von Jörg Jendrny (www.gv-konzepte.de)

Nach Pflegestufenreformen, umfangreichen Umbauten zur Erreichung der Einzelzimmerquote und Veränderungen der Bewohnerstrukturen sind immer wieder Neustrukturierungen im laufenden Betrieb bezüglich der hauswirtschaftlichen Leistungen erfolgt. Auch wenn es nie Stillstand in den Seniorenheimen geben wird, ist nun vielleicht ein guter Zeitpunkt, das eigene Verpflegungskonzept in seiner Gesamtheit zu betrachten und, falls erforderlich, neu zu organisieren.

Chancen durch Corona?

Durch die erheblichen Einflüsse der Coronakrise bietet sich gegenüber den vergangenen Zeiten eine Chance, auf dem Arbeitsmarkt im Bereich Service und Küche wieder neue Mitarbeiter zu finden, teilweise mit hervorragenden Qualifikationen, was neue Perspektiven ermöglicht. Gegenüber dem Pflegebereich, der durch Vorgaben stark reglementiert ist, besteht in der Hauswirtschaft durch das richtige Personal, schlanke Prozesse und kontrollierten Ausgaben die Möglichkeit zu wirtschaftlichem Handeln. Das kann maßgeblich zu einem positiven Betriebsergebnis beitragen.

Gleichzeitig ist die Hauswirtschaft, durch Ambiente, Sauberkeit und vor allem dem Essen eine für alle messbare Dienstleistung und entscheidet nicht selten darüber, wie ein Haus in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Betrachtung und Reflexion

Küche

Foto: Jörg Jendrny

Was macht nun eine zeitgemäße Essensversorgung, ob in Eigenregie, ganz oder teilweise vergeben an einen Dienstleister, aus und wie kann eine objektive Betrachtung aussehen?

Sich selbst zu analysieren fällt immer schwer, wenn nicht gerade eine neue Führungskraft ihre Tätigkeit aufnimmt und dies als erste Aufgabe ansieht, bevor das Tagesgeschäft betriebsblind macht. Daher ist der Blick von außen immer hilfreich. In Trägerschaften kann ein Mitarbeiter aus einer anderen Einrichtung dies vielleicht übernehmen, vorausgesetzt die Objektivität bleibt gewahrt. Eine weitere Option ist der externe Berater mit entsprechender Qualifikation und Erfahrung. Er kann durch eine effektive und schnelle Ist-Analyse und Ausarbeitung verschiedener Konzepte Entscheidungsgrundlagen schaffen und Punkte ansprechen, die bei eigenen Mitarbeitern zu Konflikten führen könnten.

Für die dauerhafte Reflexion, ob Angebot, Prozesskette, Hygiene u. v. m. bestmöglich eingehalten werden, empfiehlt sich eine qualifizierte Zertifizierung, wie z. B. RAL Gütezeichen Kompetenz richtig Essen – in Senioreneinrichtungen. Für die Verantwortlichen der Speisenversorgung bedeutet es, kompetente Unterstützung zu erhalten und Potential zu nutzen, für die Einrichtungsleitung bringt es ein hohes Maß an Absicherung, wenn nach den Vorgaben gearbeitet und regelmäßig hinterfragt wird.

Status Quo heute?

Eine moderne Essensversorgung ist bewohnerbezogen, reich an Varianten und Nährstoffen, zeichnet sich durch Frische, Saisonalität, Regionalität und Rücksicht auf die unterschiedlichen Handicaps aus. Dies kann sehr unterschiedlich umgesetzt werden, je nach Hausstruktur und Wohngruppenkonzeption.

Wohngruppenkonzept

Das Wohngruppenkonzept mit möglichst viel Leistungen der Speisenzubereitung in unmittelbarer Nähe zu den Bewohnern ist eine aktuell oft umgesetzte oder geplante Variante. Der damit verbundene Ansatz, durch die Mitarbeiter der Wohnbereichsküche auch die Betreuung der Bewohner – zumindest in wesentlichen Zeiträumen – abzudecken, sollte aber gut überlegt und geplant sein. Wenn z. B. 15-20 Bewohner, teilweise mit erheblichen Einschränkungen, in einem offenen Wohnbereich untergebracht sind und neben der Zubereitung auch noch die Aktivierung der Bewohner Aufgabe ist, kann kaum von einer guten Versorgung die Rede sein, wenn dies von einem Mitarbeiter umgesetzt werden soll. Wenn der hauswirtschaftliche Bereich aus einer Kochnische besteht, wo ein 4-Personen Haushalt schon Platzangst bekäme, ist es erst recht zum Scheitern verurteilt.

Die vorhandenen räumlichen Gegebenheiten geben also den Vorbereitungsgrad vor, damit eine ruhige Atmosphäre bei den Bewohnern gewährleistet ist. Wild verteilte Lebensmittel auf Anrichten, Tischen und Servierwagen, vor allem im Bereich Frühstück und Abendessen, sind zu vermeiden. Entsprechende mobile Lösungen, die sich gut integrieren lassen, gibt es einige am Markt.

Zentrales Versorgungskonzept

Dem gegenüber steht ein Versorgungskonzept, dass überwiegend aus einem zentralen Bereich heraus gesteuert und versorgt wird. Das kann die favorisierte Lösung sein, wenn keine ausreichenden Räumlichkeiten oder Personalstrukturen in der Hauswirtschaft vorhanden sind. Dabei muss es nicht zwangsläufig ein Tablettsystem sein. Es gibt schicke Lösungen für warmes und kaltes Essen, welches auf Tellern angerichtet in den Wohnbereich gebracht werden kann. Das Servieren übernimmt in diesem Fall hauptsächlich die Pflege, mit Unterstützung zu den Hauptessenszeiten.

Trends für die Zukunft:

  • Frische, regionale Küche
  • Vielfältige Sonderkostformen (z. B. Dysphagie)
  • Zentrale Vorbereitung, dezentrale Zubereitung
  • Angebot in den Wohngruppen steigt
  • „Speisesaal“ wird zum Ort der Begegnung, weniger Bewohneressen

Beiden Varianten ist gemein, dass das Mittagessen zentral gekocht und warm angeliefert (Cook&Serve) bzw. auf dem Wohnbereich regeneriert wird (Cook&Chill).

Hausgemeinschaftskonzept

In einem Hausgemeinschaftskonzept ist die Zubereitung aller Mahlzeiten zusammen mit dem Bewohner Grundlage. Durch die Veränderung der Bewohnerstrukturen lässt sich dieses gut gemeinte Konzept immer weniger, wie angedacht, umsetzen. Die Mitarbeiter müssen mehr Einschränkungen der Bewohner kompensieren, was nicht selten zu einer Überlastung und einem sehr eingeschränkten Essensangebot führt, welches ernährungsphysiologisch zu hinterfragen ist.

Neben diesen genannten Varianten gibt es viele Abstufungen und individuelle Lösungen, die sich entwickelt haben und zeigen, wie kreativ und erfindungsreich Häuser mit den Herausforderungen umgehen.

 

OrganisationsstrukturenPersonal-aufwand PflegePersonal-aufwand Hauswirts.Personal-aufwand KücheRaumbedarf zentralRaumbedarf Wohnbereichtechnische Ausstattung zentraltechnische Ausstattung Wohnbereich
Hausgemeinschaftskonzept+++++++++++
Wohngruppenkonzept+++++++++++
Zentrales Versorgungskonzept Eigenregie im Haus+++++++++++++++
Zentrales Versorgungskonzept Dienstleister Extern+++++++++++

Tabelle: Jörg Jendrny

 

Tipp:

Um zu erkennen, wie es mit der eigenen Speisenversorgung aussieht, empfiehlt es sich, mit den Bewohnern in ihren eigenen Bereichen gemeinsam zu essen, und zwar alle Mahlzeiten. Setzen Sie und Mitarbeiter der Hauswirtschaft sich unangekündigt dazu und unterhalten sich mit den Bewohnern. Das sorgt für schnellste und unmittelbarste Erkenntnisse und löst nachhaltige Entwicklungen aus.

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2020 zu finden.

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