von Isabell Halletz, Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege e. V. und Sprecherin der Bundesarbeitsgemeinschaft Ausländische Pflegekräfte

Isabell Halletz - Foto: Bildhaus Potsdam

Isabell Halletz – Foto: Bildhaus Potsdam

Der fünfte Bericht zum Anerkennungsgesetz (veröffentlicht Ende 2019) bestätigt die Entwicklung der vergangenen Jahre: Die Pflegeberufe stellen mit gut 11.500 Anträgen im Jahr 2018 erneut die größte Berufsgruppe in der Anerkennung qualifizierter Abschlüsse. Dies sind 30 Prozent mehr Anträge als in 2017. Tendenz: weiter steigend. Gerade im Bereich der Gesundheitsfachkräfte konkurriert Deutschland mit anderen Ländern, z. B. den USA, der Schweiz, Schweden, Australien und dem arabischen Raum. Umso wichtiger sind schnelle Anerkennungsverfahren und somit eine rasche Beschäftigung der ausländischen Pflegekräfte in Deutschland.

Für die Pflegeunternehmen ist die Rekrutierung aus dem Ausland ein wichtiger Baustein für die Fachkräftegewinnung und zur Sicherung der pflegerischen Versorgung, denn in der Altenpflege herrscht mit einer Arbeitslosenquote von unter einem Prozent Vollbeschäftigung. In keinem Bundesland stehen ausreichend arbeitslose Bewerber zur Besetzung der gemeldeten Stellen zur Verfügung. Lag der Anteil der beschäftigten Pflegekräfte ohne deutschen Pass in 2013 noch bei 6,8 Prozent (74.108 Beschäftigte), so hat er sich innerhalb von sechs Jahren verdoppelt.

Um sich für ausländische Pflegekräfte zu entscheiden, muss die Frage beantwortet werden, ob die Rekrutierung aus dem Ausland eine geeignete Möglichkeit zur Personalakquise und zur langfristigen Beschäftigung ist. Dazu müssen die eigenen Unternehmensstrukturen analysiert und Informationen über den Aufwand und Umfang der Rekrutierung aus dem Ausland eingeholt werden. Eine wichtige Entscheidung ist, ob aus den EU-Ländern oder Drittstaaten angeworben werden soll, denn gerade bei den Verfahren zur Berufsanerkennung und bei der Erteilung von Visa und Arbeitsgenehmigung gibt es erhebliche Unterschiede in den Prozessen. Insbesondere die Rekrutierung und Beschäftigung von Pflegefachkräften aus Drittstaaten bringt einen hohen Organisations- und Zeitaufwand mit sich, dem man sich als Unternehmer bewusst sein muss. Der Zeitraum von der Anwerbung aus einem Drittstaat bis zum tatsächlichen Einsatz der ausländischen Person als anerkannte Pflegefachkraft dauert mittlerweile bis zu 18 Monate und länger.

Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Pflegekräfte ohne deutschen Pass (eigene Darstellung in Anlehnung an den Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit 05/2018 und die Bundestagsdrucksache 19/2183) - Grafik: AGVP

Sozialversicherungspflichtig beschäftigte Pflegekräfte ohne deutschen Pass (eigene Darstellung in Anlehnung an den Arbeitsmarktbericht der Bundesagentur für Arbeit 05/2018 und die Bundestagsdrucksache 19/2183) – Grafik: AGVP

Um als anerkannte Pflegefachkraft in Deutschland arbeiten zu dürfen, ist immer die Prüfung der Gleichwertigkeit mit der deutschen Ausbildung notwendig. Diese fällt besonders für die Pflegeberufe sehr umfangreich aus, da die dualen Pflegeausbildungen in der Form international einmalig sind. Die akademischen Abschlüsse werden in Deutschland je nach Einsatzort mit den bundeslandindividuellen Rahmenlehrplänen der dualen Ausbildung verglichen, was häufig zu einem Defizitbescheid und damit nur zu einer Teilanerkennung der im Ausland erworbenen Qualifikationen führt. Diese Defizite müssen bspw. durch Anpassungsmaßnahmen ausgeglichen werden. Die Plätze für die Anpassungsmaßnahmen sind rar und Wartezeiten bis zu sechs Monaten in einigen Bundesländern führen zu Verzweiflung und Frustration. Zusätzlich besuchen die Pflegekräfte einen Sprachkurs, um das Sprachzertifikat B2 zu erhalten, wenn sie nicht schon darüber verfügen. Nur mit Sprachzertifikat und Nachweis des Defizitausgleichs erhalten die Pflegekräfte ihre Berufserlaubnis und können als anerkannte Pflegefachkraft eingesetzt werden.

Die Zuwanderung von qualifizierten Pflegekräften muss daher zwingend erleichtert werden. Wir brauchen endlich den Mut in allen Bundesländern, die Verfahren zu erleichtern und eine zentrale Anerkennungsstelle für die Gesundheitsfachberufe in jedem Bundesland zu schaffen, wie es bspw. in NRW beschlossen wurde. Dazu Isabell Halletz: „Wir müssen den gestiegenen Frust auf allen Seiten abbauen. Nicht nur die Arbeitgeber, auch die ausländischen Pflegekräfte sind häufig enttäuscht und können nicht verstehen, warum sie trotz akademischer Ausbildung und oft langjähriger Berufserfahrung so lange in Deutschland warten müssen, als Fachkraft beschäftigt werden zu können. Wenn wir nicht wollen, dass sie in andere Länder abwandern, müssen die bürokratischen Hürden endlich abgebaut werden.“

Das am 1. März 2020 in Kraft tretende Fachkräfteeinwanderungsgesetz ist daher mehr als überfällig, um die Einwanderung einheitlicher und transparenter zu gestalten. Leider wurde eine der größten Hürden nicht gelöst: Es ist unverständlich, weshalb aufgrund der ohnehin langen Wartezeiten den Bundesländern weiterhin obliegen soll, das Anerkennungsverfahren eigenständig zu regeln. Das lässt alle Beteiligten verzweifeln, ändert nichts an den langwierigen Antragsverfahren und undurchsichtigen Entscheidungsprozessen.

Ausdrücklich zu begrüßen ist die Aufnahme des beschleunigten Fachkräfteverfahrens, um dadurch ein strukturiertes und zeitlich normiertes Vorgehen in der Zuwanderung zu schaffen. Vor allem Unternehmen in der Altenpflege haben massive Probleme, zeitnah Visa für ihre angeworbenen Fachkräfte aus Drittstaaten zu erhalten. Beschleunigte Verfahren sind wichtig, um einen verlässlichen Zeitplan für alle an dem Prozess Beteiligten zu ermöglichen. Die Umsetzung wird jedoch nur mit deutlicher Personalaufstockung in den Behörden, Botschaften und Konsulaten möglich sein.

Darstellung in Anlehnung an die Studie der Hans-Böckler-Stiftung: Betriebliche Integration von Pflegefachkräften aus dem Ausland (02/2019) und dem Bericht zum Anerkennungsgesetz (12/2019) - Grafik: AGVP

Darstellung in Anlehnung an die Studie der Hans-Böckler-Stiftung: Betriebliche Integration von Pflegefachkräften aus dem Ausland (02/2019) und dem Bericht zum Anerkennungsgesetz (12/2019) – Grafik: AGVP

Als weiteren Schritt müssen sich die Behörden der digitalen Antragsverfahren öffnen. Die Errichtung eines elektronischen Systems zur Beantragung von Visa und Anerkennung von Abschlüssen ist notwendig, um die Zeitverzögerung beim Versenden von Originalunterlagen auf dem Postweg abzuschaffen. Der Zugriff auf eine digitale Akte über ein gesichertes und den Datenschutzanforderungen entsprechendes Zugangsverfahren für alle beteiligten Behörden wäre dann ohne Zeitverluste möglich und Unterlagen können nicht verloren gehen. Außerdem hätten die Antragsteller die Möglichkeit, jederzeit den Bearbeitungsstatus zu erfahren. Doch bis zur tatsächlichen Umsetzung eines digitalen Antragsverfahren werden wahrscheinlich noch viele Monate vergehen, denn Bund und Länder sollen erst einmal Vorschläge zur Umsetzung erarbeiten.

Was die Arbeitgeber dringend benötigen, ist die finanzielle Unterstützung von Integrationsmaßnahmen, z. B. die Förderung von Integrationsbeauftragten und Aktivitäten. Eine positive Willkommenskultur zu schaffen, ist aufwendig und alle Mitarbeiter müssen „mitgenommen“ werden. Auch für Auszubildende und andere neue Mitarbeiter können die Integrationsbeauftragten wichtige Ansprechpartner im Unternehmen sein und die Zufriedenheit mit dem neuen Arbeitgeber sowie die Bindung zum Unternehmen erhöhen.

Dass Förderinstrumente, wie der Anerkennungszuschuss und die IQ Netzwerkstellen in den Ländern, unverzichtbar für die Unterstützung in der Anerkennung und den Qualifizierungsmaßnahmen geworden sind, beweisen die Ergebnisse des Anerkennungsberichts. Da sehe ich den Bund und die Länder in der Pflicht, deren langfristige Finanzierung zu sichern. Erst kürzlich wurde bekannt, dass einige IQ Netzwerkstellen aufgrund fehlender Finanzierung Ende 2019 geschlossen wurden. Allerdings muss auch die finanzielle Förderung der Arbeitgeber zur Integration ausländischer Pflegekräfte weiter ausgebaut werden, z. B. durch die Übernahme der Kosten für Integrationsbeauftragte und die Bereitstellung weiterer Ausbildungsbeihilfen.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2020 zu finden.

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