von Frank Hachemer (Vizepräsident Dt. Feuerwehrverband e. V.)
Ein Notfall im Haus – Menschen im Gebäude können sich in Sicherheit bringen, indem sie die dafür vorgesehenen Flucht- und Rettungswege benutzen. Das setzt aber voraus, dass sie selbst dazu in der Lage sind. Was machen aber in einem solchem Falle Menschen, die Beeinträchtigungen haben? Um diese Frage zu beantworten, ist es zunächst wichtig, auf die Art und Intensität der Beeinträchtigung einzugehen. Handelt es sich etwa um eine Einschränkung der Gehfähigkeit? Dann sind möglicherweise andere Maßnahmen nötig als bei Menschen, die in ihrer Orientierung eingeschränkt sind.
Generell gilt aber zunächst: Es ist immer zu prüfen, ob eine Evakuierung der betreffenden Person oder gar Personen überhaupt notwendig ist. Oftmals befinden sie sich in einem Bereich, der von einem konkreten Brandereignis gar nicht betroffen ist. In Einrichtungen mit Menschen mit Beeinträchtigungen wird die Evakuierung daher nicht so gehandhabt wie etwa in einem Shoppingcenter, einem Kino oder einem Bürogebäude. Bei diesen heißt es in der Regel: Alle Personen haben im Brandfall das Gebäude auf schnellstem Wege zu verlassen!
Das ist in Einrichtungen wie Kliniken und Pflegeheimen so schlicht nicht umsetzbar. In Kliniken oder Pflegeheimen schlägt sich diese Erkenntnis in den entsprechenden Räumungskonzepten nieder: Hier werden im Brandfalle in der Regel nicht komplett alle im Gebäude befindlichen Personen aus dem Gebäude entfluchtet, sondern (zunächst) nur die durch das Ereignis gefährdeten Personen. Man stützt sich dabei auf die Erkenntnis, dass die meisten Brandereignisse nicht sofort ein gesamtes Gebäude gefährden. Durch die vorbeugenden Brandschutz-Maßnahmen sind meist nur ein begrenzter Teil des Gebäudes und somit auch nur die in diesem Teil befindlichen Menschen gefährdet. Das bedeutet, dass nach einer Einschätzung der bestehenden Gefahr (zunächst) nur die gefährdeten Personen das Gebäude oder sogar nur den gefährdeten Bereich verlassen müssen. Denn die betreffenden Einrichtungen verfügen in der Regel über entsprechende Einrichtungen, die sie in verschiedene, getrennte Abschnitte unterteilen. Diese Abschnitte sind baulich und durch Brandschutztüren, Trennwände und andere Sicherheitsmittel so gesichert, dass sich Feuer und Rauch nicht über ihre Grenzen hinaus ausbreiten können.
Wenn es die Umstände zulassen, kann der sicherste Aufenthalt eines Menschen auch genau der Raum sein, in dem er sich gerade befindet, während es in der Nachbarschaft, vielleicht gar in einem Raum an demselben Gang, brennt.
Das erleichtert es uns, gefährdete Menschen in Sicherheit zu bringen. Im konkreten Einzelfall müssen zudem entsprechende Vorrichtungen vorhanden sein, die es den zuständigen Kräften, in der Regel den betrieblich vorgeschriebenen Brandschutzhelfern oder auch eigens vorhandenen Evakuierungshelfern, ermöglichen, auch bettlägerige Menschen in Sicherheit zu bringen. So genannte Evakuierungsmatratzen oder auch entsprechende Matten unter der Matratze, mit denen der liegende Patient schonend aus dem Bett und dann liegend in einen gesicherten Bereich gebracht werden kann, sind hier zum Glück inzwischen Standard.
Auch organisatorische Maßnahmen, für deren Einführung und Sicherstellung die Betreiber der jeweiligen Einrichtung verantwortlich sind, können angeraten sein. Dazu zählt die vorbereitete Einteilung der zuständigen Brandschutz- und Evakuierungshelfer sowie eine Vorbereitung der nötigen Abläufe für den Brandfall mit Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten.
Da die grundsätzliche Verantwortung für eine Entfluchtung beim Betreiber der Einrichtung und nicht der Feuerwehr liegt, muss diese auch ernst genommen werden. Deshalb darf nicht fahrlässig Zeit durch Warten auf Hilfe verstreichen. Rettungsmaßnahmen müssen daher bereits vor Eintreffen der Feuerwehr erfolgen, damit diese bei Ankunft am Gefahrenort direkt mit der Brandbekämpfung beginnen kann. Nur so kann wirklich sichergestellt werden, dass dringend benötigte Hilfe für Menschen mit Beeinträchtigungen nicht zu spät kommt.
Ist eine gefährdete Person erst einmal im gesicherten Bereich, ist in der Regel so viel Zeit gewonnen, dass mit mehr Ruhe darüber befunden werden kann, ob man nun weiter in andere Bereiche des Gebäudes oder ins Freie wechseln muss oder, ob andere Maßnahmen zur Sicherheit der betreffenden Person oder Personen ergriffen werden sollten. Treppenräume sind, insbesondere in entsprechenden Einrichtungen wie Kliniken oder Pflegeheimen, durch besondere Brandschutz-Vorgaben schon baulich so angelegt, dass sie von einem Brand in einem Zimmer des jeweiligen Gebäudes sehr lange gar nicht berührt sind und auch das Eindringen des gefährlichen Brandrauches komplett oder zumindest lange verhindert werden kann. Je nachdem gibt es Möglichkeiten wie Tragestühle oder Stuhlraupen, mit denen dann betroffene Personen mit Helfern sogar über Treppen bei Bedarf ins Freie oder in andere Bereiche gebracht werden können. Auch das muss jedoch zuvor geplant, organisiert und übrigens auch geübt sein, damit im Ereignisfall alles klappt.
Die Evakuierung von Menschen mit Beeinträchtigung ist also ein Zusammenspiel aus Planung und der richtigen Vorbereitung, den korrekten gebäudlichen Brandschutz-Einrichtungen und dem instruierten und ausgebildeten Personal, aus dessen Reihen die Brandschutz- und gegebenenfalls Evakuierungshelfer ausgesucht werden müssen.
Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2021 zu finden.