von Dr. Eva Rütz, LL.M. (Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH) und Dr. Carolin Pockrandt

Jedes Krankenhaus und jede Pflegeeinrichtung muss ausreichend Fachkräfte beschäftigen, um Patienten und Bewohner versorgen zu können. Um dies zu gewährleisten, wurde für Krankenhäuser die Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung (PpUGV) erlassen. Diese definiert, wie viele Pflegekräfte in den einzelnen Fachbereichen des Krankenhauses pro Schicht mindestens arbeiten müssen und welche Sanktionen bei Nichteinhaltung der Grenzen drohen. Im Bereich der Pflegeheime existierte bis zum Sommer 2023 keine bundeseinheitliche Regelung. Grundlage der Personalbemessung war vielmehr eine für jedes Bundesland individuell bestimmte Fachkräftequote. Eine grundlegende Änderung erfolgte durch die Einführung der sogenannten Personalanhaltswerte in § 113c SGB XI im Sommer 2023. Der nachfolgende Beitrag erläutert die Grundsätze des Personalbemessungsverfahrens und die rechtlichen sowie wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Neuregelung.

Das Personalbemessungsverfahren

Die Neuregelung des § 113c SGB XI, die seit dem 1. Juli 2023 in Kraft ist, legt Personalanhaltswerte für vollstationäre Pflegeeinrichtungen fest. Die Werte basieren auf einer wissenschaftlichen Erhebung und orientieren sich erstens an der Bewohnerstruktur der Pflegeeinrichtung, namentlich an dem jeweiligen Pflegegrad, und zweitens an der Qualifikation des Pflegepersonals. Beim Pflegepersonal wird zwischen Fachkraftpersonal, Hilfskraftpersonal mit landesrechtlich geregelter Helfer- oder Assistenzausbildung in der Pflege mit einer Ausbildungsdauer von mindestens einem Jahr und Hilfskraftpersonal ohne einer solchen Ausbildung differenziert.

Begrifflichkeiten

Als Pflegefachkraft im Sinne der Regelung werden Personen bezeichnet, die eine abgeschlossene Ausbildung als Pflegefachfrau oder Pflegefachmann, in der Krankenpflege, in der Kinderkrankenpflege oder in der Altenpflege aufweisen können. Daneben bedarf es einer praktischen Berufserfahrung in dem erlernten Ausbildungsberuf von zwei Jahren innerhalb der letzten acht Jahre. Die zweite Gruppe der Beschäftigten, namentlich das Hilfskraftpersonal mit einer mindestens einjährigen Ausbildung, muss eine Ausbildung vorweisen können, die den von der Arbeits- und Sozialministerkonferenz 2012 und der Gesundheitsministerkonferenz 2013 als Mindestforderungen beschlossenen „Eckpunkten für die in Länderzuständigkeit liegenden Ausbildungen zu Assistenz- und Helferberufen in der Pflege“ entspricht.

Fachkräftemangel

Da die Zahl der Auszubildenden in der Pflege immer stärker sinkt, gleichzeitig jedoch die Zahl der Pflegebedürftigen aufgrund des demografischen Wandels steigt, ist eine Verteilung der Aufgaben auf unterschiedlich qualifiziertes Personal unumgänglich. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes stieg die Zahl der pflegebedürftigen Personen in Deutschland von 2,02 Millionen im Jahr 1999 auf 2,34 Millionen Personen im Jahr 2009 und wiederum auf 4,96 Millionen Personen im Jahr 2021. Die Zahl hat sich demnach innerhalb von nur knapp 20 Jahren mehr als verdoppelt. Im Gegensatz hierzu sinkt jährlich die Zahl der Personen, die eine Ausbildung in der Pflege absolvieren. So haben im Jahr 2021 noch 56.300 Personen einen Ausbildungsvertrag abgeschlossen, wohingegen bereits 2022 nur noch 52.300 Personen zu verzeichnen waren.

Durch die Differenzierung zwischen Pflegefachkräften, Pflegehilfskräften mit einer Ausbildungsdauer von mindestens einem Jahr und Hilfskräften ohne einer solchen Ausbildung, rückt die Aufgabenverteilung bewusster in den Fokus. Pflegefachkräfte sollen sich auf die Aufgaben einer qualifizierten Pflegekraft fokussieren und weniger anspruchsvolle Arbeiten auf die Pflegehilfskräfte delegieren. Dies führt zum einen zu einer Kostenersparnis, da Pflegehilfskräfte weniger Vergütung erhalten als Pflegefachkräfte. Zum anderen ist es durch die kürzere Dauer der Ausbildung schneller möglich, Personalressourcen aufzubauen.

Die Personalanhaltswerte

Die Personalanhaltswerte werden als Verhältnis von Pflegekräften zu den Bewohnern festgelegt, da absolute Kennzahlen wegen unterschiedlicher Einrichtungsgrößen und variierender Bewohnerzahlen nicht sachgerecht wären. So dürfen die Pflegeeinrichtungen zum Beispiel pro Bewohner des höchsten, fünften Pflegegrades 0,3842 Vollzeitäquivalente einer Pflegefachkraft, 0,1102 Vollzeitäquivalente einer Hilfskraft mit einer mindestens einjährigen Ausbildung und 0,1758 Vollzeitäquivalente einer Hilfskraft ohne einer solchen Ausbildung berechnen. Der Grad der Pflegebedürftigkeit wird nach der Schwere der Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten mithilfe eines pflegefachlich begründeten Begutachtungsinstruments ermittelt. Der Begriff „Vollzeitäquivalente“ beschreibt hierbei eine rechnerische Größe zur Bemessung der Mitarbeiterkapazitäten. Eine Vollzeitstelle entspricht einem Vollzeitäquivalent von 1,0.

Umsetzung der Personalanhaltswerte in der Praxis

Die Einhaltung der Personalanhaltswerte ist – anders als im Bereich des Krankenhausrechts – nicht zwingend, um die zugeordnete Anzahl an Pflegebedürftigen versorgen zu dürfen. Vielmehr handelt es sich, wie bereits aus dem Wortlaut ersichtlich, um Anhaltswerte, die bei der Gestaltung verschiedener Vereinbarungen auf Landesebene zu berücksichtigen sind.

Berücksichtigung finden die Personalanhaltswerte u. a. bei der Gestaltung der Rahmenverträge zwischen den Landesverbänden der Pflegekassen und den landesrechtlichen Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen. Es ist Aufgabe der vorgenannten Vertragsparteien, Personaluntergrenzen für die jeweiligen Länder festzulegen. Der GKV-Spitzenverband und die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene haben eine Empfehlung zum Inhalt dieser Rahmenverträge veröffentlicht, durch die ein bundeseinheitlicher Personalschlüssel erreicht werden soll.

Darüber hinaus sind die Personalanhaltswerte für die Pflegesatzvereinbarungen zwischen den einzelnen Trägern der Pflegeheime und den Leistungsträgern, beispielsweise den Pflegekassen, von Bedeutung. Denn die Vertragsparteien müssen die für den zu versorgenden Personenkreis vorzuhaltende personelle Ausstattung vereinbaren. Die personelle Ausstattung muss sich an den Personalanhaltswerten des § 113c Abs. 1 SGB XI ausrichten und mindestens den in den Rahmenverträgen der Landesvereinigungen geltenden Vorgaben entsprechen. Sind die Landesvereinigungen ihrer Pflicht zur Festlegung von Personaluntergrenzen in den Rahmenverträgen nicht nachgekommen, gilt die „Gemeinsame Empfehlung der Bundesvereinigungen für die Pflegekassen und die Pflegeeinrichtungen“ als unmittelbar verbindlich.

Auswirkungen auf die Praxis

Die Personalanhaltswerte bzw. die Umsetzung der Regelungen in den Pflegesatzvereinbarungen stellt Pflegeeinrichtungen vor die Herausforderung, eine ausgewogene Balance zwischen qualitativ hochwertiger Betreuung der Bewohner und ökonomischer Effizienz zu finden. Die bestehenden Personalressourcen müssen effizient genutzt werden, um sowohl die vertraglichen Vorgaben zu erfüllen als auch die Zufriedenheit und den Gesundheitsschutz der Pflegekräfte sicherzustellen. Dies bedarf einer sorgfältigen Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der fachlichen Qualifikation der einzelnen Mitarbeiter. Zu eruieren ist, wie viele Arbeitnehmer benötigt werden, um die Personalvorgaben der Pflegesatzvereinbarungen einzuhalten. Gleichzeitig ist zu prüfen, ob eine effizientere Nutzung der bestehenden Personalressourcen möglich ist – z. B. durch Änderung der Organisationsstruktur oder durch Einführung alternativer Arbeitsmodelle.

Die Umsetzung der Vorgaben kann mit hohem finanziellen Aufwand verbunden sein. Da im Pflege- und Gesundheitssektor ein großer Fachkräfte- bzw. Personalmangel herrscht, muss diesem regelmäßig mit einer besseren Bezahlung oder anderen meist finanziellen Anreizen begegnet werden. Kurzfristige personelle Engpässe können ferner mit (teureren) Leiharbeitnehmern ausgeglichen werden. Hierbei ist strengstens auf die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) zu achten, da andernfalls ein Bußgeld von bis zu EUR 30.000 pro Verstoß droht. Eine flexiblere Handhabung bei der Überlassung von Arbeitnehmern wird u. a. im Anwendungsbereich des Tarifvertrags des öffentlichen Dienstes (TVöD) durch die sog. Personalgestellung ermöglicht. Denn die Personalgestellung wird von den Vorschriften des AÜG weitestgehend ausgenommen. Wegen der besonderen Vertraulichkeit der Gesundheitsdaten der Pflegebedürftigen ist unabhängig von der Rechtsgrundlage des Fremdpersonaleinsatzes in jedem Fall strengstens auf die Einhaltung der Datenschutzvorgaben zu achten.

Auf einen Blick

1. Einführung von Personalanhaltswerten:

Seit dem 1. Juli 2023 gelten durch § 113c SGB XI neue Personalanhaltswerte für vollstationäre Pflegeeinrichtungen, welche auf wissenschaftlichen Erhebungen basieren und sich nach Bewohnerstruktur und Qualifikation des Personals richten.

2. Qualifikationsbasierte Personalstruktur:

Die Regelung unterscheidet zwischen Pflegefachkräften mit zweijähriger Berufserfahrung und Ausbildung, Hilfskräften mit mindestens einjähriger Ausbildung und Hilfskräften ohne solche Qualifikation, um Aufgabenverteilung und Kosteneffizienz zu optimieren.

3. Fachkräftemangel im Pflegebereich:

Trotz steigender Zahl Pflegebedürftiger sinkt die Anzahl der Auszubildenden in der Pflege, was eine Herausforderung für die Aufrechterhaltung der Pflegequalität darstellt.

4. Auswirkung auf Verträge und Vereinbarungen:

Die Personalanhaltswerte beeinflussen Rahmenverträge zwischen Pflegekassen und Trägern der Pflegeeinrichtungen sowie Pflegesatzvereinbarungen, wobei sie als Orientierungshilfe und nicht als strikte Vorgabe dienen.

5. Praktische Umsetzung und Herausforderungen:

Pflegeeinrichtungen stehen vor der Aufgabe, eine Balance zwischen qualitativer Betreuung und wirtschaftlicher Effizienz zu finden. Dies erfordert eine Anpassung der Personalstruktur, möglicherweise höhere Bezahlung zur Personalgewinnung und Beachtung der rechtlichen Vorschriften bei der Nutzung von Leiharbeitnehmern.

Kurzinfo

Dr. Carolin Pockrandt

Dr. Carolin Pockrandt – Foto: www.deFOTOGRAF.de

Dr. Eva Rütz

Dr. Eva Rütz: – Foto: Jörg Modrow/laif

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2024 zu finden.

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