von Dipl. Ing. Monika Holfeld

Aufgrund der demografischen Alterung ist in den kommenden Jahren, trotz insgesamt rückläufiger Bevölkerungszahlen, mit einem Anstieg der Pflegebedürftigen nicht nur in Pflegeeinrichtungen, auch im Krankenhaus, zu rechnen. Die WHO nennt aktuell weltweit 35,6 Millionen an Demenz erkrankter Menschen und rechnet mit einer Verdoppelung bis 2030.

Um ein Verständnis für die gestalterischen Anforderungen älterer und kognitiv eingeschränkter Menschen zu wecken, ist es wichtig sich mit den altersbedingten körperlichen Veränderungen und Sinneseinschränkungen sowie der Symptomatik von Demenzerkrankungen auseinander zu setzen.

Ob in der Pflegeeinrichtung oder Geriatriestation sollte eine milieutherapeutische Gestaltung zu Einsatz kommen.

Milieutherapie ist der Sammelbegriff für therapeutische Verfahren, bei denen Patienten positiv beeinflusst werden, indem ihr materielles, soziales und geistiges Umfeld gestaltet wird. Die Veränderungen sollten auf die Bewohner/Patienten und deren Fähigkeiten zugeschnitten sein, um Sicherheits- und Geborgenheitsgefühle zu fördern und Konflikte mit Personal und Besuchern zu vermeiden.

Licht, Farbe und Materialien können dazu eingesetzt werden, um eine harmonische Atmosphäre zu schaffen und die Sinne aktivieren. Bei der Gestaltung spielt das visuelle, auditive und taktile System eine wichtige Rolle, da diese Sinnesqualität für Orientierung und Wohlfühlatmosphäre entscheidend sind.

Im Laufe des Lebens kommt es zu altersbedingten Seheinschränkungen und Funktionseinbußen, deren Ursache strukturelle Veränderungen am menschlichen Auge sind. Diese sind u. a. Nachlass der Sehschärfe, Reduzierung der Akkomodationsbreite, Verringerung des Gesichtsfelds, Störung der Tiefenwahrnehmung, Störung der Farbwahrnehmung, Reduzierung der Empfindlichkeit für Lichtreize.

Licht und Beleuchtung

Die Umgebungs- und Milieugestaltung einschließlich der Beleuchtung hat eine besondere Bedeutung, da sie helfen kann, Wahrnehmungsdefizite auszugleichen. Sie stellt eine nichtmedikamentöse Maßnahme dar.

Darstellung des Beleuchtungsniveaus: Je älter der Mensch ist, desto höher ist die notwendige Beleuchtungsstärke

Darstellung des Beleuchtungsniveaus: Je älter der Mensch ist, desto höher ist die notwendige Beleuchtungsstärke

Demenzbewohner/-patienten reagieren besonders sensibel auf Blendung durch Kunst- oder Tageslicht, denn sie stört die Orientierungsfähigkeit und kann zu vorzeitiger Ermüdung und sogar Aggressivität führen. Auch Reflexionen sowie Schlagschatten und Farbflächen auf Fußböden können zu Fehlinterpretationen führen und somit Unsicherheit und Unwohlsein erzeugen. Eine Lichtplanung ist unerlässlich, denn Licht hat drei wesentliche Wirkungsbereiche.

Zum Ersten ist Licht auf das Sehen bezogen. So ist die Beleuchtungsstärke, die im hohen Alter benötigt wird, dreimal höher als bei jungen Menschen.

Ein zweiter wichtiger Aspekt von Licht betrifft die biologische Wirkung, welche erst in den letzten Jahren erforscht wurde. Durch Licht erfolgt die Steuerung des circadianen Rhythmus (Tag-Nacht-Rhythmus) des Menschen, was soviel heißt, dass wir über die Regulierung unseres Schlaf-Wach-Rhythmus eine entsprechende Lichtexplosion benötigen. Natürlich muss in diesem Zusammenhang auch darauf hingewiesen werden, dass Tageslicht bzw. die UV-Strahlen essenziell für die Synthese von Vitamin D und damit für unseren Knochenbau sehr wichtig sind.

Ein dritter wichtiger Aspekt ist das Wohlbefinden und die Stimmung, welche durch die Wirkung von Licht beeinflusst wird.

Eine gute Architektur mit viel Tageslichteinfall ist eine gute Voraussetzung und erfordert nur zusätzlich künstliches Licht, je nach Tageszeit.

Eine Beleuchtungsstärke von 300 Lux in Augenhöhe des Bewohners/Patienten ist erforderlich. Bei Mangel an Licht kommt es bei Menschen mit Demenz zu Kompetenzverlust, Angst, Unruhe, Aggressivität, Stürzen, Apathie und Schlafstörungen. Deshalb ist Licht so wichtig!

Es kann die Menschen nicht gesund machen, aber die Symptome vermindern und die Lebensqualität der Bewohner/Patienten erhöhen, was nicht zuletzt auch das Pflegepersonal entlastet.

Bei Alzheimer-Kranken wurde eine geringere Sensibilität beim Erkennen von Farbkontrasten (im Vergleich zu anderen Demenzen) festgestellt. Durch die spezifisch angepasste Lichtgestaltung kann versucht werden, die alters- und demenzbedingte Veränderung weitgehend zu kompensieren, ohne dass es dabei zu unangenehmen Empfindungen kommt.

Deshalb ist bei der Beleuchtung und Farbgestaltung folgendes zu beachten:

Beleuchtung

Eine blend- und schattenfreie Beleuchtung ist Pflicht, dabei sollte die Lichtfarbe warmweiß sein, 300 Lux in Augenhöhe ist als Richtwert. Besonders bei LED-Lichtquellen, sollte das Licht nicht direkt in die Augen fallen, da erst nach neuesten Forschungsergebnissen festgestellt wurde, dass es zu Netzhautablösungen kommen kann und das nicht nur bei älteren Menschen. Deshalb ist es sinnvoll, eine Beleuchtung mit indirektem und direktem Licht vorzusehen, so kann bei Bedarf nur das direkte Licht dazu geschaltet werden. In Pflegeeinrichtungen genügt in den meisten Fällen das indirekte Licht, da medizinische Eingriffe selten vorgenommen werden. Darstellung Licht – Beleuchtung

Farbgestaltung

Licht und Farbe ist immer als Ganzes zu betrachten, so sollte der Bodenbelag nicht glänzend sein, da ein „Schlittschuheffekt“ entsteht und Ängste auslöst. Zu empfehlen ist ein Bodenbelag im warmen Holzdekor. Die Industrie bietet eine große Palette an.

Farbe wirkt auf unseren körperlichen und emotionalen Zustand und damit auf unser Wohlbefinden. Sie beeinflusst den Hormonhaushalt, Atmung, Verdauung, Appetit, Stimmung und Motivation – positiv wie negativ.

Bei kognitiv eingeschränkten Menschen unterstützen Farben die Selbständigkeit, wo andere Orientierungssysteme versagen. Ein entscheidender Vorteil ist, dass Farben auch aus großer Entfernung erkennbar sind und daher für die Kennzeichnung von Räumen besser geeignet sind als Schilder, die ohnehin von kognitiv eingeschränkten Patienten kaum noch erkannt werden.

Beispiel im Flur mit Akustik-Wandbildern, welche Orientierung geben und auch den Lärm mindern. - Foto: Waldmann

Beispiel im Flur mit Akustik-Wandbildern, welche Orientierung geben und auch den Lärm mindern. – Foto: Waldmann

Ein Patentrezept für die Gestaltung gibt es nicht, da immer die Gebäudeaufteilung, Raumhöhe, Himmelsrichtung, um nur einige Faktoren zu nennen, berücksichtigt werden müssen. Dennoch können grundsätzlich einige Aspekte bei der Gestaltung berücksichtigt werden, wie z. B.:

  • Um kognitiv eingeschränkten Menschen das Erkennen von Einrichtungen und die Orientierung im Raum zu erleichtern, sollten sich Wände und Fußböden kontrastreich vom Mobiliar abheben.
  • Durch die Farb- und Materialwahl können die Sinne aktiviert werden. Dabei sind eine gezielte Vorgehensweise und ein Farbkonzept wichtig, da eine Reizüberflutung zu Angst und Aggression führen kann. Hier ist viel Feingefühl gefragt!
  • Ein absolutes Tabu ist die Farbe blau für den Bodenbelag, da es mit Wasser in Verbindung gebracht wird. Ebenso ist Schwarz nicht geeignet, da diese Farbe für Tiefe (z. B. ein Loch) steht und Ängste auslösen kann. Klinisches Weiß sollte nur im Deckenbereich eingesetzt werden, da es an frühere, negativ behaftete Krankenhausaufenthalte erinnern kann. Außerdem ruft die Farbe Weiß zusätzlich eine starke Blendung hervor. Große Muster am Bodenbelag und bei der Bestuhlung sorgen für Verwirrung und sollten somit nicht verwendet werden.
  • Zur Sturzprophylaxe sind Handläufe oder Griffe, die sich von der Wand farblich abheben und kontrastreiche Stufenmarkierungen sinnvoll.
  • Weder glänzende Lackfarben noch glänzende Folien sollten verwendet werden, da von diesen Materialien stärkere Blendungen ausgehen.
  • Warme Farbtöne, wie Gelb- und Rotnuancen, fördern das Wohlbefinden, außerdem Braun- und Grünnuancen (Farbtöne mit den längsten Wellenbereichen von 470-780 Nanometer). Natürliche Farben und Materialien wie Holz, werden als angenehm empfunden.

Fazit:

Das Ziel sollte es immer sein, ein ausgewogenes Farbkonzept zu erarbeiten, damit eine Wohlfühlatmosphäre entsteht, die Sicherheit vermittelt. Es ist wissenschaftlich erwiesen, dass bei einem ausgewogenen Licht- und Farbkonzept auch beim Personal der Krankenstand sinkt, es bei den Bewohnern/Patienten zu weniger Aggressionen kommt und Besucher sich auch wohler fühlen.

Allerdings sollte das Motto nicht sein: „Viel hilft viel!“. Neben den geforderten Brandschutzmaßnahmen, sollten auch akustische Maßnahmen berücksichtigt werden, wie z. B. durch Akustikdecken, Deckensegel oder Akustikwandbilder.

Tipp

Weitere Hinweise sind in meinen Buch „Demenzsensible Krankenhausgestaltung- Handlungsempfehlungen für Architektur und Pflege“ ausführlich erläutert.

Dipl. Ing. Monika Holfeld
freischaffende Architektin
www.architektur-und-farbgestaltung.com

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2022 zu finden.

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