von Manfred Godek

Elektrische Anlagen und Betriebsmittel müssen regelmäßig überprüft werden. Dafür gibt es einen umfangreichen Pflichtenkatalog der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung, genannt DGUV-3-Vorschrift. Was alles drinsteht, ist für manchen erstaunlich, aber unumgänglich und gilt auch für die Bewohnerzimmer in Seniorenheimen.

128 Feuer in Alten- und Pflegeeinrichtungen verzeichnet der Bundesverband Technischer Brandschutz e. V. in seiner Schadensstatistik allein im Zeitraum Juni 2021 bis Mai 2022. Dabei wurden 115 Personen verletzt, acht Menschen kamen ums Leben.[1] In einer Reihe von Fällen sind die Ursachen bekannt: überhitztes Ladegerät, defekter Standventilator, in Brand geratener Wäschetrockner usw. In anderen Fällen wird noch ermittelt oder die Betreiber wollen das Thema aus der Öffentlichkeit heraushalten. An einer Erkenntnis führt kein Weg vorbei: Fast jeder dritte Brand ist in Deutschland auf Elektrizität zurückzuführen. Bei einem Feuer, oder bei einem Stromunfall („elektrischer Schlag“) wird als Ursache häufig die scheinbar unverfänglichste aller Möglichkeiten in Betracht gezogen: „Kurzschluss“. Ein solcher ist allerdings kein unabwendbares Ereignis, sondern ein Hinweis auf einen technischen Defekt. Und der entsteht in erster Linie durch Alterung von Material und gebrauchsmäßige Abnutzung. Die DGUV-3-Prüfung soll solche Schäden ermitteln, bevor etwas passiert. Aber genau diese Prüfungen werden häufig vernachlässig oder sie erfolgen nicht frist- und fachgerecht. „Darin unterscheiden sich Kliniken und Heime kaum von Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft. Größere Betriebe und Ketten halten sich eher daran, Kleinere empfinden das Prozedere oft als lästig“, berichtet Marc-A. Eickholz, Geschäftsleiter des technischen Gebäudedienstleisters Niederberger Gruppe, die solche Prüfungen bundesweit durchführt.[2]

Marc-A. Eickholz, Geschäftsleiter Niederberger Gruppe - Foto: Niederberger Gruppe

Marc-A. Eickholz, Geschäftsleiter Niederberger Gruppe – Foto: Niederberger Gruppe

In einer Alten- und Pflegeeinrichtung kommt eine Vielzahl an elektrischen Geräten zum Einsatz. Bei medizinisch-technischen Geräten besteht ein besonderer „Handlungsdruck“, denn sie unterliegen zusätzlich der Medizinprodukteverordnung. Bei neuen Geräten sind die Prüfungen in der Regel Bestandteil von Wartungsverträgen. Im Laufe der Zeit kann das Ganze aber außer Acht geraten. Auf ein Pflegebett kann man sich beispielsweise erst einmal 100%ig verlassen. Für Betten, die 20 Jahre und älter sind, gilt dies nicht uneingeschränkt. „Typische Mängel sind defekte Endabschaltungen, defekte Akkus, gequetschte Kabel und beschädigte Isolierungen. „Vor allem wenn Betten verschoben werden oder den Standort wechseln, kann es zu Schäden kommen“, berichtet Experte Eickholz.

Medizintechnik ist aber nur ein Bruchteil dessen, was der Prüfpflicht nach DGUV-3 unterliegt. Es sind vielmehr sämtliche an das Stromnetz angeschlossenen technischen Geräte: in den Büros, Teeküchen des Personals, Gemeinschafts- und Wirtschaftsräumen, wie z. B. TV-Geräte, Notebooks, Handy-Akkus, Staubsauger, Verlängerungskabel etc. Auch die elektrischen Anlagen und Geräte in Bewohnerzimmern unterliegen den DGUV Prüfungen, betont die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW). „Auch, wenn bewohnereigene Elektrogeräte im Normalfall nicht von den Beschäftigten benutzt werden, so hat das Pflegeheim eine Gebäudeversicherung, welche die Prüfung aller Geräte verpflichtend macht,“ so die BGW.[3]

Sogenannte ortsfeste – fest eingebaute – elektrische Anlagen und Betriebsmittel müssen mindestens alle vier Jahre geprüft werden. Dazu gehören Steckdosen, Leuchten, Unterverteilungen oder Klimaanlagen. Befinden sich diese in einem sensiblen Umfeld, etwa in feuchten oder nassen Bereichen, verkürzen sich die Fristen. Bei ortsveränderlichen, also beweglichen Geräten ist der Check alle sechs Monate bis zwei Jahre fällig. Die genauen Fristen hat die Betriebsleitung nach einer von ihr zu erstellenden Gefährdungsbeurteilung festzulegen. Das gilt für jedes einzelne Gerät.

Prüfung durch Elektrofachkräfte kann großen Schadenverhindern. - Foto: Andriy Popov – PantherMedia

Prüfung durch Elektrofachkräfte kann großen Schaden
verhindern. – Foto: Andriy Popov – PantherMedia

Die Prüfungen müssen durch Elektrofachkräfte durchgeführt und in einem Prüfbuch rechtssicher dokumentiert werden. Experte Eickholz: „Darüber herrscht am meisten Unklarheit. Viele Betreiber halten es für ausreichend, wenn jemand mit einem Prüfgerät umzugehen weiß. Aber selbst ein Elektriker verfügt nicht automatisch über die erforderliche Qualifikation und Erfahrung. Er muss über den Befähigungsnachweis einer anerkannten Schulungsorganisation wie dem VDI verfügen. Kommen im Fall eines Falles Personen zu Schaden, haftet der Betreiber zivil- und strafrechtlich. Mehr noch: „Wir als Allianz klären, ob diese Prüfung regelmäßig und von einer Fachkraft vorgenommen wurde. Stellt sich dann heraus, dass die Überprüfung nicht regelgerecht erfolgte, analysieren wir, ob und welche Konsequenzen dadurch für die Schadenzahlung entstehen“, so Ulrich Stephan, Leiter SMC-Geschäft bei der Allianz Versicherungs-AG.[4] Sachversicherer geben in ihren Vertragsbedingungen oftmals sogar kürzere Prüffristen vor als die DGUV Vorschrift 3.

Der Versicherungsnehmer hat die elektrischen Anlagen alle __ Monate auf seine Kosten durch einen von anerkannten Sachverständigen prüfen und sich ein Zeugnis darüber ausstellen zu lassen…. In dem Zeugnis muss eine Frist gesetzt sein, innerhalb derer Mängel beseitigt und Abweichungen von den anerkannten Regeln … abgestellt werden müssen. …  Verletzt der Versicherungsnehmer eine der … genannten Obliegenheiten, ist der Versicherer … zur Kündigung berechtigt oder auch ganz oder teilweise leistungsfrei.

Gesamtverband der Versicherungswirtschaft/Klausel für die Feuerversicherung[5]

Für viele Betriebe stellen die strengen Auflagen eine Belastung dar. Sie haben aber die Möglichkeit, auf externe Dienstleister zurückzugreifen. Technische Gebäudeservices sind ein wachsendes Geschäftsfeld, auf dem sich auch weniger qualifizierte Anbieter tummeln. Am Ende bleibt jedoch immer der Heimbetreiber in der Haftung. Eickholz: „Er sollte sich grundsätzlich von der Zertifizierung der betreffenden Mitarbeiter überzeugen, am besten durch Vorlage der Dokumente.“

Weitere Informationen:
https://publikationen.dguv.de/
www.niederberger-gruppe.de

Quellen:
[1] https://www.bvfa.de/152/themen/branchen-im-brennpunkt/soziale-einrichtungen/braende-in-sozialen-einrichtungen/
[2] Mündliches Interview
[3] Schriftliches Interview
[4] Schriftliches Interview
[5] https://www.gdv.de/resource/blob/6234/4929d94267af536af8a3de8c9b47fd19/05-klauseln-fuer-die-feuerversicherung–sk-afb-2010–data.pdf

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2022 zu finden.

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