von Dr. Eva Rütz und Denise Bartels (Luther Rechtsanwaltsgesellschaft mbH)

In Pflege- und Seniorenheimen kommt es aufgrund von Personalengpässen häufig zum Einsatz externen Personals im Wege der Arbeitnehmerüberlassung (Leiharbeit). Derzeit wird jedoch diskutiert, den Fremdpersonaleinsatz im Gesundheitswesen zu regulieren. Gegenstand der Diskussion ist das angebliche Gefälle zur Festanstellung in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Leiharbeitnehmer erhielten höhere Gehälter, könnten ihre Arbeitszeiten frei gestalten und müssten regelmäßig keine Spät-, Nacht- und Wochenenddienste leisten. Bei zu hoher Arbeitsbelastung könnten sie vergleichsweise einfach in eine andere Einrichtung wechseln. Die Folgen seien steigende Unzufriedenheit bei den Festangestellten, eine Abwanderung zu den Zeitarbeitsfirmen sowie erhöhte Personalkosten aufgrund des Fremdpersonaleinsatzes.

Begrifflichkeit und Voraussetzungen

Eine Arbeitnehmerüberlassung liegt vor, wenn (Leih-)Arbeitnehmer von einem Arbeitgeber (Verleiher) einem Dritten (Entleiher) (in der Regel) gegen Entgelt für begrenzte Zeit überlassen werden. In diesem Fall sind die Vorgaben des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) einzuhalten.

Bei der Arbeitnehmerüberlassung wird ein Arbeitsverhältnis nur zwischen dem überlassenen Leiharbeitnehmer und dem Verleiher begründet. Zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher besteht keine vertragliche Beziehung. Die Tätigkeit des Leiharbeitnehmers für den Entleiher wird vielmehr durch einen Vertrag zwischen dem Verleiher und dem Entleiher geregelt. Der Vertrag muss vor Tätigwerden des Leiharbeitnehmers geschlossen werden, die Tätigkeit ausdrücklich als Arbeitnehmerüberlassung bezeichnet („Etikettierungspflicht“) und die Person des Leiharbeitnehmers konkretisiert werden.

Anforderungen des AÜG

Werden die Vorgaben des AÜG verletzt, droht ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher fingiert zu werden. Paradox wirkt diese Rechtsfolge allerdings, wenn Entleiher gerade gern mit eigenem, statt mit Fremdpersonal arbeiten würden.

Verstöße gegen das AÜG werden mit bis zu 30.000 EUR pro Verstoß sanktioniert.

Erforderlich ist deshalb die Einhaltung folgender Vorgaben:

Die Arbeitnehmerüberlassung setzt grundsätzlich voraus, dass der Verleiher eine entsprechende Erlaubnis besitzt. In eng begrenzten Ausnahmefällen ist eine erlaubnisfreie Überlassung möglich, so soll z. B. die Erlaubnispflicht nicht bei einer sog. konzerninternen Arbeitnehmerüberlassung eingreifen (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 2 AÜG – wegen fraglicher Europarechtskonformität umstritten). Bei Wegfall oder Nichtverlängerung der Erlaubnis besteht eine Meldepflicht.

Zudem ist eine Arbeitnehmerüberlassung nur für eine Überlassungshöchstdauer von 18 aufeinanderfolgenden Monaten zulässig. Diese beginnt erneut, wenn zwischen den Einsätzen mehr als drei Monate liegen. Hierbei kommt es auf den individuellen Leiharbeitnehmer und nicht auf den konkreten Arbeitsplatz an. Dies ermöglicht eine Rotation. In einem Tarifvertrag derselben Einsatzbranche kann eine abweichende Überlassungshöchstdauer festgelegt werden.

Das AÜG sieht vor, dass Leiharbeitnehmer bezüglich der wesentlichen Arbeitsbedingungen, insbesondere der Vergütung, der vergleichbaren Stammbelegschaft des Entleihers gleichzustellen sind14 (grundsätzlich nach neun Monaten / sog. „Equal-Pay-Grundsatz“). Von diesem Grundsatz kann durch Tarifvertrag abgewichen werden.

Des Weiteren muss die Überlassung im Rahmen einer wirtschaftlichen Tätigkeit des Entleihers erfolgen. Mit dem Merkmal der „wirtschaftlichen Tätigkeit“ wurde das frühere Merkmal „gewerbsmäßig“ (u. a. mit Gewinnerzielungsabsicht) zum 1. Dezember 2011 ersetzt.

Gesetzesentwurf in der Pflege

Wie bereits ausgeführt, wird zur Zeit diskutiert, die Leiharbeit im Gesundheitswesen zu verbieten bzw. zumindest einzuschränken. Für die Pflege hat die Bundesregierung nun mit einem Gesetzesentwurf (Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege) reagiert. Der Entwurf sieht vor, dass Pflegeeinrichtungen die Mehrkosten für den Einsatz von Leiharbeitskräften künftig nicht mehr bei den Pflegekassen abrechnen dürfen – es besteht zwar kein Verbot, aber über ein Malussystem auf Vergütungsseite gleichsam eine Sanktion. Das Ziel ist, den Pflegeberuf attraktiver zu machen und die Leiharbeit in der Pflege zu reduzieren, damit sie ein lediglich zusätzliches Instrument bleibt, um kurzfristigen Personalausfällen zu begegnen.

Juristische Einschätzung

Eine starke (mittelbare) Einschränkung von Leiharbeit ist nach unserem Dafürhalten rechtlich kaum begründbar. Weder der Patientenschutz noch der Schutz der Leiharbeitnehmer kann eine Einschränkung der Berufsfreiheit der Leiharbeitsunternehmen sowie der Leiharbeitnehmer rechtfertigen. Da die eingesetzten Leiharbeitnehmer über die notwendige fachliche Qualifikation verfügen, ist der Patientenschutz gewährleistet. Auch des Schutzes der Leiharbeitnehmer vor Ausbeutung bedarf es nicht. Es besteht vielmehr die Tendenz, dass das Stammpersonal wegen besserer Arbeitsbedingungen in die Leiharbeit abwandert. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Mitarbeiter dem Gesundheitswesen nicht mehr zur Verfügung stünden. Sie sind gleichermaßen einsatzbereit, lediglich verbunden mit individuell besseren Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter und gleichzeitig höheren Personalkosten für die entleihenden Einrichtungen.

Aus Gründen des Patientenschutzes könnte allenfalls eine dem AÜG ansonsten fremde Mindestüberlassungsdauer angedacht werden. Damit wären eine Einarbeitungszeit und eine gewisse Kontinuität gewährleistet. Hierbei ist jedoch zu bedenken, dass die Leiharbeit häufig kurzfristige und sehr kurze Personalengpässe überbrücken soll. Eine Mindestüberlassungsdauer wäre somit nicht praktikabel.

Fazit

  • Die Anforderungen des AÜG sind streng und zwingend einzuhalten.
  • Bei einer Nichtbeachtung des AÜG drohen u. a. empfindliche Bußgelder.
  • Eine Reglementierung der Leiharbeit ist rechtlich mit hohen Hürden verbunden.

Kurzinfo

Über die Autorinnen

Denise Bartels,
LL.M. Rechtsanwältin
Fachanwältin für Medizinrecht
Mobile: +4915201624626
denise.bartels@luther-lawfirm.com
Bartels Denise - Foto: ©Jörg Modrow

Bartels Denise – Foto: ©Jörg Modrow

Dr. Eva Rütz,
LL.M. Partnerin
Rechtsanwältin Fachanwältin
für Arbeitsrecht
Fachanwältin für Medizinrecht
Mobile: +49 152 016 27048
Eva.Ruetz@luther-lawfirm.com
Ruetz Eva - Foto: ©Jörg Modrow

Ruetz Eva – Foto: ©Jörg Modrow

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2023 zu finden.

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