von Manfred Godek
Häufig sind es Notausgänge, die von Demenzkranken und desorientierten Bewohnern zum Verlassen ihrer Betreuungseinrichtung genutzt werden. Intelligente Technik schiebt dem sozusagen „einen Riegel vor“, allerdings ohne die Rettungswege zu versperren. In ganzheitlichen Systemen lassen sich die verschiedenen Sicherheitskomponenten miteinander verbinden.
Gewöhnlich machen Polizei und Justiz der Heimleitung keinen Vorwurf, wenn ein Bewohner ausbüxt – und nicht zu Schaden kommt. In Anbetracht des allgemein bekannten Personalmangels ist – auch für kritische Angehörige – nachvollziehbar, dass Pflegerinnen und Pfleger nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein können. Für Schlagzeilen in der Regionalpresse und einen Kratzer am guten Ruf ist ein solcher Fall aber immer gut.
An durchlässigen Rettungswegen führt kein Weg vorbei. „Auch dort, wo ein Verlassen des geschützten Bereiches etwa durch Tarnung von Türen mit Bücherregal-Tapeten verhindert werden soll, sind dennoch eine entsprechende Notausgangs-Beschilderung und organisatorische Maßnahmen der Aufsicht nötig, um die Sicherheit für alle Betroffenen auf dem notwendigen Niveau zu halten; die Flucht- und Rettungswege müssen ja als solche erkennbar und benutzbar bleiben“, so Frank Hachemer, Vizepräsident des Deutschen Feuerwehrverbands (DFV). Das Passieren einer Notausgangstür könne allerdings mittels einer Alarmeinrichtung registriert und die abgängige Person schnell wieder zurückgebracht werden.
Speziell in diesem Bereich weisen die Sicherheitsarchitekturen, wie in öffentlichen Gebäuden und Kliniken generell, „erhebliche Defizite“ auf, sagt Dr. Urban Brauer, Geschäftsführer des BHE Bundesverbands Sicherheitstechnik e. V. „Dabei sind die Verantwortlichen sehr kreativ und fortschrittlich, um ihren hilfsbedürftigen Bewohnern geschützte Freiräume zu schaffen. Es werden z. B. Detektionssysteme mit Transponderarmbändern oder Ortungschips in Schuhsohlen eingesetzt. In der Gebäudeausrüstung respektive Türen und Fenstern manifestieren sich die Sparmaßnahmen der letzten Jahre dagegen nachhaltig.“
Während allerdings Personenüberwachungen nach Auffassung einiger Gerichte gegen die Menschenwürde verstießen, lasse sich die Sicherung von Türen mit modernen elektronischen Steuereinheiten rechtssicher gestalten. „Entscheidend ist, dass die Menschen keine pauschalen Beschränkungen ihrer persönlichen Freiheit durch Fixierung oder eine Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit erfahren“, unterstreicht Hans-Peter Schlaudt, Geschäftsführer JOMEC GmbH Healthcare Consulting + Management. Bei normgerechten Systemen ist dies nicht der Fall.
Die Experten des Sicherheitsfachverbands erläutern, wie sich auf die Bewohnerstruktur und Risikosituation einer Einrichtung zugeschnittene Lösungen realisieren lassen – abhängig vom Budget oder der Höhe der Hemmschwelle für „Flüchtende“ und dem Funktionskomfort. Kernelement aller Möglichkeiten ist, dass im Gefahrenfall die Tür für alle als Fluchtweg zur Verfügung steht.
Die einfachste Lösung wird im Fachjargon als Tagalarm bezeichnet. Die Elektronik piept und blinkt, wenn die Tür geöffnet wird. Hierbei besteht die „Hemmschwelle“ für den Bewohner lediglich aus einer Beschilderung wie „Achtung – Tür ist alarmüberwacht“. Ähnlich funktioniert der Türwächter, auch Drückerüberwachung genannt. Der alarmauslösende „Knopf“ befindet sich sichtbar unter der Türklinke. Ein Panikbeschlag, bei dem eine Stange die Türklinke ersetzt, erhöht die Hemmschwelle weiter. Eine integrierte Technik sorgt dafür, dass sich beim erstmaligen Drücken der Panikstange die Tür erst einmal nicht öffnet, sondern einen kurzen Warnton abgibt. Erst wenn beim zweiten Drücken zusätzliche eine Nottaste betätigt wird, gibt sie den Weg frei.
Bei anderen Lösungen sind die Türen in Rettungswegen elektrisch verriegelt. Im Gefahrenfall erfolgt die Entriegelung durch Betätigen des Notschalters, der unmittelbar neben der Tür platziert ist. In Verbindung mit einer Brandmeldeanlage geschieht dies automatisch; ebenso aus Sicherheitsgründen, wenn einmal der Strom ausfällt.
Entscheidend ist, dass die Alarmmeldungen das verantwortliche Personal schnell erreichen; indem sie in einer Zentrale auflaufen und etwa über einen „Pieper“ weitergeleitet werden. Alarmzentralen sind das Herz einer modernen Sicherheitsarchitektur. Hier lassen sich die verschiedenen Komponenten nach dem Smart-Home-Prinzip miteinander verbinden. Urban Brauer vom BHE: „Sämtliche Maßnahmen im Einbruch-, Brand- und Personenschutz sollten ganzheitlich betrachtet und historisch gewachsene Insellösungen abgebaut werden.“
Speziell im Bereich der Zutrittssteuerung lassen sich verschiedene Funktionen realisieren. Die Berechtigung von Mitarbeitern, Bewohnern und Angehörigen, bestimmte Türen zu öffnen, kann mit zentral programmierten Zahlencodes, Kartenlesern und biometrischen Merkmalen gesteuert werden. Bei einer aktiven Türüberwachung lässt sich programmieren, wie lange eine Tür offen stehen darf. Nach Ablauf der Zeit ertönt ein Erinnerungssignal oder die Tür wird automatisch wieder verriegelt. Weitergehende Lösungen sind Verbundsysteme von Zutrittssteuerung, Personenrufanlagen, Telefonrufanlagen, Desorientierten-Fürsorge-Systeme oder Überwachungstableaus in den Schwesternzimmern.
Optimierung beginnt mit der Erstellung eines Risikoprofils. Denn der Handlungsbedarf ergibt sich aus verschiedenen individuellen Faktoren einer Einrichtung. Sicherheitstechnik ist ein Trendthema und viele Marktakteure schreiben es sich auf die Fahnen. Aber nur Fachbetriebe mit ausgewiesener Erfahrung, umfassenden Marktkenntnissen und regelmäßig geschultem Personal bieten die Voraussetzungen für eine qualifizierte Leistung; sowohl bei der Errichtung als auch der Wartung.
Bei Neu- und Umbauten sollte bereits der Architekt die sicherheitsrelevanten Aspekte berücksichtigen. So sei es möglich, gefährdete Personen bei einem Brand in einen gesicherten Abschnitt zu bringen, den sie bei entsprechenden Vorkehrungen nicht unbemerkt verlassen könnten, so Frank Hachemer vom DFV. Auch hier führt an moderner Technik „kein Weg vorbei“.
Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2020 zu finden.