von Daniela Mongillo (QM Lebenswert GbR, Literatur bei der Verfasserin)

In der ernährungsspezifischen Versorgung von geriatrischen Bewohnern spielt die Anwendung von einer enteralen Ernährung in Form einer PEG- oder PEJ- (perkutane endoskopische Jejunostomie) Anlage eine wesentliche Rolle. Der Vorteil dieser Art der Nahrungs- und Flüssigkeitsapplikation liegt in der Sicherstellung der notwendigen Versorgung mit Energie, Nährstoffen und Flüssigkeit, die geriatrische Bewohner benötigen. Nachteilig ist, dass sich diese Art der Ernährung negativ auf die Lebensqualität auswirkt. Auf dieser Grundlage wurde im „Expertenstandard Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“ in der Präambel folgender Aspekt angeführt: „[…] Aufgabe der Pflege muss auch bei enteraler/parenteraler Ernährung sein, die orale Nahrungsaufnahme zu unterstützen – falls kein Schaden damit verursacht wird“ (DNQP, 2017, S. 11). Diese Aussage wird desgleichen von der Leitlinie der DGEM „Ethische und rechtliche Gesichtspunkte der künstlichen Ernährung“ untermauert. In der Leitlinie heißt es wie folgt: „Auch bei liegender PEG sind alle Möglichkeiten einer natürlichen Nahrungszufuhr auszuschöpfen (Nahrungsgenuss, Zuwendung von Pflegenden, Training der Nahrungsaufnahme) [20-25]“ (DGEM, 2013, S. 114).

Warum ist die orale Stimulation so bedeutsam?

Gemäß der Leitlinie der DGEM in Zusammenarbeit mit der GESKES, der AKE und der DGG „Klinische Ernährung in der Geriatrie“ (2013), weist die orale Ernährung neben der Aufnahme von Nährstoffen und Energie eine erhebliche Bedeutung in Bezug auf psychologische, soziale und wahrnehmungsrelevante Funktionen auf. Im Bereich der Wahrnehmung spielen für das individuelle Wohlbefinden der Geschmack und der Geruch eine wichtige Rolle. Die Nahrungsaufnahme hat darüber hinaus eine soziale Funktion. Durch die Nichtteilnahme an den Mahlzeiten besteht ein erhebliches Risiko für Isolation.

Bezugnehmend auf die Folgen der körperlichen Unversehrtheit ist von Belang, dass durch mangelnde orale Flüssigkeitsaufnahme bei einer vollständigen enteralen Ernährung die Mundtrockenheit gefördert wird. Außerdem wird die Entstehung von Borken, Entzündungen und bei Immunschwäche Soor begünstigt. Darüber hinaus wird durch die fehlende orale Nahrungsaufnahme die Kaufunktion beeinträchtigt bzw. nicht gefördert, was die Entstehung von Parotitis begünstigt (DNQP, Expertenstandard Förderung der Mundgesundheit in der Pflege, 2021; Dipl. Psych. Sabine Philbert-Hasucha, 2008).

Die Landeszahnärztekammer Baden-Württemberg weist in ihrer veröffentlichten Präsentation “Zahn-, Mund- & Zahnersatzpflege“ (04/2020) darauf hin, dass das Kauen den zerebralen Blutfluss fördert und den Hippocampus und den präfrontalen Kortex aktiviert, welche für das Lernen und das Gedächtnis wichtig sind. Zudem wird auf den positiven Effekt des Kauens auf die Stressachse hingewiesen und angeführt, dass das reduzierte Kauen die Entstehung von chronischem Stress begünstigt.

Maßnahmen für die tägliche Praxis

Wie bereits erwähnt, ist es von hoher Bedeutung, eine vollständige enterale Ernährung bei liegender PEG zu vermeiden und den Versuch zu unternehmen, die enterale Ernährung durch eine orale Nahrungszufuhr zu ergänzen. Hierfür stehen den Bewohnern verschiedene Stufen von Speisen- und Flüssigkeitskonsistenzen zur Verfügung. Die „International Dysphagia Diet Standardisation Initiative“ (IDDSI) hat diesbezüglich 2019 eine Grundstruktur 2.0 für texturmodifizierte Lebensmittel und angedickte Flüssigkeiten veröffentlicht.

Besteht ein zu hohes Risiko oder ärztlicher Ausschluss für einen Versuch oraler Nahrungszufuhr, kann durch folgende pflegerische Maßnahmen der Geschmackssinn angeregt werden:

  • Allgemein: die Geschmackssinnanregung sollte zu den Zeitpunkten am Tag wie die „üblichen“ Zeiten der oralen Speisenaufnahme durchgeführt werden. Hierbei sollte sich an den drei Hauptmahlzeiten – Frühstück, Mittag- und Abendessen – orientiert werden. Zur Förderung des Wohlbefindens ist es unerlässlich, dass sich das Angebot über verschiedene Arten der Geschmacksrichtungen erstreckt und die Essbiografie des Bewohners berücksichtig wird. Die Berücksichtigung des Konzeptes der Basalen Stimulation® ist beachtenswert.
  • Um eine sichere Umsetzung der Maßnahmen zu gewährleisten, sind entsprechende Hilfsmittel einzusetzen. Folgende Hilfsmittel zur oralen Stimulierung in der Mundhöhle können genutzt werden:
    • die Anwendung mittels Kausäckchen: Hierbei handelt es sich um ein Hilfsmittel, mit dessen Netzvorrichtung Lebensmittel wie Obst, Gemüse, Schmelzkäse oder Kekse dem Bewohner ohne Risiko in den Mund eingeführt werden können. Durch den Haltegriff steuert der Anwender die Intervention. Der Bewohner kann unbedenklich auf dem Lebensmittel kauen.
    • die Anwendung mittels Mundpflegestäbchen ohne Geschmack: Bei diesem Hilfsmittel handelt es sich um ein Stäbchen, dessen Schaumkopf in verschiedene Flüssigkeiten getaucht und dem Bewohner zugeführt wird. Durch den robusten Plastikschaft steuert der Anwender die Intervention und kann die geplanten Mundareale erreichen.
    • die Anwendung mittels Löffel: Den Löffel in die entsprechende Flüssigkeit tauchen und dem Bewohner zuführen. Vorsichtig den Löffel innerhalb der Mundhöhle bewegen, um den Geschmackssinn anzuregen.

Die Anführungen sind nicht vollständig und sind jederzeit um weitere Hilfsmittel erweiterbar.

Wichtig:

  • Zur Sicherstellung des kontinuierlichen Angebotes ist die Intervention „Geschmackssinnanregung“ in der bewohnerorientierten Maßnahmenplanung ersichtlich.
  • Wünschenswert ist stets der Einbezug der Logopädie in die Maßnahmengestaltung.

Über die hier vorgeschlagenen Maßnahmen hinaus bestehen zusätzlich weitere Interventionsmöglichkeiten, die hier nicht aufgenommen werden können. Es soll jedoch aufgezeigt werden, wie wertvoll der Anteil der Geschmackssinnanregung für die Mundgesundheit ist und dass diese im Rahmen der Implementierung des Expertenstandards „Förderung der Mundgesundheit in der Pflege“ berücksichtigt werden muss.

 

 

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2023 zu finden.

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