von Paul Brandl und Irmtraud Ehrenmüller

Der Start war bereits 2014. Zusammen mit den Führungskräften haben wir an der Entwicklung eines QM-Systems (QMS) für die Langzeitpflege gearbeitet, die Kritikpunkte an bestehenden QMS gesammelt und praktikable Lösungen für das prozessbasierte QMS extended erarbeitet.

Die Führung als Motor – nicht nur beim QM

Die Führungskraft ist der Motor für die Weiterentwicklung eines Unternehmens und damit eines QMS. Herausfordernde Aufgabe der Führungskräfte ist es, neben dem Stand der Bezugswissenschaften auch die Anforderungen durch die demografische Entwicklung, die Optimierung der Organisation und die technologischen Entwicklungen in ein Unternehmen zu integrieren – damit Basis für ein QM.

Allgemeine Grundlagen:

Da sich das QM aus dem Produktionsbereich entwickelt hat, werden in QMS die Spezifika von Dienstleistungen meist zu wenig berücksichtigt. Daraus resultiert ein Anpassungsbedarf. Eine einfache Handhabbarkeit der QM-Instrumente und der sichtbare Nutzen daraus sichert zudem eine breitere Akzeptanz bei Führungskräften und Mitarbeitern. Anstatt einer allgemeinen Definition von Kundenorientierung braucht es eine sichtbare Ausrichtung der Prozesse und Dienstleistungen auf die Bedürfnisse der Kunden. Der Prozesslebenszyklus hilft dabei: eine Prozesslandkarte zur Übersicht, eine grafische Darstellung der optimierten Prozesse, darauf aufbauende Kennzahlen und eine strategische Ausrichtung.

Qualität neu definiert

Der bisher verwendete Qualitätsbegriff beschränkt sich auf die Themen rund um die Pflege der BewohnerInnen. Ein neuer Qualitätsbegriff umfasst darüber hinaus die wirtschaftlich nachhaltige Optimierung der Prozesse entlang der technischen und logistischen Entwicklungen, die Integration in die IT, die korrekte juristische Anwendung sowie die Einbettung in die Unternehmenskultur als gleichgewichtete Anforderungen.

Der pQM-Brilliant - Grafik: Brandl/Ehrenmüller

Der pQM-Brilliant – Grafik: Brandl/Ehrenmüller

Leitbild und Strategien als Instrument des QM: Zeigen, wohin das Denken gehen soll!

Alte Leitbilder, aus Marketinggesichtspunkten erstellt, stellen die BewohnerInnen und MitarbeiterInnen in den Mittelpunkt. Sie enthalten in der Regel nicht die zukünftigen Anforderungen an eine Organisation (ca. 5-7 Jahre): Minimaler Ressourceneinsatz, optimierte Prozesse, minimale Hierarchie, Nutzen der Technologie, Lernende Organisation. Die Umsetzung des Leitbildes in strategische Ziele über das Unternehmen hinausgehend bis zum Sozialraum kann damit nur rudimentär erfolgen.

Arbeitsabläufe in optimierte, standardisierte Prozesse verwandeln

Das Herzstück eines QMS sind optimierte, nachhaltige Prozesse von Dienstleistungen – am Kundennutzen ausgerichtet. Die Prozesse beginnen beim Kunden und sind für Lieferanten der Auslöser für das Erstellen von Dienstleistungen. Schnittstellen zum Dienstleister und zum Kunden des Dienstleisters werden zu Nahtstellen. Die Abläufe werden derzeit von den Erstellern der Dienstleistung zum Kunden hin gedacht. Die Prozessorganisation ermöglicht auch das (umgekehrte) Denken von den Bedürfnissen des Kunden ausgehend hin zum Erstellen der tatsächlich benötigten Dienstleistung – also auch die Anforderungen der agilen Organisation. Zudem eröffnen standardisierte Prozesse sowohl Optimierungs- als auch Kooperationspotenziale mit Lieferanten und anderen Partnern. Eine Ausrichtung des Qualitätsmanagements am Prozesslebenszyklus bis hin zu Kennzahlen und der strategischen Ausrichtung integriert so mehrfach einen PDCA-Zyklus zur ständigen Verbesserung.

Gleichartige Standardprozesse bei Dienstleistern können unternehmensübergreifend und zum Nutzen aller Beteiligten verwendet werden. Darüber hinaus eröffnet das Denken in Reifegraden von Prozessen und Dienstleistungen ein sichtbares Entwicklungspotenzial hinsichtlich eines sparsamen Ressourceneinsatzes. Eine Neudefinition des Effizienzbegriffes bietet sich hier an: mit einem Minimum an Ressourcen den zunehmenden Bedarf an sozialen Dienstleistungen auch zur Verminderung des Personalmangels sicherstellen. Ein gleichzeitiges Darstellen der Prozesse aus Sicht der Kunden, Dienstleister und Lieferanten ermöglicht das Berücksichtigen möglichst aller Interessen.

Qualitätssicherung & –entwicklung: Reifegrade machen Effizienzsteigerung sichtbar

Erst das Arbeiten mit Reifegraden und eine darauf aufbauende Bewertung einer Dienstleistung ermöglicht etwa das sichtbare Einbeziehen (auch zukünftiger) technischer Entwicklungen in ein QMS. Am Beispiel der Neuverblisterung von Medikamenten (siehe Bild) kann gezeigt werden, wie mit jeder höheren Reifegradstufe weniger Ressourcen für das Erstellen von derselben Dienstleistung notwendig sind: Die Erhöhung des Reifegrades von zwei auf drei durch die maschinelle Verblisterung von Medikamenten (statt händisch) und von drei auf vier durch das fehlerfreie Übermitteln der Daten aus der Pflegedokumentation über eine digitale Schnittstelle (statt über Fax) an die Apotheke. Auch das Einbeziehen der agilen Organisation oder des Risikomanagements im Zuge der kontinuierlichen Verbesserung ist möglich.

Als Weiterentwicklung des QM sollen die Prozesse in einer branchenspezifischen, unternehmensübergreifenden Prozessbibliothek abgebildet werden, damit das QMS bei der Funktion der Qualitätssicherung über das übliche Feststellen des Einhaltens von Normen und Vorschriften hinausgehend zum Innovationsmotor werden kann: Prozesse können unterschiedlichen Reifegraden zugeordnet werden. Kennzahlen sollten dies sichtbar abbilden. Damit werden Aussagen zur Erhöhung der Effizienz eines Prozesses auf Grund des sinkenden Ressourceneinsatzes mehrfach möglich. Eine Reifegradskala – als Gradmesser für Effizienz – kann immer wieder aktualisiert werden, indem die unterste Stufe auf Grund mangelnder Relevanz (= veraltet) herausgenommen, die zweite Stufe zur untersten Stufe erklärt und eine neue oberste Stufe auf Grund neuer technologischer Entwicklungen eingeführt wird: Auf der obersten Stufe könnte am Beispiel der Neuverblisterung die Schnittstelle Arzt – Pflegedokumentation dazukommen. Damit kann das QMS auch zum Innovationsmotor werden.

Grafik: Brandl/Ehrenmüller

Grafik: Brandl/Ehrenmüller

Nutzen von Auditprogrammen:  prozessbasiert mit Standards zur Selbst- und Fremdeinschätzung

In QMS sind zwecks systematischer, ständiger Verbesserung dreijährige Auditprogramme vorgesehen. Manche QMS bleiben bei der Selbsteinschätzung stehen und verfügen über keine „Norm“ (= Prozessbeschreibung) anhand der ein Prozess bewertet und auditiert werden kann. Für eine Fremdbewertung eines Prozesses wirken überbetriebliche Referenzprozesse als transparenter Maßstab, der zudem einen Vergleich mit der Selbsteinschätzung ermöglicht.

Der Erfolgsfaktor: Die oberste Führungskraft muss vorangehen und „dahinter stehen“

Die sichtbaren Treiber eines QMS sind die obersten Führungskräfte mit der Führungskräfteentwicklung. Die Einführung eines QMS muss als sichtbarer und spürbarer Auftrag der Unternehmensführung verstanden werden. Veränderungen und Innovationen gehören dann zur Normalität eines Betriebes.

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2019 zu finden.

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