von Daniela Mongillo
Mit der Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes gemäß dem § 14 SGB XI „Begriff der Pflegebedürftigkeit“ und dem damit verbundenen neuen Begutachtungsassessment (BI) gemäß des § 15 SGB XI „Ermittlung des Grades der Pflegebedürftigkeit, Begutachtungsinstrument“ wurde das Streben nach einer Entbürokratisierung der Pflegedokumentation offenkundiger.
Das Ziel lag darin, eine Pflegeprozessplanung zu etablieren, welche sich an die Anforderungen des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffes orientiert und gleichzeitig sich als praxistaugliches Instrument in der täglichen praktischen Arbeit einer Pflegefachkraft erweist. Aus diesem Bestreben wurde die Konzeption des Strukturmodells „Strukturierte Informationssammlung (SIS®)“ entwickelt und seit dem 01. Januar 2015 kontinuierlich in den Versorgungseinrichtungen der Langzeitversorgung implementiert. (vgl. MDS, Oktober 2019, Seite 5)
Weitere Ziele der Konzeption des Strukturmodells sind gemäß der „Hinweise zur Umsetzung des Strukturmodells zur Effizienzsteigerung der Pflegedokumentation im Zusammenhang mit Qualitätsprüfungen in Pflegeeinrichtungen nach den Qualitätsprüfungs-Richtlinien – QPR“ vom MDS (Oktober 2019):
- „[…] Herausstellung der fachlichen Kompetenz und beruflichen Erfahrung der Pflegefachkräfte,
- Rückgewinnung des Stellenwertes der Pflegedokumentation für den beruflichen Alltag (Steuerung des Pflegeprozesses/Qualitätssicherung) und […]“ (Seite 8)
Implementierung der SIS® in die tägliche Praxis …
Für das Pflegemanagement und für die Pflegefachkräfte einer stationären Pflegeeinrichtung stellt die Implementierung der SIS® eine große Herausforderung dar. Das Strukturmodell, seine mitgeltenden Instrumente wie die Maßnahmenplanung und der Anwendungsprozess sind nicht in der Art und Weise entwickelt, dass sie sich unbürokratisch in ein bestehendes Dokumentationssystem integrieren lassen.
Für die praktische Anwendung des Strukturmodells und seiner Instrumente müssen die entsprechenden Vorgaben, die sich aus den „Informations- und Schulungsunterlagen zur Einführung des Strukturmodells in der ambulanten, stationären und teilstationären Langzeitpflege Version 2.0 Oktober 2017“ des Projektbüros EinSTEP resultieren, erarbeitet und implementiert werden. Um dies zu gewährleisten, ist es unabdingbar, dass die stationären Pflegeeinrichtungen eine Implementierungsmethode wählen, die die individuellen Ressourcen der Einrichtungen berücksichtigt. Von dieser Berücksichtigung hängt der Erfolg der Implementierung ab.
Primär für die Pflegefachkräfte stellt das Erfassen der individuellen, wesentlichen Inhalte in den vorgegebenen Themenfeldern in reduzierte Form und das fachliche Ableiten der individuellen bewohnerbezogenen Risiken eine enorme Herausforderung dar.
Bedeutung für den Expertenstandard „Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege“ – 1. Aktualisierung 2017 …
Durch die Begleitung der pflegerischen Praxis in verschiedenen Settings wie z. B. Inhouse Schulungen, internen Audits, etc. und bei den Dozententätigkeiten zeigt sich deutlich wiederkehrend, dass sich u. a. die Integration der fachlichen SOLL-Anforderungen des oben angeführten Expertenstandards in das Strukturmodell und seine mitgeltenden Instrumente als erheblich verbesserungswürdig erweist. Zur Verdeutlichung werden im Folgenden drei wesentliche Abweichungen angeführt:
- Die Pflegefachkraft erfasst bei dem Ausfüllen der SIS® teilweise nicht die ernährungsbezogenen Fähigkeiten, Probleme und Risiken. Es gibt keine oder selten Aussagen zum Ernährungszustand (Nahrung und/oder Flüssigkeit).
- Die fachliche Einschätzung der pflegerischen relevanten Risiken und Phänomene in Bezug auf Ernährung spiegelt die bewohnerbezogene Individualität nicht wider. Die Integration des Screenings zur Erfassung von den Anzeichen für eine drohende oder bestehende Mangelernährung und des vertieften Assessments zur „[…] Einschätzung der Ernährungssituation und der sie beeinflussenden Faktoren […]“ (DNQP, 2017, Seite 14) sind selten oder nicht bewohnerbezogen fachlich berücksichtigt.
- Der Pflegefachkraft ist teilweise nicht bekannt, dass bei bewohnerbezogenen Ernährungs- und Flüssigkeitsentwicklungen, die sich im Laufe der Zeit ergeben können, das entsprechende Themenfeld in der SIS® evaluiert werden muss. In den Informations- und Schulungsunterlagen von EinSTEP wird von einem „kleinen und einem großen Evaluationskreis“ (2017, Seite 112) gesprochen. „Zeigen sich umfassende Abweichungen zur Einschätzung der pflegebedürftigen Person am Aufnahmetag, muss auch die SIS® überprüft, angepasst oder neu erstellt werden […]“ (Seite 112).
Zur Erstellung eines individuellen bewohnerbezogenen Maßnahmenplans zur Vorbeugung oder Behebung einer Mangelernährung, sind die oben angeführten Abweichungen bzw. die korrekte individuelle bewohnerbezogene Einschätzung von elementarer Bedeutung. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Verantwortlichen der stationären Pflegeeinrichtungen folgende Verbesserungsmöglichkeiten berücksichtigen:
- Intensive Schulung des Expertenstandards Ernährungsmanagement zur Sicherung und Förderung der oralen Ernährung in der Pflege 1. Aktualisierung 2017 i. V. m. der Strukturierten Informationssammlung. Nicht nur die Schulung des Expertenstandards ist von Bedeutung, sondern desgleichen seine praktische Umsetzung im Kontext mit der SIS®.
- Fachliche Begleitung der Pflegefachkräfte im Umgang mit der SIS® und mit dem Expertenstandard; z. B. mittels Pflegevisite, internes Audit mit Schwerpunkt Ernährungsmanagement, etc.
- Das Durchführen von regelmäßigen Fallbesprechungen (Einbezug der SIS und der Maßnahmenplanung), insbesondere bei den Bewohnern mit kritischen Ernährungssituationen.
- Detaillierte Verfahrensanweisung zur Umsetzung des Expertenstandards mit Beschreibung der fachlichen Aspekte, wie mit der SIS® und dem Maßnahmenplan diesbezüglich verfahren werden soll.
- Die Nutzung eines standardisierten Assessmentinstrumentes zur Unterstützung der fachlichen Einschätzung.
Kurzinfo
Daniela Mongillo, QM Lebenswert GbR, Krankenschwester, Diplom-Pflegewirtin.
Seit 2011 freiberuflich tätig als Dozentin, Auditorin, Unternehmensberaterin für Qualitätsanforderungen der stationären und ambulanten Pflegeeinrichtungen.
d.mongillo@qm-lebenswert.de
Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2022 zu finden.