von Peter Wark (Deutsche Zöliakie-Gesellschaft, Team Öffentlichkeitsarbeit, peter.wark@dzg-online.de)

Peter Wark von der DZG

Peter Wark von der DZG – Foto: DZG, Tobias Freund

Von der Kindertagesstätte bis ins Seniorenheim: Menschen, die an der Autoimmunerkrankung Zöliakie leiden, finden oft keine Einrichtungen, die auf ihre speziellen Ernährungsbedürfnisse Rücksicht nehmen (können). Für die Betroffenen entwickelt sich das, zumal im fortgeschrittenen Alter, häufig zur persönlichen Katastrophe. Auch in der häuslichen Pflege ist das Thema Zöliakie meist nicht präsent – mit teilweise dramatischen medizinischen und menschlichen Folgen.

Was passiert bei einer Zöliakie?

Zöliakiebetroffene müssen sich alternativlos strikt glutenfrei ernähren. Diese Menschen leiden an einer chronischen Dünndarm-Entzündung. Sie beruht auf einer lebenslangen Unverträglichkeit gegenüber dem Klebereiweiß Gluten, das in zahlreichen Getreidearten wie Dinkel, Weizen, Roggen, Gerste und vielen verarbeiteten Lebensmitteln vorkommt. Nehmen Zöliakieerkrankte versehentlich Gluten zu sich und seien es nur geringste Spuren (z. B. 1/8 g Weizenmehl), werden die Darmzotten geschädigt und letztlich zerstört. Die Aufnahme von Nährstoffen, Vitaminen und Mineralstoffen ist dann nicht mehr in ausreichendem Maße möglich. Eine unerkannte Zöliakie zieht nicht nur Nährstoffmangel, sondern häufig ernsthafte Folgeerkrankungen wie Diabetes, Osteoporose und Tumorerkrankungen nach sich. Gegen Zöliakie gibt es nach wie vor keinerlei Medikamente.

Die gute Nachricht: die körperlichen Folgen der Erkrankung können, wenn sie erst einmal festgestellt ist, in fast allen Fällen durch eine radikal glutenfreie Ernährung in den Griff bekommen werden. Viele „Zölis“, wie Betroffene sich häufig selbst nennen, kommen damit im Alltag problemlos klar – zumindest, solange sie selbstbestimmt in den eigenen vier Wänden leben können. Wenn das nicht mehr geht, wird es oft schwierig.

Zöliakie aus Sicht der Einrichtungsleitung

Warum gibt es so wenige Senioreneinrichtungen, die auf glutenfrei lebende Bewohner eingestellt sind? Die Verantwortung ist groß. Nur selten sind Pflegekräfte oder angelerntes Personal für eine glutenfreie Ernährung ausreichend geschult. Sie können damit auch die Folgen falscher Ernährung für Zöliakiebetroffene nicht wirklich abschätzen. Sätze wie „Das bisschen wird Ihnen schon nicht schaden“ zeugen von absoluter Unwissenheit. Die alltägliche Überforderung des Personals in vielen Heimen macht die Sache nicht besser. Oft kommt das Essen von einem Caterer. Sogar wenn dieser glutenfrei gekochte Speisen anbieten kann oder das Heim selbst kocht, lauern vielfältige Stolperfallen in Form von Kontaminationsrisiken. Selbst kleinste, unbewusste Diätunfälle können erhebliche gesundheitliche Folgen mit sich bringen. Alle Lebensmittel, Getränke und sogar Arzneimittel von Betroffenen müssen immer auf strikte Glutenfreiheit überprüft werden.

Vielen Senioreneinrichtungen ist das zu „heiß“ und sie lehnen Bewerber mit Zöliakie ab. Man geht bisher davon aus, dass jeder 100. Mensch in Deutschland an Zöliakie leidet. Neue Studien legen nahe, dass man diese Zahl deutlich nach oben korrigieren müsste. Da die Fallzahlen seit vielen Jahren kontinuierlich ansteigen und immer mehr Menschen die Diagnose noch im fortgeschrittenen Alter erhalten, wird man als Heimbetreiber nicht dauerhaft die Augen vor dieser Entwicklung verschließen können. Neben Zöliakiepatienten ist auch der ebenfalls wachsende Personenkreis von Menschen mit Glutensensitivität oder einer Weizenallergie auf glutenfreies Essen angewiesen.

Die DZG bietet Expertenrat

Die Umsetzung einer glutenfreien Ernährung für Heimbewohner kann mit etwas gutem Willen durchaus erfolgreich gelingen und zur selbstverständlichen Routine werden. Ja, das Personal muss geschult und immer wieder sensibilisiert werden. Ja, das kann Einkauf, Transport, Lagerung und Zubereitung von Lebensmitteln zunächst einmal aufwendiger machen. Aber: es gibt für die Heime durchaus Vorteile. Viele Speisen lassen sich ohne Mehraufwand problemlos glutenfrei zubereiten. Der Einrichtung sind dankbare Bewohner gewiss und mit einem solchen Angebot können Senioreneinrichtungen in Zeiten der Personalknappheit auch für Ernährungsfachkräfte attraktive Arbeitgeber werden.

Heimbetreiber stehen nicht alleine, wenn sie sich entscheiden, glutenfreie Angebote einzuführen. Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft (DZG) ist die Institution in Sachen Zöliakie. Sie stellt sich den Senioreneinrichtungen gerne kostenlos als Ansprechpartnerin zur Verfügung. Hier gibt es Infos und Checklisten zu allen Fragen. Die DZG bietet vielfältige Schulungen an – auf Wunsch direkt in der jeweiligen Senioreneinrichtung. Bei der Deutschen Zöliakie-Gesellschaft ist eine Liste mit Caterern erhältlich, die bereits auf lange Erfahrung mit glutenfreien Menüs zurückblicken. Seniorenheime, die Plätze für Zöliakiebetroffene anbieten, können sich auf Wunsch in die DZG-Datenbank „Glutenfrei außer Haus“ eintragen lassen. Die DZG hat überdies einen Seniorenbeirat, der in seiner Arbeit vor allem die Bedürfnisse älterer Menschen in den Fokus nimmt und mit Rat und Tat zur Seite steht.

Wenn’s einmal schnell gehen muss, stehen in den meisten deutschen Regionen DZG-Kontaktgruppen mit geschulten Ehrenamtlichen vor Ort zur Verfügung. Sie beraten die Heime gern und sind meist mit großem Engagement bereit, direkt in der Einrichtung Starthilfe zu geben, oder auch Veranstaltungen durchzuführen.

Die DZG

Die Deutsche Zöliakie-Gesellschaft e. V. (DZG) feiert 2024 ihr 50-jähriges Bestehen. Sie hat 42 000 Mitglieder und bundesweit etwa 180 Regionalgruppen. Die Gesellschaft bietet ihren Mitgliedern vielfältige Unterstützung und Hilfestellung. Dazu zählen ärztliche und ernährungsspezifische Sprechstunden, Koch- und Backkurse, glutenfreie Freizeiten und vieles mehr. Sie ist auch Ansprechpartnerin für Mediziner, Ernährungsfachkräfte, Gastronomen, Heimbetreiber und hält Seminare und Schulungen für diese Berufsgruppen ab. Die DZG steht in Kontakt mit allen relevanten wissenschaftlichen Einrichtungen und ist geschätzter Partner in der AOECS, dem Dachverband der europäischen Zöliakie-Gesellschaften.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2024 zu finden.

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