Lesen sie hier den ersten Teil der Serie: Ihre Mitarbeiter sind so gut wie Ihre Führungsqualitäten – Teil I
von Thomas Eckardt
Thomas Eckardt, der Autor, der nicht nur theoretische, sondern auch praktische Erfahrungen in seinen Büchern verarbeitet. Als Psychologe und Coach weiß er, welche Informationen die Leser brauchen. 30 Jahre Erfahrung und aktuelles Wissen machen seine Ratgeber zu einem regelmäßigen Begleiter von Fach- und Führungskräften. – www.eckardt.online
Sie wünschen sich selbstständige Mitarbeiter, die Entscheidungen mittragen, in ihrem Verantwortungsbereich schnell und konsequent selbst entscheiden und mit Ihnen gemeinsam erfolgreich sein wollen? Dann sind Führungsqualitäten gefragt!
In Teil 1 dieser Artikelserie ging es um drei Prinzipien guter Führung – Mitarbeiter einbeziehen, Ziele vereinbaren und die Zusammenarbeit fördern. Kommen wir nun zu 4 weiteren Prinzipien, die Sie zu einem guten Entscheidungsträger machen.
4. Prinzip: Informieren Sie
Information ist ein notwendiger Prozess der Kommunikation, um zweckdienlich und dosiert Wissen zu verteilen. Dabei soll Verantwortung gefördert werden. Als Führungsinstrument beinhaltet Informieren die Aufgabe, Kommunikationswege in alle Richtungen aufzubauen, offen zu halten und diese zu benutzen. Information und informieren beschreibt zum einen zweckorientiertes Wissen, d. h. den Inhalt und Gehalt einer Nachricht; zum anderen die Tätigkeit des Informierens.
Diese Tätigkeit umfasst die Mitteilung und die Weitergabe von Informationen durch Sie an Ihre Mitarbeiter (aber auch umgekehrt). Der Prozess des Informierens ist damit aber noch nicht abgeschlossen, denn die Information soll ja beim Mitarbeiter ankommen, von ihm aufgenommen und durch sein Verhalten beantwortet werden.
Informationen (durch einen kommunikativen Prozess) sind die Voraussetzungen, um überhaupt etwas tun zu können. Sie machen deutlich, wer wie führt (Art und Weise des Führungsstils).
Jeweils ist dabei zu unterscheiden, welche Informationen Sie geben müssen und welche Sie geben können. Diese handlungsbestimmte Unterscheidung muss in der Regel in Abhängigkeit der situationsspezifischen Gegebenheiten getroffen werden (Informationsdefizit vs. Informationsüberflutung, beanspruchen auch Bring- und Holschuld).
Der jeweilige Informationsbedarf lässt sich aus den für die Zielerreichung notwendigen Daten ableiten. Begleitet werden die zweckorientierten Daten durch Informationen, die das Arbeitsklima, die Zusammenarbeit und die Zufriedenheit der Mitarbeiter erhöhen (sog. Hintergrundinformationen). Insgesamt sind Gelegenheiten für einen Informationsaustausch sowie Spielregeln hierfür zu vereinbaren.
In der Regel sind die subjektiven Informationswünsche Ihrer Mitarbeiter sehr hoch. Durch rechtzeitige, angemessene und regelmäßige Information werden sie in Aufgabenstellungen miteinbezogen und mitbeteiligt. Veränderungen sollten, wenn möglich, schon im Vorfeld angekündigt werden.
Der Satz „Wissen ist Macht“ (F. Bacon) bringt die Dimension der Informationspolitik ins Spiel. Das bewusste Vorenthalten von Informationen oder deren gezielte Streuung können Anzeichen von Machtpolitik sein.
5. Prinzip: Delegieren Sie
Arbeitsteilige Arbeitsabläufe setzen eine „Verteilung“ von Aufgaben voraus. Als Vorgesetzter entlasten Sie sich durch Aufgabenverlagerung von oben nach unten, Sie übertragen also Arbeitsvorgänge und Entscheidungen auf die Ebene Ihrer Mitarbeiter. Dabei delegieren Sie vor allem die „Ausführungsverantwortung“, nicht aber Ihre „Führungsverantwortung“. Sie können sich also nicht grundsätzlich aus der Verantwortung stehlen. Gleichzeitig müssen mit der Delegation die notwendigen Befugnisse an Ihre Mitarbeiter weitergegeben werden.
Die Übertragung festumrissener Aufgabenbereiche, inklusive Kompetenz und Verantwortung, schafft autonome Handlungsspielräume für Ihre Mitarbeiter. Sie berechtigt und verpflichtet die Delegationsempfänger zur Aufgabenerfüllung.
In der Regel werden in einem Gespräch zwischen Ihnen als dem Vorgesetztem und Ihren Mitarbeitern Absprachen getroffen, die das „Delegations-Paket“ klar definieren. Die damit verbundenen Ziele, Aufgaben und Entscheidungsbefugnisse müssen abgestimmt und evtl. betroffene Dritte informiert werden. Durch das selbstständige Entscheiden und Handeln Ihrer Mitarbeiter verbessert sich deren Arbeitsqualität. Leistungspotenziale werden mobilisiert und Steigerungen der Arbeitszufriedenheit wahrscheinlicher. Dies gilt besonders dann, wenn Ihre Mitarbeiter sich angemessen gefordert fühlen.
Delegation sollte nicht nach starren Mustern („Für diese Aufgabe haben wir Herrn Meyer”) verlaufen, sondern als Entwicklungschance genutzt werden. Die Mitarbeiter sollten die Chance haben, sich als Fachkraft für eine delegierte Aufgabe persönlich weiterzuentwickeln. Delegation an „Lieblinge“, Spezialisten oder an Leute auf sog. „schwarzen Listen“ („Nutze diese Chance, die keine ist“) stellt keine Förderung dar.
Ein ausgewogenes und gerechtes Bild erreichen Sie als Vorgesetzter durch rotierende, streuende bzw. flexible Delegation. Gehen Sie die Delegationsaufgaben an wie ein Zirkeltraining: Mit etwas Übung werden viele Ihrer Mitarbeiter regelrecht trainiert. Geben Sie kleine Projekte ab, um aus dem Anfänger einen Profi zu machen. Lassen Sie Ihre Mitarbeiter auch in andere Arbeitsbereiche hineinschauen, den Buchhalter in den Vertrieb, den Verkäufer ins Marketing und umgekehrt.
Der Vorteil: Ihre Mitarbeiter erwerben viel Kompetenz und sind vielfältig einsetzbar. Ausfälle in Projekten sind leichter auszubalancieren. Das gilt vor allem dann, wenn Sie die „Dreibein-Lösung“ präferieren, also einem Vorgesetzten immer zwei Stellvertreter hinzufügen.
Verwechseln Sie Delegation nicht damit, sich unangenehme Arbeiten einfach vom Hals zu halten. Nehmen Sie die Delegation auch nicht zurück, indem Sie als Vorgesetzter ungerechtfertigt Eingriffe in den Aufgabenbereich Ihrer Mitarbeiter vornehmen. Klären Sie die geordnete Berichterstattung, damit niemand das Ziel aus den Augen verliert.
6. Prinzip: Kontrollieren
Kontrolle als Führungsinstrument verstanden, bedeutet Sicherstellung und Unterstützung bei der Erledigung von klar definierten Zielen und Aufgaben. Die Absprache von „Etappenzielen“ und die gemeinsame Überprüfung des Erreichten (Soll-Ist-Vergleich) bietet jederzeit sowohl dem Mitarbeiter als auch dem Vorgesetzten die Gewähr, steuernd in die Ereignisse eingreifen zu können. Kontrolle ist somit weniger ein “auf die Finger schauen”, sondern vielmehr das Angebot, in vorher abgesprochenen Zeiträumen das Erarbeitete zu überprüfen und mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Kontrolle ist die Chance zur Korrektur und Bestätigung (Mitverantwortung des Vorgesetzten)! Hierdurch wird Kontrolle auch zu einem Instrument der Verhaltensbeeinflussung.
Kontrolle muss Sinn machen. Die durch Kontrolle gewonnenen Informationen sollen auf relevante Weise sichtbare Effekte für das weitere Vorgehen haben. Jeder Mitarbeiter reagiert unterschiedlich auf Kontrolle. Dem einen verschafft sie Sicherheit, dem anderen ist sie unangenehm („Wieso vertraut mir der Chef nicht?“) oder führt sogar zur Aufgabe („Wenn ich für jeden Schritt Rechenschaft ablegen muss, dann kann er das auch allein machen!“).
Das Wahrnehmen, Feststellen und Korrigieren allein genügt nicht. Zur wirksamen Kontrollarbeit gehören drei Schritte:
- Feststellen (Wie geht der Mitarbeiter sein Projekt an?)
- Gemeinsame Ursachenanalyse bei Soll-Ist-Abweichungen (Welche Ursachen kommen dafür in Betracht?)
- Ideen entwickeln und Maßnahmen ergreifen (Wie kann man die Ursachen beseitigen?)
Dies auf angemessene Weise zu vermitteln, ist eine anspruchsvolle Aufgabe für den Vorgesetzten. Er sollte seine Mitarbeiter in einem offenen Gespräch über den Anlass seiner “Kontrollen” informieren und ihnen verdeutlichen, warum er nachfragt. Das „Was“ und „Wie“ der Kontrolle muss klar und eindeutig formuliert werden. Im Arbeitsalltag ist Kontrolle ein sensibles Thema und will dementsprechend gehandhabt werden. Rechnen Sie mit Schwierigkeiten, mit Abwehrreaktionen und Widerständen. Sowohl für Vorgesetzte als auch für Mitarbeiter ist Kontrolle immer mit Unsicherheit und gewissen Ängsten verbunden. Dies ist zunächst völlig normal und hat mit der Vielzahl der negativen Kontrollerfahrungen zu tun, die jeder Mensch erlebt hat und die in Kontrollsituationen stets (bewusst oder unbewusst) mitschwingen. Daher sollten Sie bei Kontrollen zunächst Schutzreaktionen als etwas Normales einkalkulieren. Umso wichtiger ist es, dass Sie nicht durch falsches oder ungeschicktes Verhalten zusätzliche und unnötige Schutzreaktionen provozieren.
Widerstände gegen Kontrollen überwinden Sie z. B. über eine offene Aussprache – auch über die Notwendigkeit von Kontrollen. Überhaupt müssen Sie auch nach einer Delegation im Gespräch bleiben, damit die Kontrolle nicht den Anstrich von „überraschender Überprüfung“ erhält.
In einem offenen Gespräch sollte darüber gesprochen werden, was an neuen Kontrollen unangenehm, störend oder schwierig für das Vertrauensverhältnis erlebt oder vermutet wird. Wenn solche Befürchtungen frei geäußert werden dürfen, wird die Energie nicht in Vorbehalten und Widerständen gebunden, sondern frei für den sachlichen Teil der Kontrolle. Bei jeder Kommunikation kann zwischen einer sachlichen Ebene (Inhalt) und einer emotionalen Ebene (Beziehung) unterschieden werden. Gerade bei so sensiblen Themen wie Kontrolle wird die emotionale Beziehungsebene in besonderem Maße angesprochen und all das, was auf dieser Ebene nicht direkt benannt und angesprochen wird (z. B. Vertrauensverhältnis), äußert sich unumgänglich (versteckt) auf der sachlichen, der Inhaltsebene.
Lückenlose Kontrollen sind übrigens weder praktisch möglich noch psychologisch wünschenswert. Vorgesetzte, die grundsätzlich davon ausgehen, dass ihre Mitarbeiter zu Fehlern neigen, werden deren Arbeit eher lückenlos kontrollieren. Die Mitarbeiter stellen sich innerlich in der Weise darauf ein, dass sie registrieren: „Da ist ja einer, der doch alles kontrolliert.“ Sie setzen sich nicht mehr verantwortlich ein, reagieren mit nachlässiger Arbeit, Fehlern etc. und verlassen sich auf die Kontrolle. Der Vorgesetzte verstärkt also genau das, was er vermeiden möchte, indem er den Antrieb zur Selbstverantwortung und Selbstkontrolle blockiert. Kontrollen sollen somit so weit wie möglich abgebaut und durch stichprobenartige Orientierung ersetzt werden.
Das Kernproblem eines jeden Kontrollvorgangs liegt in der Frage: Wie können Sie – bei allem, was Ihnen, gewollt oder ungewollt, die Sicht vernebelt – ein möglichst klares unverfälschtes Bild bekommen, aus dem sich richtige Folgerungen ziehen lassen? Indem Sie sich aufmachen und durch Ihr Unternehmen gehen.
Eine entscheidende Verantwortung als Vorgesetzter liegt darin, die Mitarbeiter zu befähigen, anspruchsvolle Aufgaben zu bewältigen. Ziel sollte es sein, die Eigenverantwortung und Selbstständigkeit der Mitarbeiter zu fördern, sie bei ihrer Entscheidungsfindung zu unterstützen und als Spiegel ihres Handelns zu fungieren. Dieser Prozess lässt sich mit dem Begriff „Coaching“ beschreiben.
7. Prinzip: Fördern Sie Ihre Mitarbeiter
Eine wesentliche Aufgabe von Führungskräften besteht in der Förderung ihrer Mitarbeiter. Hier kommt zum einen die fachliche Entwicklung zum Tragen, indem die Mitarbeiter Aufgaben zu bearbeiten haben, die ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechen, jedoch gleichzeitig Lerngewinne permanent ermöglichen: „Job enlargement“ erweitert den Aufgabenspielraum quantitativ und gibt den Mitarbeitern Einblick in verschiedene Tätigkeits- und Verantwortungsgebiete. „Job enrichment“ erweitert den Aufgabenspielraum qualitativ in dem Sinne, dass die Mitarbeiter steigende Verantwortung und Entscheidungsfreiheit für entsprechend komplexe Arbeitsinhalte und Projekte erhalten.
So fördern Führungskräfte neben der fachlichen Entwicklung auch die persönliche Entfaltung ihrer Mitarbeiter. Sie werden als Know-how-Träger anerkannt und somit in ihrem Gefühl des Selbstvertrauens unterstützt. Zunehmende Selbstständigkeit bei der Erfüllung von Aufgaben sowie der Arbeit in Projektgruppen und Teams erfordern soziale Kompetenz im Umgang mit anderen Menschen und ermöglicht so individuelles Wachstum. Anerkennung sowie konstruktive Kritik geben den Mitarbeitern einen qualitativen Orientierungsmaßstab und zeigen konkrete Ansatzpunkte zur Optimierung ihrer Ressourcen. Parallel zu den Anforderungsveränderungen werden Weiterbildungsformen „off the Job“ notwendig, die den Mitarbeitern vor allem im Verhaltensbereich Anregungen zur Gestaltung von (kommunikativen) Beziehungen geben.
Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2024 zu finden.