von Silke Blumenröder

Jeder Vierte vermisst Sinnhaftigkeit im Job. Das zeigt eine Forsa-Umfrage aus dem vergangenen Jahr. Als Kriterium für einen attraktiven Arbeitgeber gaben 52 % der Befragten „persönliche Sinnerfüllung“ an. Seniorenheime sollten diese Ergebnisse bei der Personalsuche mehr nutzen.

Laut einer aktuellen Studie des Meinungsforschungsinstituts Forsa denken etwa vier von zehn Erwerbstätigen über einen Jobwechsel nach. In der Altersgruppe von 30 bis 39 Jahren ist die Wechselbereitschaft am höchsten, jeder Zweite wäre hier zu einem Jobwechsel bereit. Etwas mehr als ein Viertel, genau 26 %, treibt laut der Umfrage „das Vermissen von Sinnhaftigkeit im Job“ zu einem Wechsel an.

So ging es auch Frank Schneider (Name geändert): Der ausgebildete Kaufmann arbeitete viele Jahre im Einzelhandel. „Die Arbeit hat mir Spaß gemacht, doch ganz ausgefüllt hat sie mich nie“, blickt der heute 38-Jährige zurück. Als Schneider während des ersten Corona-Lockdowns von Kurzarbeit betroffen ist, macht er freiwillig ein Praktikum in einem nahegelegenen Altenheim. „Schon immer hatte ich über einen Wechsel in die Pflegebranche nachgedacht, jetzt kam die Gelegenheit, das mal auszuprobieren.“ Schneider stellt fest, dass ihm besonders die von Demenz betroffenen Bewohnerinnen und Bewohner sehr am Herzen liegen. Direkt nach Ende seines Praktikums entscheidet er sich deshalb für eine Ausbildung zum Altenpfleger. Heute arbeitet er fest angestellt in einer Wohngruppe für Menschen mit Demenz in dem Altenheim, in dem er damals Praktikant war. „Obwohl die Altenpflege auch sehr herausfordernd sein kann, mit Schichtarbeiten, körperlich anstrengenden Tätigkeiten und einem immer wieder von Tod und Trauer begleiteten Alltag, habe ich jetzt jeden Tag das Gefühl, etwas wirklich Sinnvolles zu tun. Und im Gegensatz zu meinem früheren Job im Einzelhandel, arbeite ich heute in einer krisensicheren Branche“, resümiert der Quereinsteiger.

Jobwechselwillige als neue Zielgruppe

Simone Stargardt unterrichtet in ihrer Akademie unter anderem Berufsumsteiger, die auf der Suche nach einem krisensicheren Job mit Sinn in die Pflege gewechselt sind. - Foto: carriere & more

Simone Stargardt unterrichtet in ihrer Akademie unter anderem Berufsumsteiger, die auf der Suche nach einem krisensicheren Job mit Sinn in die Pflege gewechselt sind. – Foto: carriere & more

„Mit Berufswechselwilligen, die auf der Suche nach einem sinnstiftenden Job sind, können Pflegeeinrichtungen neue Bewerber-Zielgruppen erschließen“, findet Simone Stargardt, Fachfrau für modernes Personalmanagement. Sie empfiehlt Seniorenheimbetreibern über soziale Netzwerke wie Xing oder LinkedIn mit entsprechenden „Kennenlern-Angeboten“ auf sich aufmerksam machen. Auch eine Anzeige auf digitalen Kanälen wie Instagram oder Facebook könne Interesse wecken. „Das aktive Anbieten von Praktika oder Hospitationen ermöglicht Menschen, die über einen Jobwechsel nachdenken, den Pflegeberuf unverbindlich kennenzulernen und zu prüfen, ob sie den Arbeitsbedingungen gewachsen sind.“ Auch ein kurzes Video, in dem z. B. eine engagierte Altenpflegerin glaubhaft erzählt, was sie an ihrer Arbeit erfüllt, könne online viele Jobwechselwillige erreichen, gibt die diplomierte Betriebswirtin ein weiteres Beispiel.

Die Inhaberin der privaten Weiterbildungsakademie carriere & more Südwest weiß aus Erfahrung: „Wer sich nach einigen Jahren in einer anderen Branche ganz bewusst für einen Pflegeberuf entscheidet, ist meist besonders motiviert und kann fachliche Defizite schnell aufholen.“ Mit ihrem Trainerteam unterrichtet Stargardt u. a. angehende Fachwirte im Gesundheits- und Sozialwesen. „Unter unseren Teilnehmern sind auch ehemalige Bürokaufleute, Ingenieure oder Handwerker, die sich auf der Suche nach einem Job mit Sinn für die Pflege entschieden haben und nun die nächsten Karriereschritte gehen wollen.“ Fast immer stecke eine emotionale Motivation hinter dem Jobwechsel. Stargardt: „Manche Männer und Frauen arbeiteten zunächst ehrenamtlich in der Altenhilfe und wollten diese Arbeit dann zu ihrem Hauptberuf machen. Andere haben selbst Angehörige gepflegt oder sind über pflegebedürftige Angehörige in Kontakt mit einer Einrichtung gekommen, was schließlich den Wunsch nach einem Berufswechsel ausgelöst hat.“

Gute Erfahrungen mit Berufsumsteigern

Die Diakonie Deutschland hat Menschen, die ihren Beruf wechseln möchten und mehr Sinn in ihrer Arbeit suchen, bereits als Zielgruppe für sich entdeckt: Für potenzielle Quereinsteiger gibt es im Karriereportal eine eigene Rubrik mit Eignungstest. Interessierte erfahren, wie der Einstieg in einen Pflegeberuf gelingen kann. In kurzen Filmen berichten ehemalige Tischler oder Bibliothekarinnen von ihrem gelungenen Wechsel in die Pflege.

Dass Einrichtungen mit Berufsumsteigern gute Erfahrungen machen, zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie. Zwar brächte nicht jeder Berufswechselwillige die Voraussetzungen mit für die fachlich, physisch und psychisch anspruchsvolle Arbeit. Doch diejenigen, die sich im Laufe ihres Berufslebens entschließen, mit einer Ausbildung in der Pflege noch einmal neu anzufangen, seien für Arbeitgeber meist eine große Bereicherung. Erkennbar sei außerdem, „dass Quereinstiege gerade auch Männern die Möglichkeit eröffnen, geschlechtstypische Berufswahlentscheidungen hinter sich zu lassen.“ Allerdings müssten sich Seniorenheimbetreiber organisatorisch weiterentwickeln, um Quereinsteigende erfolgreich ausbilden und einsetzen zu können. Zuweilen kommt es zu Überforderungen, weil in Vergessenheit gerät, dass es sich bei Quereinsteigern – trotz oft reichlicher Lebenserfahrung – um Neulinge in der Pflege handelt. Gelegentlich tun sich jüngere Vorgesetzte schwer im Umgang mit älteren Berufswechslern. Gelungene Quereinstiege setzen daher „neue Personalkonzepte und eine gezielte Teamentwicklung voraus“, konstatieren die Autorinnen der Studie.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2023 zu finden.

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