von Theresa Gutknecht, Dr. Julia Schoierer, Hanna Mertes (Institut und Poliklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin, AG Globale Umweltgesundheit & Klimawandel, Klinikum der LMU München)

Der neueste Bericht des Weltklimarats kündigt bis 2030 einen Temperaturanstieg von 1,5 °C, verglichen zu vorindustriellen Zeiten, an. Die globale Erderwärmung geht einher mit zahlreichen Veränderungen in unserem Ökosystem, die Natur, Biodiversität und auch die menschliche Gesundheit bedrohen. In Deutschland ist insbesondere die Zunahme von heißen Tagen und Nächten mit einem großen gesundheitlichen Risiko verbunden. Bei drei aufeinanderfolgenden Hitzetagen ist von einer Hitzewelle die Rede, was eine starke körperliche Belastung für Risikogruppen wie ältere Menschen, chronisch Erkrankte und für pflegebedürftige Personen bedeutet. Auch in Deutschland sind hitzebedingte Gesundheitsprobleme (z. B. Exsikkose, Kreislaufprobleme), hitzebedingte Krankenhauseinweisungen und hitzebedingte Todesfälle zu beobachten.

„Die Pflege“ als solches ist dabei besonders betroffen. So sind Pflegebedürftige, aufgrund ihres hohen Alters, einer eingeschränkten Mobilität, ihres Unterstützungsbedarfs in der Selbstversorgung sowie chronischer Erkrankungen, besonders gefährdet. Aber auch Pflegekräfte und Beschäftigte im Gesundheitswesen leiden unter hohen Temperaturen, da sie eine körperlich anstrengende Arbeit verrichten und die Hitzebelastung durch das Tragen von Schutzkleidung zur Vermeidung einer Covid-19 Infektion zusätzlich verstärkt wird. Eine im Sommer 2020 durchgeführte Befragung von Pflegekräften zeigt, dass fast alle befragten Pflegekräfte beim Arbeiten in Schutzkleidung an heißen Tagen vermehrtes Schwitzen, Kurzatmigkeit, sinkende Konzentrationsfähigkeit, sowie Angst, Fehler zu begehen, bemerkten.

Werkzeuge für eine hitzeresiliente Pflege

Ein wichtiger Pfeiler einer hitzeresilienten Pflegeeinrichtung ist die Aufklärung und Sensibilisierung aller Beteiligten, was durch vielfältige und niedrigschwellige Bildungsangebote erzielt werden kann. Durch die interprofessionelle Zusammenarbeit von Pflege, Verwaltung, Küche, Haustechnik und Angehörigen ist die Entwicklung und Umsetzung von Klimaanpassungsmaßnahmen möglich und effektiv. Die Arbeitsgruppe „Globale Umweltgesundheit & Klimawandel“ an Poliklinik und Institut für Arbeits-, Sozial und Umweltmedizin der LMU München beschäftigt sich intensiv mit den gesundheitlichen Folgen des Klimawandels und wie wichtige Risiko- und Multiplikatoregruppen dahingehend sensibilisiert werden können.

Hitzemaßnahmenplan für Einrichtungen der stationären Altenpflege

Vor diesem Hintergrund wurde in enger Zusammenarbeit mit stationären Einrichtungen der Altenpflege ein praxisnaher Leitfaden zur gesundheitlichen Hitzeanpassung entwickelt. Der „Hitzemaßnahmenplan für stationäre Einrichtungen der Altenpflege – Maßnahmen aus der Praxis für die Praxis“ führt grundlegend an die Thematik heran und bietet außerdem umfassende Empfehlungen, Maßnahmen und Lösungsansätze, u. a. aufgeschlüsselt nach Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität. Der Hitzemaßnahmenplan weist auf die Relevanz einer interdisziplinären Zusammenarbeit hin und bietet damit eine Handreichung für verschiedene Professionen und Akteure. Der Maßnahmenplan kann kostenfrei unter www.klimawandelundbildung.de heruntergeladen werden.

Schulungen und Fortbildungen zu Klimawandel, Hitze und Pflege

Pflegende angehörige

Grafik: Klinikum der LMU München

In Kooperation mit dem Bayerischen Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL) wurden im Rahmen des KlapP Projektes (Klimaanpassung in der Pflege) Online-Schulungen entwickelt, die sich an pflegende Angehörige, sowie ambulant und stationär tätige Pflegekräfte richten. Teilnehmende werden für das Thema Hitze sensibilisiert, lernen wichtige Risikofaktoren kennen und erhalten konkrete Handlungsempfehlungen für die Prävention hitzebedingter Gesundheitsprobleme. Eine kostenfreie Teilnahme an der Online-Schulung, welche in einer kurzen oder einer langen Version bearbeitet werden kann, erfolgt über klapp@lgl.bayern.de.

Herausfordernd – Hitze und Covid-19

Frau unter einem Sonnenschirm

Grafik: Klinikum der LMU München

Seit dem Sommer 2020 werden Hitzeereignisse im Zuge der Covid-19 Pandemie von erhöhten Infektionsschutzmaßnahmen begleitet. Für Pflegekräfte bedeutet dies eine doppelte Belastung, aber auch Risikogruppen, wie ältere Personen oder chronisch Kranke, müssen gleichermaßen vor Hitze und vor einer Infektion geschützt werden. Herausfordernd sind Schutzmaßnahmen, die sich nur schwer vereinbaren lassen. Während die Reduktion von Kontakten und das Daheimbleiben zum Infektionsschutz beitragen, stellt soziale Isolation ein Risiko für hitzebedingte Erkrankungen dar. Durch die eingeschränkte Selbstversorgung und das verminderte Durstgefühl im Alter, steigt beispielsweise das Risiko für Dehydrierung. Mit dem Projekt „Co-Heat – Hitzeschutz in Zeiten von Covid 19“ wurden Empfehlungen zur Hitzeanpassung mit Aspekten des Infektionsschutzes kombiniert und entsprechende Informationsmaterialien erarbeitet. Broschüren und Poster in verschiedenen Sprachen, auf verschiedene Risikogruppen ausgerichtet, aber auch Onlineseminare für pflegende Angehörige geben praxisnahe Empfehlungen zu Schutzkleidung, Hygiene, Lüftungsverhalten, Prävention bei Hitze und notwendigen Infektionsschutzmaßnahmen. Die kostenlosen Broschüren und Poster sowie weitere Informationen sind unter www.klimawandelundbildung.de abrufbar.

Gut aufgestellt in den Sommer

Glas mit Eis

Grafik: Klinikum der LMU München

Um dem fortschreitenden Klimawandel und den daraus resultierenden gesundheitlichen Gefahren entgegenzuwirken, ist ein ganzheitliches Verständnis der Thematik und eine frühzeitige Auseinandersetzung mit Hitzeanpassungskonzepten erforderlich. Durch Sensibilisierung, Aufklärung und Bildung können betroffene Personen geschützt und Einrichtungen hitzeresilient gemacht werden. Informationen und Möglichkeiten zur Anpassung stehen unter www.klimawandelundbildung.de zur Verfügung, auch individuelle Schulungen können angefragt werden. Zahlreiche Handlungsempfehlungen, bspw. auch vom Bundesumweltamt, existieren bereits. Vieles ist in Bewegung hin zu einer hitzeresilienten Gesellschaft zum Schutz der vulnerablen Gruppen.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2022 zu finden.

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