von Manfred Godek
Klimaanlagen erzeugen eine Wohlfühlatmosphäre und reduzieren Gesundheitsrisiken. Wenn sie schlecht gewartet werden, tritt das Gegenteil ein. Dann machen sie krank, verbrauchen zu viel Energie und können sogar Brände auslösen.
Für betagte Menschen, die an chronischen Krankheiten oder fortgeschrittener Gebrechlichkeit leiden, ist Hitze eine zusätzliche Gefahr. Das Bundesumweltministerium empfiehlt, bei jeder Renovierung von Krankenhäusern oder Alten- und Pflegeheimen den Einbau technischer Kühlverfahren in Betracht zu ziehen.[I] Der Gesundheitsexperte Karl Lauterbach brachte das Thema bundesweit in die Schlagzeilen. „Es kann nicht sein, dass jeder Supermarkt auf Kühlschrankniveau gekühlt ist und gleichzeitig die Menschen in Altenheimen und Krankenhäusern sterben, weil es dort kaum Klimaanlagen gibt“, sagte er. Das war im Sommer 2019, also noch vor Corona, aber auch in der Pandemie stehen raumlufttechnische (RLT-) Anlagen, wie es korrekt heißt, im Fokus. Als Risikofaktor. Das Bundesumweltamt (BUA) hält es für „grundsätzlich denkbar“, dass eine falsche Planung oder unzureichende Wartung das SARS-COVID-2-Risiko erhöhe, heißt es in einer Mitteilung vom 5. Mai 2020. Es könne Abluft aus einem Gebäudebereich als Zuluft in einen anderen Gebäudebereich gelangen und damit auch der Krankheitserreger.[II]
Mit anderen Worten: Klima- und Lüftungsanlagen optimieren die Wohn- und Lebensqualität. Dies aber nur dann, wenn sie dem Stand der Technik entsprechend funktionieren. Genau dies ist nicht immer der Fall.
„In Lüftungsanlagen kommen drei problematische Faktoren zusammen: Staub, Wasser und Luft. Im Staub finden wir immer auch organisches Material – Reste von Blättern, Tierhaare, Hautschuppen, Staubmilben, Blütenpollen usw.“, berichtet Professor Uwe Franzke, Geschäftsführer des Instituts für Luft- und Klimatechnik in Dresden.[III] In Anlagen mit Luftbefeuchtung wird die trockene Außenluft zudem an Dampf- oder Wasserdüsen vorbeigeleitet. Die Feuchtigkeit ist ein Nährboden für Bakterien oder Pilze. Franzke: „Wenn die sich dann vermehren, transportiert sie der Luftstrom sehr effizient in jeden Winkel des Gebäudes.“ Zudem besteht das Risiko einer Kontamination mit den gefürchteten Legionellen. Ende Herbst 2019 sahen sich das Robert-Koch- Institut (RKI) und das Bundesumweltamt (BUA) veranlasst, „auf die Notwendigkeit der regelmäßigen Wartung und Reinigung, wie sie in den aktuellen Regelwerken gefordert werden“, öffentlich hinzuweisen.[IV]
Die wichtigste Vorschrift ist VDI-Richtlinie 6022 „Raumluft, Raumluftqualität“. Sie hat quasi Gesetzeskraft, weil sich u. a. das Arbeitsschutzgesetz, Vorschriften der Landesregierungen zur Infektionshygiene in Kliniken und Heimen und die grundlegende technische Regel für raumlufttechnische Anlagen in Gebäuden und Räumen des Gesundheitswesens (DIN 1946-4 neu) auf sie beziehen.
Von der Theorie zur Praxis
„In vielen Objekten, die ich besuche, habe ich den Eindruck, dass viel Unklarheit herrscht, was wann zu reinigen bzw. zu prüfen ist und dies themenübergreifend sogar in den Bereichen Heizung, Sanitär, Lüftung, Klima, Elektro u. v. m., berichtet Marc-A. Eickholz, Leiter Facility-Management der Niederberger Gruppe, die u. a. in Gesundheitseinrichtungen die vorgeschriebenen Prüfungen durchführt.“[V] Die Verantwortlichen seien regelrecht überrascht, wenn man sie mit dem Pflichtenkatalog konfrontiere. Verstopfte Filter überlasteten nicht nur die Lüftermotoren, was den Stromverbrauch erhöhe. Der angesammelte Staub und angesaugte Aerosole könnten sich zu einer Brandlast verdichten und sich im Extremfall bei Kurzschlüssen entzünden. Gleiches gelte für ausgelaufene Kühlmittel. Die regelmäßige Dichtigkeitsprüfung sei ebenfalls ein Kernbestandteil der VDI 6022.
Kontrolldruck? Fast null!
„Bei den Überprüfungen durch die Gesundheitsämter spielt das Thema kaum eine Rolle, in vielen der marktbreit verfügbaren Checklisten taucht es nicht einmal auf“, so Matthias Bott, ein u. a. auf Altenpflegeeinrichtungen spezialisierter Berater und zertifizierter Hygienebeauftragter (DGKH). Umso wichtiger sei es, dass die Betreiber sich der Risiken bewusst seien.[VI] Auch die Einschaltung eines externen Prüf- und Wartungsdienstleisters befreit nicht von der Verantwortung und Haftung. Der Auftraggeber muss sich davon überzeugen, dass die Prüffirma die vorgeschriebene Zertifizierung besitzt, am besten durch Vorlage der entsprechenden Dokumente. „Vom Qualifikationsnachweis über die Zustandsanalyse, die einzelnen Prüfschritte bis hin zu jeder einzelnen zu ergreifenden Maßnahme, muss zudem alles lückenlos und fälschungssicher dokumentiert werden“, so Experte Eickholz von der Niederberger-Gruppe.
Karl Lauterbach dürfte das Thema nicht aus den Augen verlieren. Aber nicht nur in sommerlicher Hitze gilt es, das Raumklima technisch zu regulieren. Bei neu gebauten oder umgebauten Gebäuden sind aufgrund der guten Isolierung und Luftdichtigkeit zusätzliche Belüftungssysteme notwendig, um für den notwendigen Luftaustausch zu sorgen.
Und Corona?
Sogenannte „High Efficiency Particulate Air- (HEPA-) Filter“ können Krankheitserreger aus der Raumluft filtern. Allerdings sind die besonders dichten Gewebe auf die allermeisten Lüftungen im Bestand nicht ausgerichtet. Selbst wenn: Sie verstopfen und durchfeuchten schneller. Filter müssen noch häufiger getauscht und Kontaminationen beseitigt werden.
Die VDI-Vorschrift 6022
Inspektionen nur durch Fachpersonal mit Sachkundenachweis der Kategorie A oder Ausbildung in Hygiene, Umweltmedizin oder Mikrobiologie einschließlich mehrjähriger Inspektionsintervalle: zwei Jahre bei Anlagen mit Luftbefeuchtung, drei Jahre bei Anlagen ohne Befeuchtung
- Keimzahlbestimmung aus dem Befeuchterwasser in der Regel alle 14 Tage
- Mögliche Verkürzung/Verlängerung der Intervalle nach lufthygienischem Gutachten
- Probenanalyse einschließlich Schimmelpilzdifferenzierung durch ein unabhängiges, akkreditiertes Prüflabor (DIN EN ISO/IEC 17025), Zulassung nach § 44 Infektionsschutz-Gesetz (IfsG) empfohlen
Quellen:
[I] https://www.bmu.de/fileadmin/Daten_BMU/Download_PDF/Klimaschutzhap_handlungsempfehlungen_bf.pdf
[II] https://deutsch.medscape.com/artikelansicht/4909140
[III] schriftliches Interview
[IV] https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/L/Legionellose/OEGD/Primaerpraevention_Legionellosen.html, schriftliches Statement
[V] schriftliches Interview
[VI] schriftliches Interview
Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2021 zu finden.