von Ricarda Holtorf

Eine ausgewogene Verpflegung älterer Menschen trägt nicht nur zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit bei, sondern bietet Wertschätzung, soziale Teilhabe und Sicherheit. Ein Thema, dem jede Senioreneinrichtung eine besondere Bedeutung beimessen sollte.

Wertschätzung durch die Verpflegung

Reibekuchen mit pikantem Dip - Foto: DGE/Fit im Alter

Reibekuchen mit pikantem Dip – Foto: DGE/Fit im Alter

Angelehnt an die Aussagen der Gesundheitswissenschaftlerin Prof. Dr. Annelie Keil befriedigt das Essen und Trinken den Bedarf und die Bedürfnisse eines Menschen auf vier unterschiedlichen Ebenen. Auf der physiologischen Ebene der Ernährung geht es um die Deckung des Bedarfs an Flüssigkeit, Energie und Nährstoffen eines Menschen. Angesichts der altersbedingten körperlichen Veränderungen und der daraus resultierenden Beeinträchtigungen älterer Menschen kann schon diese Ebene eine Herausforderung darstellen. Zu nennen wären beispielsweise die nachlassende Leistung der Sinne, zahlreiche Krankheiten, die oft von einer Multimedikation begleitet sind, mögliche kognitive Beeinträchtigungen oder das Gefühl von Einsamkeit und Fremde, das eine Depression auslösen kann, die allesamt die Akzeptanz und den Genuss der Speisen erschweren. Gleichzeitig bietet jede dieser individuellen Situationen eine Chance, dem älteren Menschen durch eine vielfältige bedarfsorientierte und bedürfnisgerechte Verpflegung und Unterstützung beim Essen und Trinken, Wertschätzung entgegenzubringen. An diesem Punkt hilft es weitere Ebenen der Ernährung, beispielsweise durch die Frage nach dem persönlichen Lieblingsgericht, einzubeziehen. Auf dieser emotionalen Ebene kann der Genuss einer vertrauten Speise das Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit vermitteln. Erfragt dies der Koch selbst und was daran lecker war oder welche Erinnerung damit verbunden ist, so steigert dies die Bedeutung. Werden diese Speisen oder einzelne Mahlzeitenkomponenten in Wohngruppen oder kleineren Kochgruppen zubereitet, so bietet dies, angefangen von der Planung, über den Einkauf, die Vor- oder Zubereitung der Speisen bis hin zum Eindecken der Tische und der gemeinsamen Mahlzeit, viele Möglichkeiten Senioren nach ihren Fähigkeiten und Interessen aktiv einzubeziehen. Zusammen mit den Bewohnern Themenwochen oder Feste zu planen und über den Heimbeirat die Meinung der Bewohner zu berücksichtigen, lässt diese an der Gestaltung ihrer Verpflegung teilhaben, was die soziale Ebene der Ernährung ausmacht. Ist diese aktive Teilhabe nicht möglich, bietet sich über die kulturelle Ebene Handlungspotential. So ruft das Angebot traditioneller Speisen oder beliebter Gerichte ebenso wie Festmahlzeiten zu religiösen Feiertagen sowie das Angebot kulturspezifischer Gerichte, ein vertrautes Gefühl hervor. Bei Bewohnern, die sich selbst nicht mehr dazu äußern können, lassen sich diese Informationen aus der persönlichen Biografie ermitteln. So tragen die Mahlzeiten auf vielfältige Weise zur Befriedigung der Bedürfnisse bei und ermöglichen oft verloren geglaubte Möglichkeiten des Genusses. Denn gerade im Alter, wenn die Leistungen der Sinne zunehmend nachlassen, gewinnen Geschmackserinnerungen und all die positiven Gefühle, die damit im Gedächtnis gespeichert wurden, an Bedeutung.

Bedarf und Bedürfnisse in Lieblingsgerichten vereinen

Apfel-Joghurt Shake - Foto: DGE/Fit im Alter

Apfel-Joghurt Shake – Foto: DGE/Fit im Alter

Natürlich kann nicht täglich das Lieblingsgericht eines jeden Bewohners berücksichtigt werden. Jedoch trägt der Einbezug besonders beliebter Gerichte auf dem Speiseplan oder das Wunschgericht zum Geburtstag zur Förderung der Akzeptanz und Zufriedenheit mit dem Verpflegungsangebot bei. Gleichzeitig bieten beliebte Gerichte, die im Sinne einer vollwertigen Verpflegung, wie sie der „DGE-Qualitätsstandard für die Verpflegung in stationären Senioreneinrichtungen“ beschreibt, optimiert werden, die Möglichkeit, auf genussvolle Weise den Bedarf zu decken und damit zur Prävention einer Mangelernährung beizutragen. Der DGE-Qualitätsstandard bietet den Rahmen und zahlreiche Ansatzpunkte die Wünsche und Bedürfnisse der Bewohner mit einer gesundheitsfördernden Lebensmittelauswahl zu verbinden. So werden beispielsweise täglich drei Portionen Gemüse und zwei Portionen Obst empfohlen. Diese Lebensmittelgruppen liefern reichlich Vitamine, Mineralstoffe, sekundäre Pflanzenstoffe sowie Ballaststoffe bei gleichzeitig wenig Energie und weisen damit eine hohe Nährstoffdichte auf. In der Zubereitung sollte Gemüse und Obst nährstoffschonend und kurz gegart und warmgehalten werden sowie zweimal täglich als Rohkost – für jeden Bewohner verzehrbar – im Angebot sein. Das bedeutet: Jede Lieblingsspeise sollte eine Gemüse- oder Obstportion enthalten. Wünschen sich die Bewohner Reibekuchen mit Apfelkompott, so bieten sich viele Möglichkeiten, diese nährstoffreich zu gestalten. Die Bewohner können nach Ideen dazu gefragt und in die Vor- und Zubereitung einbezogen werden. Kartoffeln lassen sich in der Wohnküche schälen und die Äpfel nach Schälen und Schneiden vor Ort kurz zu einem frischen Apfelmus dünsten. In der herzhaften Version schmecken die Reibekuchen mit einem Kräuterdip. Das Reibekuchenrezept wird nährstoffreicher, indem es mit geriebenen Möhren verfeinert, mit zarten Hafer- oder Schmelzflocken abgebunden und in wenig Rapsöl gebraten wird. Eine fein geriebene Apfel-Möhrenrohkost als Vorspeise macht das Wunschgericht zu einem genussvollen und gesundheitsfördernden Essen. Für Bewohner mit Kaustörungen kann das Apfelmus, zusätzlich püriert und die Rohkost als Smoothie zur Mahlzeit gereicht werden. Um eine knusprige Kruste der Reibekuchen zu vermeiden, können diese im Kombidämpfer fertiggegart werden. Die gemeinsame Zubereitung dient oftmals schon zum Austausch von Rezepten und Erinnerungen, die das Geschmackserlebnis beim Essen verstärken. Wer so Bedarf und Bedürfnisse auf allen Ebenen der Ernährung berücksichtigt, vermittelt dem Bewohner ein hohes Maß an Wertschätzung und hat gleichzeitig gute Chancen, den Genuss zu erhöhen.

Anregungen zur Optimierung der Verpflegung, Rezepte sowie den DGE-Qualitätsstandard finden Sie unter: www.fitimalter-dge.de.

Kurzinfo

Foto: privat

Foto: privat

Ricarda Holtorf
Diplom Oecotrophologin
Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V. (DGE)
IN FORM-Projekt: „Fit im Alter – Gesund essen, besser leben.“
Tel.: 0228/3776 – 652
Email: holtorf@dge.de

Über IN FORM:

IN FORM ist Deutschlands Initiative für gesunde Ernährung und mehr Bewegung. Sie wurde 2008 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) initiiert und ist seitdem bundesweit mit Projektpartnern in allen Lebensbereichen aktiv. Ziel ist, das Ernährungs- und Bewegungsverhalten der Menschen dauerhaft zu verbessern. Weitere Informationen unter: www.in-form.de

Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2019 zu finden.

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