Lesen sie hier den ersten Teil der Serie:
Pflegerische Beratung zum Schwerpunkt Ernährungsmanagement
von Daniela Mongillo (QM Lebenswert GbR)
Im vorangegangenen Beitrag mit dem Titel „Pflegerische Beratung zum Schwerpunkt Ernährungsmanagement“ wurde gezielt die Bedeutung der pflegerischen Beratung beschrieben. Die Schwerpunkte lagen im Bereich der fachkundigen Beratung, der individuellen Beratungsinhalte, des Rechts der geriatrischen Bewohner auf Informationen, des Schulungsbedarfs für Pflegefachkräfte und der Stärkung ihrer Beratungskompetenz. In diesem Artikel wird primär das Informations- und Beratungsgespräch fokussiert.
Recht auf Information
Wie bereits in der Vergangenheit angeführt, hat jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch gemäß Artikel 5 der Charta das Recht auf umfassende Informationen. Im Hinblick darauf stellt sich die Frage, was bedeutet dies für die pflegerische Beratung und auf was muss die Einrichtung bzw. die Pflegefachkraft achten. In der praktischen Umsetzung hat die Pflegefachkraft darauf zu achten, dass:
- der geriatrische Bewohner darauf bestehen kann, dass während des Beratungsgespräches ein Angehöriger oder eine von ihm benannte Vertrauensperson anwesend ist und auf Wunsch des Bewohners mit in die Entscheidung einbezogen werden.
- bei nicht vorhandener kognitiver Fähigkeit des geriatrischen Bewohners das Beratungsgespräch zur Wahrung seiner Selbstbestimmung mit seiner bevollmächtigten Person bzw. einem gesetzlichen Vertreter geführt und in die Entscheidung mit einbezogen wird.
- die Inhalte des Beratungsgespräches individuell auf die Bedürfnisse und den Bedarf des geriatrischen Bewohners abgestimmt sind.
- die Information und Aufklärung offen, verständlich und einfühlsam vermittelt wird. Dies umfasst sowohl die Aufklärung über das individuelle Ernährungsrisiko, die daraus resultierenden Folgen als auch die abgeleiteten Interventionsmöglichkeiten.
Informations- und Beratungsgespräch
Eine Voraussetzung zum Handhaben der oben angeführten Anforderungen ist die pflegefachliche Beratungskompetenz auf Seiten der Pflegefachkräfte. Darüber hinaus spielen zahlreiche weitere Bausteine für eine erfolgreiche Beratung eine erhebliche Rolle, die in diesem Artikel beschrieben werden.

Beratungsstandards: Das Kommunikationsquadrat nach Schulz von Thun – Hintergrundfoto: cottonbro studio
Zur pflegefachlichen Beratungskompetenz zählen neben dem Wissensstand zu Ursachenforschung und den daraus ableitenden Interventionsmöglichkeiten die Wahl der korrekten Kommunikationstechnik. Wie unter dem Punkt „Recht auf Information“ beschrieben, hat der geriatrische Bewohner das Recht auf eine offene, verständliche und einfühlsame Vermittlung von Informationen und Aufklärung. Dies bedeutet, auf eine auf ihn zielgerichtete Kommunikation und Interaktion. Gemäß dem Kapitel 5 (2020, S. 1 bis 14) der „Beratungsstandards“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) können folgende Techniken unterstützend eingesetzt werden:
- die Themenzentrierte Interaktion (TZI) von Ruth Cohn
- das Kommunikationsquadrat von Schulz von Thun
- der klientenzentrierte Ansatz nach Carl R. Rogers
- klassisch die verbale und nonverbale Kommunikation
Im Hinblick auf die Entwicklung der sprachlichen Fähigkeiten von geriatrischen Bewohnern ist die Anwendung von leichter Sprache ein wesentliches Element zur Unterstützung der verbalen Kommunikation. Von der Einrichtung erstellte Informations-/Beratungsbroschüren in leichter Sprache (Symbole) unterstützen die Pflegefachkräfte bei ihrer professionellen Beratung. Zudem spielt die Wahl des räumlichen Rahmens zur Durchführung der Beratung eine erhebliche Rolle. Geriatrische Bewohner leiden zunehmend unter Konzentrationsproblemen und verlieren durch zu viele Reize aus dem Umfeld den „roten Faden“ des Gespräches. Aus diesem Grund sollte auf Gruppengespräche verzichtet werden und die Wahl auf einer Einzelberatung liegen. Das eigene Einzelzimmer bietet sich für diesen Zweck sehr gut an. Bewohnt der geriatrische Bewohner ein Doppelzimmer, ist das Gespräch in einen anderen ruhigen, ansprechenden Raum der Einrichtung zu verlegen. Die Gesprächsführung im Dienstzimmer der Wohnstation ist ungeeignet und umfasst zu viele Reize, die das Gespräch negativ beeinflussen können.
Die Beratung hat einen professionellen Charakter und sollte mittels eines Beratungsprozesses durchgeführt werden. Hierzu dient ein „4-Phasen-Modell“, welches in diesem Abschnitt vorgestellt wird (ebd., 2020, Kapitel 5, S. 4). Die Phase 1 des Beratungsprozesses ist die Problemdefinition. Die Phase 2 beinhaltet die Zielentwicklung, Phase 3 die Schritte zur Problemlösung: Intervention und endet mit der Phase 4 Evaluation. Die Beschreibung des Problems bildet den Anfang des Beratungsprozesses. Die Pflegefachkraft erstellt zu Beginn der Beratung eine detaillierte Beschreibung der aktuellen Ernährungssituation des geriatrischen Bewohners, die bei dem Beratungsgespräch Anwendung findet. Wichtig ist, dass die Beschreibung schriftlich verfasst wird, um den Bewohnenden und/oder den Bezugspersonen die Möglichkeit des Nachlesens zu geben. Danach werden die möglichen Ziele und die daraus resultierenden Interventionen gemeinsam besprochen und die Wünsche der Bewohnenden und/oder der Bezugspersonen erfasst und dokumentiert. Bei der Eruierung der geeigneten individuellen Maßnahmen unterstützt die Pflegefachkraft mit ihrem professionellen Wissen und bezieht bei Notwendigkeit eine Ernährungsfachkraft mit ein. Nach Festlegung der Maßnahmen erfolgt die Umsetzung in die pflegerische Praxis. Nach einem individuell festgelegten Zeitraum erfolgt die Evaluation der umgesetzten Maßnahmen und ein erneutes Feedback-Gespräch mit allen Beteiligten.
Zur Sicherstellung der Beratungsqualität ist es erforderlich, dass die Einrichtung ein geeignetes Beratungskonzept erstellt und den Pflegefachkräften zur Verfügung stellt. Zur konzeptionellen Grundlage gehört neben den schriftlichen Vorgaben zur Dokumentation eines individuellen Informations- und Beratungsgespräches weiterhin die Erstellung und Anwendung eines hilfreichen Leitfadens für die Pflegefachkräfte. Auf diese Weise wird eine qualitative professionelle pflegerische Beratung ermöglicht.
Was ist bei der Beratung zur Ernährungssituation zu beachten?
- Altersanorexie: darunter wird der physiologisch bedingte Verlust des Appetits im Alter verstanden
- Abnahme von Muskel- und Knochenmasse ab der 3. Lebensdekade, Anstieg des Körperfettanteils und reduzierter Energiebedarf
- Nachlassendes Durstempfinden, reduzierter Körperwassergehalt und ein Fähigkeitsverlust der Nieren, konzentrierten Harn zu bilden
- Häufiges Auftreten von Obstipation, atrophische Gastritis, Mundtrockenheit und Schluckstörungen
- Erhöhtes Risiko für Vitamin-D-Mangel, welches die Entstehung von Osteoporose begünstigt, die Funktionsfähigkeit von Muskeln negativ beeinflusst und dadurch das Sturzrisiko erhöht
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 01/2025 erschienen.