von Daniela Mongillo (QM Lebenswert GbR)

In der geriatrischen Versorgung stellt die Sicherstellung und Förderung der oralen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme eine wichtige und anspruchsvolle Tätigkeit dar. Ein wesentliches Element in der Sicherstellung ist die fachkompetente Beratung. Ihre Bedeutung ist so elementar, dass dieser Bereich eine eigene Kriterienebene (S5 bis E5 im Expertenstandard „Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“, 1. Aktualisierung 2017) ausfüllt. Gemäß dem Kriterienpunkt P5 des Expertenstandards „[…] informiert und berät [die Pflegefachkraft, Änd. d. A.] den Patienten/Bewohner und seine Angehörigen über Entstehung und Folgen einer Mangelernährung und Möglichkeiten einer angemessenen Ernährung und leitet gegebenenfalls zur Umsetzung von Maßnahmen an.“ (DNQP, 2017, S. 21)

Informations- und Beratungsgespräch

Der Inhalt der Informationsweitergabe und des Beratungsgespräches umfasst vornehmlich Interventionen zur Erhöhung der Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme in Form von Essen/Trinken in der Gesellschaft, der korrekte individuelle Einsatz von Hilfsmitteln, die Möglichkeit von Zwischenmahlzeiten, angepasste Portionsgrößen etc. (DNQP, 2017, S. 39ff). Der zudem angeführte Punkt Informationsweitergabe und Beratung zu Mangelernährung aufgrund einer Fehlernährung im Sinne von Unverträglichkeiten ist selten oder nie Bestandteil im pflegerischen Informations- und Beratungsgespräch. Dennoch sind Unverträglichkeiten ein Problem von geriatrischen Bewohnern und sind Ursache für Auffälligkeiten wie z. B. Gewichtsverlust, Übelkeit oder Appetitlosigkeit. Eine Unverträglichkeit, die in diesem Zusammenhang steht, ist z. B. die Zöliakie. Die weit verbreitete Annahme, dass Zöliakie nur bei jungen Menschen auftritt, führt dazu, dass diese Form der Unverträglichkeit bei dem Betreff „Mangelernährung im Alter“ nicht berücksichtigt wird und somit bei der Ursachenforschung durch die Pflegefachkräfte keine Berücksichtigung findet. Um die Relevanz dieses Themas für die institutionelle Versorgung zu fördern, wurde 2021 ein Seniorenausschuss aus Mitgliedern der Deutschen Zöliakie Gesellschaft e. V. gegründet, der sich primär für die glutenfreie Versorgung von geriatrischen Bewohnern einsetzt.

Gemäß Artikel 5 der „Charta der Rechte hilfe- und pflegebedürftiger Menschen“ (BMFSFJ, 2018, S. 16ff) hat jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch das Recht auf umfassende Informationen über Möglichkeiten und Angebote der Beratung, der Hilfe und Pflege sowie der Behandlung. Dies umfasst desgleichen das Recht, dass die Beratung den pflegebedürftigen Menschen unterstützt, Gesundheitsprobleme vorzubeugen. Hierzu zählt gleichermaßen die offene und verständliche Aufklärung über mögliche Risiken und Alternativangebote.

Was bedeutet das für die pflegerische Praxis?

Im aktuellen Kontext der pflegerischen Beratung in der stationären Versorgung wird zum Großteil ausschließlich über das anhaltende Defizit an Energie oder Flüssigkeit (erkennbarer Gewichtsverlust bzw. Flüssigkeitsmangel), deren Folgen für den pflegebedürftigen Menschen und die möglichen Interventionsmöglichkeiten aufgeklärt.

Für die Aufklärung der spezifischen Ernährungssituation müssen zwei erhebliche Faktoren von der Einrichtung als Voraussetzung geschaffen werden. Zum einen müssen die Pflegefachkräfte dahingehend sensibilisiert werden, bei der Ursachenforschung von Mangelernährung die Unverträglichkeiten wie Zöliakie mitzuberücksichtigen. Die Risikoerfassung und die daraus resultierende Ursachenforschung sind die Grundlagen für eine fachspezifische, individuelle Informationsweitergabe und Beratung. Um diese Voraussetzung schaffen zu können, benötigt es eine vertiefte Schulung der Pflegefachkräfte in die Thematiken Ursachenforschung und deren Auswirkung bzw. Folgen auf den Ernährungszustand von geriatrischen Bewohnern. Eine allgemeine Schulung des Expertenstandards Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege (1. Aktualisierung 2017) reicht nicht aus. Gemäß dem Expertenstandard erfolgt die Ursachenforschung im Bereich des vertieften Assessments. Hierzu zählen die sechs angeführten Items mit ihren jeweiligen Unterpunkten:

  • körperliche und kognitiv bedingte Beeinträchtigungen
  • fehlende Lust, kein Appetit, Ablehnen von Speisen
  • Umgebungsfaktoren
  • Angebot von Speisen/Getränken
  • Gründe für einen erhöhten Bedarf (bzw. Verlust) an Energie/Nährstoffen
  • Gründe für einen erhöhten Bedarf (bzw. Verlust) an Flüssigkeit

Im Hinblick auf die vertiefte Schulung betreffend Unverträglichkeiten oder Allergien ist das Item „fehlende Lust, kein Appetit, Ablehnen von Speisen“ von hoher Relevanz.

Zum anderen benötigen die Pflegefachkräfte die notwendige Fachkompetenz, den geriatrischen Bewohner und seine Angehörigen über die individuellen ernährungsspezifischen Risiken, deren Folgen und Interventionsmöglichkeiten aufzuklären bzw. bei einer notwendigen differenzierten Ernährungsberatung die entsprechenden Fachexperten hinzuzuziehen oder auf ihre Hinzunahme hinzuweisen. Mithilfe der oben angeführten vertieften Schulung wird zudem die Beratungskompetenz bezüglich der Aufklärung der individuellen ernährungsspezifischen Risiken und deren Folgen gefördert.

Zur Stärkung der Beratungskompetenz „Interventionsmöglichkeiten“ bietet sich zusätzlich zur vertieften Schulung durch einen fachfundierten Ernährungsberatenden die Erstellung eines Schulungsmanuals, in dessen Rahmen die Interventionsmöglichkeiten für alle Pflegefachkräfte präsent und nutzbar dargestellt werden.

Abschließend ist anzuführen, dass ein weiteres Hilfsmittel wie das Sammelwerk „Beratungsstandards“ der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE) die Kompetenz der Pflegefachkräfte in puncto Kommunikation und Gesprächsführung wissenschaftlich fundiert unterstützt.

Auf einem Blick

1. Fachkompetente Beratung ist entscheidend:

Pflegerische Beratung im Ernährungsmanagement ist ein zentraler Bestandteil der geriatrischen Versorgung und wird durch den Expertenstandard „Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“ unterstützt.

2. Individuelle Beratungsinhalte:

Beratungsgespräche sollten sich nicht nur auf die Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme konzentrieren, sondern auch individuelle Aspekte wie Unverträglichkeiten, speziell Zöliakie, einbeziehen, um Mangelernährung vorzubeugen.

3. Recht auf Information:

Jeder hilfe- und pflegebedürftige Mensch hat laut der „Charta der Rechte hilfeund pflegebedürftiger Menschen“ ein Anrecht auf umfassende Informationen zu Beratung, Hilfe, Pflege und Behandlung.

4. Schulungsbedarf für Pflegefachkräfte:

Um eine qualitativ hochwertige Beratung zu gewährleisten, sind vertiefte Schulungen für Pflegefachkräfte in Ursachenforschung und Ernährungsmanagement notwendig, insbesondere im Hinblick auf Unverträglichkeiten und Allergien.

5. Stärkung der Beratungskompetenz:

Die Erstellung eines Schulungsmanuals und die Nutzung von Beratungsstandards können die Kompetenz von Pflegefachkräften in der Beratung, Interventionsmöglichkeiten und Gesprächsführung erheblich verbessern.

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2024 zu finden.

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