von Silke Blumenröder
Seit gut zwei Jahren gibt es die generalistische Pflegeausbildung. Welche Erfahrungen sie bisher gemacht haben und was es noch zu bewältigen gilt – darüber tauschten sich Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter in einem Workshop aus.
Mit der generalistischen Pflegeausbildung ist die Rolle der Praxisanleitenden noch wichtiger geworden. So lautet das Fazit eines Workshops, zu dem die Initiative für Ausbildung in der Altenpflege (IfA) eingeladen hatte. Im Sommer trafen sich 20 Praxisanleitungen aus verschiedenen Bundesländern im Agaplesion Maria von Graimberg Seniorenheim in Heidelberg, um sich über ihre bisherigen Erfahrungen auszutauschen.
Wettbewerb um Fachkräfte hat zugenommen
„Der Wettbewerb um Fachkräfte hat mit der generalistischen Ausbildung zugenommen“, so die Erfahrung von Annika Werst, Praxisanleiterin in einer Einrichtung der Protestantischen Altenhilfe. Deshalb sei es umso wichtiger, unter den angehenden Pflegefachleuten als guter Arbeitgeber wahrgenommen zu werden. Im „Haus an den Schwarzweihern“ im westfälischen Enkenbach-Alsenborn hätte man daher viel Energie in die Gestaltung der generalistischen Ausbildung gesteckt. Praxisanleitende mit erweiterten Handlungskompetenzen nehmen dabei eine zentrale Rolle ein. Zudem legt die Einrichtung besonderen Wert auf Benefits für Mitarbeitende: Individuelle Arbeitsmodelle in Voll- oder Teilzeit, betriebliches Gesundheitsmanagement, ein vielfältiges Weiterbildungsangebot, Skifreizeiten oder die hauseigene Mitarbeiter-Band sollen dazu beitragen, dass sich alle Beschäftigten beruflich zuhause fühlen.
Wie Ausbildung in einem zunehmend diversen Arbeitsumfeld gelingt
„Schlüsselelement für die erfolgreiche Einführung war die Entwicklung eines Ausbildungsplans, der die spezifische Situation unserer Einrichtung berücksichtigt“ referierte Lars Friedrichs, Pflegedienstleiter des Agaplesion Gemeindepflegehauses Mauer. So plant das Haus die Orientierungseinsätze (Pflicht- und Vertiefungseinsätze) etwa pro Ausbildungsdrittel. Das Benennen eines festen Ansprechpartners pro Azubi ist ebenso Bestandteil des Konzepts, wie diverse Maßnahmen, die für alle Azubis oder auch individuell eingesetzt werden können: Zum Beispiel Einführungstage, Willkommenspakete, Anleitungs-Boxen, Lernzirkel oder sogenannte Panic Room Settings, in denen innerhalb einer realistischen Team-Spiel-Erfahrung eine patientengerechte und menschenorientierte Versorgung geübt werden.
Praxisanleiter im Prüfungsausschuss
Lukas Blachut, Koordinator für die praktische Anleitung bei der WGfS GmbH in Filderstadt bei Stuttgart, berichtete über seine Erfahrungen und die Rolle der Praxisanleitung als Mitglied des Prüfungsausschusses. Zwar nahmen Praxisanleitende auch schon vor der generalistischen Pflegeausbildung Prüfungen mit ab, doch sei der Aufwand mit der Reform deutlich gestiegen. Als besonders herausfordernd nimmt der examinierte Altenpfleger wahr, dass es an Pflegefachschulen keine einheitlichen Bewertungsbögen gibt. In Prüfungssituationen könne es zu Unstimmigkeiten kommen, wenn etwa Vertreter der Pflegeschule die Leistung eines Prüflings anders bewerten, als praxiserfahrene Anleiter, die häufig als „Zweitprüfer“ bezeichnet werden. Um sich dann auf eine faire Bewertung zu verständigen, sei die Dokumentation jedes einzelnen Fachprüfers hilfreich.
„Schon der verwendete Begriff ‚Zweitprüfer‘ weist darauf hin, dass Praxisanleitungen oft noch nicht als vollwertiges Mitglied der Prüfungskommission gelten“, ergänzt Dr. Christine Hardegen von der IfA: „Dabei sind sie laut § 10 der Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für die Pflegeberufe ‚Fachprüferinnen oder Fachprüfer‘ und damit im Prüfungsausschuss der Pflegeschulen als ‚praxisanleitende Person‘ gleichberechtigt“, so die Leiterin des Workshops.
Uneinheitliche Rahmenbedingungen
Der Föderalismus kompliziert die Organisation der generalistischen Ausbildung, denn je nach Bundesland gibt es eigene Rahmenbedingungen. Deren Einhaltung stellt vor allem Träger mit Einrichtungen in verschiedenen Bundesländern vor eine enorme Aufgabe. Große Unterschiede stellten die IFA-Mitglieder etwa im Durchführen der Zwischenprüfung fest: Ein Beispiel aus Rheinland-Pfalz zeigte eine Simulationsprüfung mit Puppe ohne Notenvergabe, während an anderen Standorten Noten vergeben wurden, die später in die praktische Gesamtleistung der Prüflinge mit einfließen.
Hilfreiche Infos auf Pflegeausbildung.net
Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend betreibt die Homepage Pflegeausbidlung.net. Von gesetzlichen Grundlagen bis hin zu Ausbildungs-Rahmenplänen des Bundesinstituts für Berufsbildung finden Ausbilder und Lehrkräfte gut aufbereitete Informationen. „Wenn es auf der Webseite noch einheitliche Dokumente zum Download für die Organisation und Durchführung von Prüfungen gäbe, würde das sowohl den Pflegefachschulen, als auch den Ausbildungsstätten sehr helfen“, regt Dr. Christine Hardegen an. Die Mitglieder der Initiative für Ausbildung könnten sich gut vorstellen, beim Entwickeln von einheitlichen Dokumentenvorlagen zu unterstützen.
Die Initiative für Ausbildung will den Fachkräfte-Engpass durch eine besonders gute Ausbildungsqualität reduzieren. Kern ist ein zwölf Punkte umfassender Kriterienkatalog, zu dem sich Mitglieds-Einrichtungen verpflichten. Neben formalen Kriterien, wie feste Ansprechpartner für Auszubildende, tarifgerechte Entlohnung oder das Ausstatten mit Berufskleidung, gehören zu den Vorgaben auch eigene Verantwortungsbereiche für Auszubildende, ein Azubi-Projekt, Austauschprogramme mit anderen Mitgliedseinrichtungen, eine offene Feedback-Kultur sowie die regelmäßige Weiterbildung der Ausbilder. Einrichtungen, die bereit sind, diese Inhalte in ihr Ausbildungskonzept aufzunehmen, können an der Initiative teilnehmen. Häuser, die allen zwölf Punkten gerecht werden, erhalten das Gütesiegel „TOP-Ausbildungsbetrieb Altenpflege“.
Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2022 zu finden.