin Wolf-Ostermann.
Die Tool-Box (ein 80 Seiten starkes PDF-Dokument) kann von der Website des BPA heruntergeladen werden.
- Projekt StaVaCare 2.0 OE SH:
Prof. Dr. Stefan Görres (sgoerres@uni-bremen.de)
Prof. Dr. Karin Wolf-Ostermann (wolf-ostermann@uni-bremen.de)- Projektteam:
Dr. Susanne Stiefler, Christina Hartig, M.Sc., Dipl.-Soz. Friederike Höfel, Anna-Carina Friedrich, M.A.- Institution:
Uni Bremen Campus GmbH
UBC-Zentrum für Alterns- und Pflegeforschung
Universitätsallee 19
28359 Bremen
Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2023 zu finden.