von Annemarie Fajardo M.Sc., CURACON
Wie relevant der Aspekt der Arbeitsablauforganisation für Führungskräfte in der stationären Langzeitpflege ist, verdeutlichte im letzten Jahr ein Projekt, das durch den Bevollmächtigten der Bundesregierung für Pflege initiiert wurde. Das Projekt „zur Umsetzung guter Arbeitsbedingungen in der Pflege“ im Auftrag von Herrn Staatssekretär Andreas Westerfellhaus hatte zum Ziel, kleine und mittelgroße Pflegeeinrichtungen aktiv dabei zu unterstützen, ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Deutschlandweit haben 25 Piloteinrichtungen an diesem Projekt teilgenommen. Neben einer kurzen Darstellung des Projektes soll im folgenden Artikel schwerpunktmäßig auf die Dimension der Arbeitsorganisation und hier konkret auf die Anwendung einer Stecktafel in stationären Pflegeeinrichtungen eingegangen werden.
Vorstellung des Projektes
Das Projekt gliederte sich in zwei Phasen: In der ersten Projektphase wurde eine Sammlung klassischer Instrumente zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen erstellt. Diese wurden anschließend zu einem Instrumentenkoffer mit rund 30 Leitfäden in 8 unterschiedlichen Handlungsfeldern aufbereitet. Parallel wurde ein Schulungskonzept für leitende Mitarbeitende zur Umsetzung der Instrumente in Pflegeeinrichtungen entwickelt.
In der zweiten Phase des Projektes wurden zunächst einrichtungsindividuelle Bedarfsanalysen durchgeführt. Sie erlaubten es, die faktischen Gegebenheiten, die Wahrnehmung der Führungskräfte und die Sicht der Mitarbeitenden zu differenzieren und so die Ist-Situation der Unternehmen aus verschiedenen Perspektiven zu analysieren. Anschließend fanden regionale Schulungen in Kleingruppen zur Anwendung der Instrumente statt. Konkret wurden die einzelnen Instrumente vorgestellt, der Umgang mit dem Instrumentenkoffer geschult und anhand von Beispielleitfäden sowie Gruppendiskussionen geübt. Am Ende des Schulungstages wurden den Einrichtungen die Ergebnisse der Bedarfsanalyse sowie die individuell passenden Leitfäden übergeben.
Zwischen Juni und November fand dann die Umsetzung der empfohlenen Maßnahmen in den Pflegeeinrichtungen statt. Hierbei erhielten die relevanten Führungskräfte der Einrichtungen an drei Beratertagen vor Ort individuelle Unterstützung von Curacon.
Die zweite Projektphase endete Mitte November und schloss mit der Vorstellung des Abschlussberichtes beim Pflegebevollmächtigten in Berlin. Dieser umfasst auch einen Konzeptentwurf für einen möglichen bundesweiten Rollout.
Bedeutung der Arbeitsablauforganisation zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen
Ein wichtiges Handlungsfeld zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege ist die Organisation von Arbeitsabläufen, da sie erheblich zur Zufriedenheit der Mitarbeitenden beitragen kann. In der Organisationstheorie ist mit der Arbeitsablauforganisation insbesondere die Gestaltung wesentlicher Abläufe im Zusammenwirken von Menschen gemeint, die in ihrem Wirken sowohl Raum und Zeit wie auch Materialien, Informationen und die Arbeitsausstattung stets berücksichtigen müssen
Im Folgenden wird die Stecktafel als Instrument zur Arbeitsablauforganisation vorgestellt und aufgezeigt, wie sie im Projekt eingesetzt werden konnte.
Stecktafel als Instrument der Arbeitsorganisation
In der stationären Langzeitpflege kann der Einsatz einer Stecktafel der Vereinheitlichung bestimmter Versorgungsstrukturen und -prozesse pro Bewohnergruppe im Wohnbereich dienen und so die Wohnbereichsleitung in der Neuausrichtung der Arbeitsabläufe unterstützen.
Eine wesentliche Funktion der Stecktafel ist die Visualisierungssystematik. Mit dieser Systematik gelingt es der Wohnbereichsleitung den Mitarbeitenden einheitliche Arbeitspakete aufzuzeigen, die ansonsten nur mündlich im Pflegeteam kommuniziert werden. Dadurch können sowohl bewohnerorientierte als auch mitarbeiterspezifische Arbeitseinteilungen vorgenommen und regelmäßig abgestimmt werden. Insbesondere die Abstimmungen zu Prozesslängen, wie zum Beispiel die Dauer der Medikamentenverabreichung oder die Zeitlängen beim Essen reichen, können so im Team gemeinsam evaluiert und mit der Wohnbereichsleitung zusammen angepasst werden. Strukturelle Abbildungen, wie die Anzahl der Bewohner innerhalb einer Bewohnergruppe oder etwa mit dem Bewohner abgestimmte Dusch- und Badetage, erscheinen neben den Prozesslängen ebenfalls sinnhaft für die Visualisierungssystematik im Wohnbereich zu sein.
Im Rahmen des Pilotprojektes meldeten Führungskräfte zurück, dass viele ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wenig bis keine Erfahrungen in der Anwendung der Stecktafel hatten. So gab es beispielsweise nur wenige Mitarbeitende, die eine Stecktafel schon einmal in ihrem Berufsleben genutzt hatten. In diesem Fall halfen die Orientierungshilfen im Leitfaden bei der Einführung eines solchen Organisationsinstrumentes:
- Pflegedienstleitung stimmt Einführung mit der Wohnbereichsleitung ab.
- Wohnbereichsleitung informiert frühzeitig die Teams zur zukünftigen Nutzung einer Stecktafel (in der Regel drei bis vier Wochen vorher).
- Anschaffung von mindestens zwei Stecktafeln pro Wohnbereich (Frühdienst und Spätdienst).
- Kontinuierliche Erläuterung der Stecktafel über die Anschaffung hinaus.
- Mittelfristiges Ziel bei der Anwendung der Stecktafel liegt in der selbständigen Nutzung der Pflegeteams.
Mitsamt der organisatorischen Vorbereitung, Schulung der Mitarbeitenden und Führungskräfte, Einführung und Übungsphase ist mit ca. 3 bis 6 Monaten zu rechnen. Bis die Stecktafel verinnerlicht ist und „wirklich funktioniert“ kann es ein ganzes Jahr dauern. Voraussetzungen für eine zügige Einführung sind meist die Vorerfahrungen der Mitarbeitenden im Umgang mit der Stecktafel sowie Struktur- und Prozessdenken im Bereich der Arbeitsablauforganisation. Für den nachhaltigen Erfolg ist eine kontinuierliche Kommunikation der Pflegedienstleitung und ggf. der Wohnbereichsleitungen erforderlich.
Ausblick auf einen möglichen bundesweiten Rollout
Im Zuge der Durchführung des Pilotprojektes sind die einzelnen Elemente auf eine mögliche bundesweite Ausdehnung der Anwendung des Instrumentenkoffers und des Schulungskonzeptes geprüft worden. Prinzipiell sind die Elemente so entwickelt worden, dass sie auf eine größere Anzahl von Einrichtungen übertragen werden können. Die im Projekt gemachten Anpassungen und Vorschläge für einen bundesweiten Rollout, wie etwa eine koordinierende zentrale Organisationsstelle, die Ausbildung der teilnehmenden Beraterinnen und Berater sowie Änderungen aufgrund der gemachten Erfahrungen, sind noch zu diskutieren. Darüber hinaus sind auch Themen der Finanzierung bei einer bundesweiten Ausdehnung und die Kommunikation mit möglichen Stakeholdern noch zu klären. Für eine endgültige Entscheidung über ein bundesweites Nachfolgeprojekt ist noch die Begleitevaluation durch das BQS-Institut abzuwarten. Der Pflegebevollmächtigte hat ein bundesweites Rollout angekündigt, sollte die Wirksamkeit des Instrumentenkoffers durch das BQS-Institut nachgewiesen werden. In jedem Fall war das Pilotprojekt für die teilnehmenden Einrichtungen eine wertvolle Erfahrung im Sinne der Organisationsgestaltung.
*Quelle: Specht, O. (2001). Business Management. München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag (S. 167).
Kurzinfo
Zur Autorin
Annemarie Fajardo ist gelernte Altenpflegerin, Pflegemanagerin und Wirtschaftspsychologin (M.Sc.). In den vergangenen 15 Jahren ist Frau Fajardo in der Alten- und Krankenhilfebranche in verschiedenen Leitungspositionen tätig gewesen und arbeitete u. a. als Fachberaterin in der stationären Altenhilfe, als Personalntwicklerin und als Regionalleiterin für ambulante und stationäre Pflegeeinrichtungen bei sowohl freigemeinnützigen wie auch privaten Trägern. Sie ist darüber hinaus Lehrbeauftragte an der Hamburger Fern-Hochschule in den Fächern Pflegemanagement und Psychologie, stellv. Vorstandsvorsitzende des Bundesverbandes Pflegemanagement sowie Mitglied der Ratsversammlung des Deutschen Pflegerates. Als Unternehmensberaterin bei CURACON berät Frau Fajardo Pflegeeinrichtungen der Sozialwirtschaft zu wirtschaftlichen, strategischen und organisatorischen Fragestellungen.
Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2020 zu finden.