Dr. Heidi Wichmann-Schauer

Für Menschen, deren Abwehrkräfte aufgrund ihres hohen Alters oder aufgrund von Vorerkrankungen und Medikamenteneinnahme geschwächt sind, können schon geringe Mengen an Krankheitserregern in Lebensmitteln eine ernsthafte Gefahr darstellen.

Um lebensmittelbedingten Erkrankungen in Seniorenheimen vorzubeugen, müssen die Verantwortlichen deshalb dafür sorgen, dass bestehende rechtliche Regelungen konsequent umgesetzt und sinnvoll kontrolliert werden.

Kritische Aspekte sind hierbei insbesondere die Speisenauswahl, die Trennung von reinen und unreinen Prozessen sowie das Temperaturmanagement entlang der gesamten Prozesskette bis zur Abgabe an die Verpflegungsteilnehmer. Wegen der besonderen Empfänglichkeit bestimmter Heimbewohnerinnen und -bewohner für lebensmittelbedingte Erkrankungen ist es ratsam, die rechtlichen Vorschriften enger auszulegen als in anderen Gastronomiebetrieben. Hierzu gehören auch eine strengere Überwachung des betrieblichen Hygienemanagements und eine intensivere Schulung des Küchen- und Pflegepersonals auf dem Gebiet der Lebensmittelhygiene.

Als Hilfestellung hat das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) für Verantwortliche in Seniorenheimen und anderen Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung gemeinsam mit der BfR-Kommission für Hygiene das Merkblatt „Sicher verpflegt: Besonders empfindliche Personengruppen in Gemeinschaftseinrichtungen“ verfasst. In diesem Merkblatt gibt das BfR unter anderem Hinweise, auf welche Lebensmittel bei der Verpflegung von besonders empfindlichen Personengruppen besser verzichtet werden sollte. Im Rahmen eines Betriebskontrollprogramms des Bundesweiten Überwachungsplans (BÜp) kontrollierten Veterinär- und Lebensmittelüberwachungsbehörden in 15  Bundesländern im Jahr 2017 insgesamt 1880 Gemeinschaftseinrichtungen, darunter 1493 Alten- und Pflegeheime. Die Behörden prüften unter anderem, ob dem verantwortlichen Personal in diesen Einrichtungen die Empfehlungen des BfR hinsichtlich der Abgabe von sogenannten Risikolebensmitteln bekannt waren und ob sie dort umgesetzt wurden.

Die Ergebnisse zeigen, dass in mehr als der Hälfte der kontrollierten Alten- und Pflegeheime die Empfehlungen des BfR zur Lebensmittelauswahl nicht bekannt waren und dass nur ein geringer Teil der Einrichtungen diese Empfehlungen bei der Speisenabgabe berücksichtigte (BVL, 2018a). Die nachfolgenden Ausführungen zielen deshalb darauf ab, die Kenntnisse über besonders risikobehaftete Lebensmittel zu erweitern und das Bewusstsein für die Verantwortung bei der Auswahl geeigneter Lebensmittel und Rezepturen zu schärfen.

Auswahl des Speisenangebots

Die Abgabe von Rohmilch ist in Seniorenheimen und anderen Einrichtungen der Gemeinschaftsverpflegung rechtlich untersagt. Darüber hinaus dürfen solche Einrichtungen mit Rohei hergestellte Speisen nur dann an besonders empfindliche Personengruppen abgeben, wenn ein geeignetes Ver­fahren die Abtötung von Salmonellen (z.B. durch Erhitzung auf mindestens 72°C für mindesten zwei Minuten im Kern des Lebensmittels) vor der Abgabe sicherstellt. Neben diesen rechtlich geregelten Lebensmitteln enthalten aber noch weitere verzehrfertige Lebensmittel relativ häufig Krankheitserreger. Sofern es nicht vorgesehen ist, diese Lebensmittel direkt vor der Ausgabe ausreichend zu erhitzen, rät das BfR, auf die Abgabe der aufgelisteten Lebensmittel an Bewohnerinnen und Bewohner von Seniorenheimen zu verzichten.

Lebensmittel, die häufiger Krankheitserreger enthalten, die für besonders empfindliche Personengruppen eine Gefahr darstellen. (Foto: bfr)

Lebensmittel, die häufiger Krankheitserreger enthalten, die für besonders empfindliche Personengruppen eine Gefahr darstellen. (Foto: bfr)

  • Milchprodukte (z.B. Butter, Milchmischgetränke und Nachspeisen) und Weichkäse aus Rohmilch
  • Sauermilchkäse und Weichkäse aus pasteurisierter Milch, der mit Oberflächenschmiere (Gelb- und/oder Rotschmiere) hergestellt wurde (z.B. Harzer, Mainzer, Ölmützer Quargel, Limburger, Munster).
  • selbst hergestelltes Speiseeis
  • frisches Mett, Tatar und ähnliche rohe Hackfleischzubereitungen sowie rohe Fleischzuschnitte wie Carpaccio
  • streichfähige, schnell gereifte Rohwürste (z.B. frische Mettwurst, Teewurst, Braunschweiger)
  • unverarbeitete Fischereierzeugnisse oder Schalen­tiere (z.B. Sushi, Austern)
  • heiß oder kalt geräucherte Fischereierzeugnisse (z.B. Räucherlachs, geräuchertes Forellenfilet)
  • Graved Lachs
  • Sprossen
  • Tiefkühlbeeren

Mikrobiologische Beschaffenheit streichfähiger Rohwürste

In Deutschland kam es in den zurückliegenden Jahren in Alten- und Pflegeheimen  zu vereinzelten lebensmittelbedingten Ausbrüchen nach Verzehr von fein zerkleinerter streichfähiger Rohwurst (z.B. Teewurst, Braunschweiger). Da diese Fleischerzeugnisse bei Senioren besonders beliebt sind, stehen sie häufig auf dem Speiseplan. Rohwürste werden aus rohem Fleisch und Fettgewebe hergestellt und durch Pökeln, Salzen und/oder Räuchern und Trocknen haltbar gemacht. Außerdem bilden die an der Rohwurstreifung beteiligten Bakterien Säuren, welche für das typische Rohwurstaroma wichtig sind und die Vermehrung unerwünschter Bakterien hemmen sollen.

Da die Herstellung von Rohwürsten keinen Erhitzungsschritt enthält, ist es möglich, dass bestimmte beim Tier vorkommende Krankheitserreger mit dem Fleisch in die Rohwürste gelangen und den Reifungsvorgang überleben. Streichfähige Rohwürste enthalten in der Regel wenig Säure und werden nur kurz gereift, so dass auf den Menschen übertragbare Krankheitserreger überleben können.

Um für Deutschland repräsentative Daten zu deren Vorkommen zu erhalten, haben die amtlichen Lebensmittellabore der Länder im Jahr 2017 im Rahmen eines bundesweiten Untersuchungsprogramms etwa 400 streichfähige Rohwürste aus dem Handel auf das Vorkommen von Salmonellen, Verotoxin-bildenden Eschericia coli (VTEC), Listeria (L.) monocytogenes und Yersinia enterocolitica untersucht (BVL, 2018b). Salmonellen wurden nicht gefunden, aber L. monocytogenes kam in etwa jeder achten untersuchten Wurst vor.

In zwei von 378 auch quantitativ untersuchten Würsten wurden  L. monocytogenes in einer Menge von 220 bzw. 550 koloniebildenden Einheiten pro Gramm (KbE/g) festgestellt, obwohl in der EU in den Verkehr gebrachte verzehrfertige Lebensmittel während der gesamten Haltbarkeitsdauer den Grenzwert von 100 KbE/g nicht überschreiten dürfen. VTEC (1,7%) und Yersinia enterocolitica (0,3%) wurden deutlich seltener gefunden (BVL, 2018b).

Gesundheitliche Risiken

Diese Ergebnisse machen deutlich, dass in streichfähigen Rohwürsten mit dem Vorkommen von Krankheitserregern gerechnet werden muss. Konzentrationen an Krankheitserregern in Lebensmitteln, die gesunden Menschen üblicherweise nicht schaden, oder nur zu leichten Durchfallerkrankungen führen, können für Bewohner in Seniorenheimen wegen des hohen Alters oder aufgrund von Vorerkrankungen fatale Folgen haben. Von besonderer Bedeutung ist das Vorkommen von L. monocytogenes, dem Erreger der Listeriose. Immungeschwächte und alte Menschen sind besonders gefährdet, an einer Listeriose zu erkranken und aufgrund des schweren Krankheitsverlaufs daran zu sterben.

Literatur:

·       BVL (2018a): Berichte zur Lebensmittelsicherheit. Bundesweiter Überwachungsplan 2017. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Hrsg.), Seiten 27-29

·       BVL (2018b): Berichte zur Lebensmittelsicherheit. Zoonosen-Monitoring 2017. Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Hrsg.), Seiten 17-34

Kurzinfo

Foto: bfr

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Dr. Heidi Wichmann-Schauer

Bundesinstitut für Risikobewertung, Abteilung Biologische Sicherheit

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2019 zu finden.

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