von Thomas Müller

Umfrage unter 2.800 Pflegekräften zeigt: Die Pflege braucht mehr Raum für Selbstverwirklichung

Pflegekräfte haben zu 88% den Wunsch nach mehr Möglichkeiten zum eigenverantwortlichen Arbeiten. 78% geben an, dass sie ihre fachspezifischen Kompetenzen im Berufsalltag nicht genügend anwenden können. Zugleich glauben im Schnitt 37%, dass im Pflegebereich etwa das freiberufliche Arbeiten nicht realisierbar ist, obwohl die Praxis etwas anderes beweist. Die Umfrage zeigt, dass Pflegekräfte hierfür viele kreative Ideen haben, die auch den Patienten und sogar den Arbeitgebern zugutekommen würden und auch jetzt schon umsetzbar sind.

2800 Pflegekräfte bundesweit beteiligten sich an der repräsentativen Umfrage “Ich und die Pflege – die Pflege und ich”. Sie ermittelte, wie Pflegekräfte ihre beruflichen Möglichkeiten beurteilen und zeigt auf, dass viele Möglichkeiten unbekannt sind oder fehlen. Für Umfrage-Initiator Thomas Müller ist die hohe Beteiligung zugleich ein Zeichen dafür, wie wichtig Pflegekräften die Stärkung des Berufsbildes und berufliche Veränderungen in der Pflege sind. „Hierfür soll unsere Umfrage ein Sprachrohr sein“, erklärt Müller, der selbst gelernter Altenpfleger ist und sich seit über 5 Jahren, u.a. mit seinem Startup curassist, für die freie Berufsausübung aktiv einsetzt. Die Ergebnisse machen deutlich, dass eine stärkere Einbeziehung der Ansichten von Pflegekräften auch für die Patienten große Vorteile mit sich bringen würde, aber auch, dass die bürokratischen Hürden ihre Einbeziehung verhindern.

Die Pflege ist immer noch überwiegend ein auf Schichtdienst basierender Frauenberuf. Dies, wie auch Betriebswirtschaftliche Überlegungen, sorgen für einen übermäßig hohen Anteil an Teilzeitbeschäftigung in den Betrieben.  87% der Teilnehmer gaben an, dass sie sich mehr Alternativen zu den Wechselschichten wünschen. Das käme beispielsweise den Pflegekräften mit Kindern entgegen. So könnten Teilzeitkräfte neben ihrer Festanstellung bspw. Pflegeberatungen oder Angehörigenschulungen durchführen, ohne dass der Arbeitgeber eine Pflegekraft verliert. Auch die finanziellen Einbußen der Pflegekraft werden so kompensiert. Also eine Win-Win-Situation. Die Möglichkeit, sich als Pflegeberater selbstständig zu machen, kannten 71% und 65% wussten von der Möglichkeit, Pflegeschulungen für pflegende Angehörige zu geben. Trotz dieser relativ hohen Bekanntheit gibt es kaum Pflegekräfte, die diese beruflichen Möglichkeiten tatsächlich in Anspruch nehmen.

Eine weitere Erkenntnis ist, dass 88% der Pflegekräfte sich wünschen, eigenverantwortlicher arbeiten zu können. Besonders störe sie, dass ihnen das Treffen vieler pflegerelevanter Entscheidungen gar nicht zugestanden werde. Viele Pflegekräfte gaben an, dass sie ohne Rücksprache mit einem Arzt nicht einmal berechtig seien, ein Pflaster zu kleben oder eine Salbe aufzutragen. Auch aus diesem Grund sind 78% der Pflegekräfte der Meinung, dass sie ihre fachspezifischen Kompetenzen im Berufsalltag nicht genügend anwenden können.

Grafik: curassist GmbH

Grafik: curassist GmbH

Die freie Berufsausübung bietet angesichts des demografischen Wandels die Chance zu verhindern, dass Pflegekräfte ihren Beruf unnötig verlassen, erweitert die regionalen Angebote und die Möglichkeit eigene Ideen zu verwirklichen. Zwar gab ein Teil der Pflegekräfte an, dass die Freiberuflichkeit nicht alle Probleme löse und sich auch nicht für jeden eigne. Dennoch sind 2 von 3 Pflegekräften der Überzeugung, dass der Beruf ein besseres Image hätte, wenn es mehr freie Pflegekräfte gäbe. Sogar 3 von 4 sind der Überzeugung, dass die vielen bereits bestehenden Möglichkeiten bekannter gemacht werden müssen. In 15 Bereichen ist es bereits möglich, freiberuflich zu agieren, wie Umfrage-Initiator Müller durch seinem Unternehmen curassist beweist. Die Arbeit als Einzelpflegefachkraft ist sogar gesetzlich im SGB IX und auch im SGB V geregelt, halten aber nur 59% für möglich. Das Eröffnen von Pflegepraxen hielten fast 60% für nicht möglich. Dabei liegt es auf der Hand, dass diejenigen, die auch in Kliniken und Altenheimen Spritzen geben, Wunden verbinden, Blut abnehmen oder Vitalparameter messen, auch eine eigene Praxis eröffnen und so ist es besonders in ländlichen Regionen, die vom Ärztemangel betroffen sind, eine Chance auf Entlastung.

Durch die neutrale Zertifizierung von Pflegekräften mit curassist wird nicht nur die freie Berufsausübung ermöglicht. Das Heim kann mit dem Zertifikat seiner Mitarbeiter vorzeigen, dass ihr qualifiziertes Personal unabhängig geprüft wird. Neben diesem werbewirksamen Effekt zeigt der Betreiber so auch, dass er sich für die freie Entfaltung seiner Angestellten engagiert und diese fördert, weswegen schon einige Heime dies für ihre Angestellten finanzieren.

Um die Pflege zu stärken, gründete der gelernte Altenpfleger 2015 das Startup curassist: “Man bekommt den Eindruck, dass alle Wege der freien Berufsausübung verschleiert und erschwert werden, sodass niemand weiß, wie man sich selbstständig machen kann. Da curassist als Verein nicht ernst genommen wurde, musste ich es als Unternehmen gründen, das den Pflegekräften genau diese Hürden abnimmt. Denn letztendlich weiß die Basis am besten, was benötigt wird und sollte diese Ideen auch umsetzen können.”

Die von den Teilnehmern angegebenen Ideen für freiberufliche Ansätze waren vielseitig und reichten von der Urlaubsbegleitung bis hin zu Demenzdörfern und Wohngemeinschaften auf Bauernhöfen, von der Demenzbetreuung zu Hause bis zur heimischen Kurzzeitpflege. Konzepte, von denen nicht nur die Pflegekräfte selbst, sondern auch ihre Patienten profitieren könnten.

Die Ergebnisse der Umfrage legen in jedem Fall Veränderungen nahe, die sich an den aktuellen beruflichen Bedürfnissen der Pflegekräfte orientieren. Immerhin ist die Pflege einer der ältesten Berufe der Menschheit. Bedenkt man, dass zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Pflege von der Medizin getrennt wurde, um sie in eigenen Schulen als wichtigen Bestandteil weiter zu professionalisieren, so kann heute der Eindruck entstehen, es handle sich nur noch um einen Helferberuf. Im Vergleich gibt es sicherlich keinen Handwerker, der nicht weiß, dass er sich seit über 100 Jahren selbstständig machen kann, auch als Nebengewerbe. Seit 1936 dürfen Hebammen frei arbeiten und mit den Kassen abrechnen und wurden 1984 endlich von den Niederlassungsgenehmigungen befreit. Pflegekräfte hingegen wären schon zufrieden, wenn wenigstens ihr Beruf, das Staatsexamen, von den Krankenkassen anerkannt werden würde oder sie sich nicht vor der Deutschen Rentenversicherung wegen Scheinselbstständigkeit erklären müssten.

Weitere Ergebnisse der Umfrage oder Informationen können sie über mail@curassist.de erfragen.

Kurzinfo

Foto: curassist GmbH

Thomas Müller – Foto: curassist GmbH

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2019 zu finden.

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