von Tibor Vetter und Sonja John (Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg)

Bei zunehmendem Fachkräftemangel in der Pflege ist die Frage nach dem Einsatz unterstützender Technik aktuell wie nie. Das Forschungsprojekt NIKA (Nutzerzentrierte Interaktionsgestaltung für kontextsensitive und akzeptable Roboter) hat sich mit diesem Thema mehr als drei Jahre lang auseinandergesetzt und dabei neue Erkenntnisse zu den Chancen und Anforderungen an Robotik in der Altenhilfe gewonnen.

Soziale Roboter sind mit „Künstlicher Intelligenz“ (KI) und einer Sensorik ausgestattet, die es ihnen ermöglicht, mit Menschen in Echtzeit zu interagieren. Sie können Fragen verstehen und Antworten geben und so einen (einfachen) Dialog führen. Sie reagieren auf Sprachbefehle und können auf Wunsch eine Handlung ausführen wie z. B. einen Anruf starten. Geräte mit dieser Möglichkeit zur Interaktion werden als „soziale Roboter“ (Social Robots) klassifiziert. Sie eröffnen die Chance auf Entlastung in Pflegeeinrichtungen: „Wir sehen die Vorteile vor allem bei der Aktivierung, die im Rahmen der Betreuung eine wichtige Rolle spielt“, erklärt Tibor Vetter, der das Projekt beim Wohlfahrtswerk geleitet hat. So können Bewohner Spiele mit dem Roboter spielen oder sich beim Umgang mit dem Internet unterstützen lassen. Neue Fotos von der Familie oder aus der eigenen Vergangenheit können auf dem Bildschirm des Roboters angeschaut werden. Auch zur Sicherheit kann ein Roboter einen Beitrag leisten: Stürzt eine Person oder stimmen bestimmte Parameter im Haus nicht, können der Pflegedienst oder nahestehende Verwandte alarmiert werden.

Mensch, Tier oder einfach Maschine

Um die Interaktion zwischen Mensch und Maschine zu fördern, muss der Roboter eine Gestalt haben, die positiv wirkt und keine Ängste erzeugt. Daher prüfte das Forscherteam zunächst, welcher der drei existierenden Grundtypen von sozialen Robotern bei älteren Menschen am besten ankommt: menschenähnliche, tierähnliche oder solche ohne Ähnlichkeit zu Lebewesen. Dazu befragten sie Bewohnerinnen und Bewohner im Betreuten Wohnen des Böblinger Wohn- und Pflegezentrums Flugfeld. Sie bevorzugten einen humanoiden Roboter als Partner für Spiele und Aktivitäten. „Zu ähnlich darf ein Roboter dem Menschen allerdings nicht sein, das wirkt eher abschreckend. Die Forschung deutet insgesamt eher auf individuelle Präferenzen hin – manche bevorzugen den menschenähnlichen Typ, andere eher tierähnliche“, erklärt Kathrin Pollmann vom Fraunhofer Institut, Partner im Projekt NIKA. Als Konsequenz kam im weiteren Projektverlauf das humanoide Roboter-Modell „Pepper“ zum Einsatz, das durch Beiträge über Roboter in Fernsehen und Printmedien vielen bekannt ist.

Akzeptiertes Verhalten programmieren

Damit die Interaktion zwischen Mensch und Maschine gelingt, reichen gesprochene Worte nicht aus. Ein Roboter muss Emotionen ausdrücken und Verhalten zeigen, das vom Gegenüber als angenehm empfunden wird. Um valide Aussagen treffen zu können, wie dieses aussehen muss, entwickelte das Forscherteam ein Quiz, das auf „Pepper“ aufgespielt wurde. Die Innovation daran: Das Quiz lässt sich personalisieren, indem Angehörige oder nahestehende Personen Fragen eingeben oder Fotos hochladen, die einen Bezug zum Spieler haben und z. B. Erinnerungen aktivieren. Der Roboter wurde in die Lage versetzt, als Quiz-Moderator zu handeln. Bei einer richtigen Antwort auf eine schwere Frage sollte er beispielsweise Freude äußern, bei einer falschen Antwort zum Nachdenken motivieren.

Um nicht nur kognitive, sondern auch die physische Aktivierung durch den Roboter zu fördern, wurde ein Scharade-Spiel entwickelt, bei dem es darum geht, ein Wort zu erraten, das durch Körperbewegungen dargestellt wird. „Pepper“ agierte dabei als Mitspieler und benötigte andere Verhaltensweisen als in der Moderatorenrolle.

Herausforderung für das Team war, die jeweils passenden Reaktionen zu definieren und einer bestimmten Interaktionssituation zuzuordnen. So entstand im Projekt für die verbalen und gebärdenhaften Ausdrucksformen ein ganzes Repertoire an Verhaltensweisen („Pattern-Wiki“). Dieses steht künftig allen Forschenden als universelle Sprache für die Interaktion zwischen Mensch und Roboter zur Verfügung.

Geeignete Situationen finden

Ein Ziel des Projekts lag in der Definition von geeigneten Einsatzfeldern für soziale Roboter. Im praktischen Test hat sich dabei die Annahme der Forscher bestätigt: Die Bewohner fanden „Pepper“ geeignet, um Einsamkeit vorzubeugen und ihr Gedächtnis zu trainieren. Ein Bedürfnis nach Gesellschaft und Kommunikation wurde durch die gemeinsame Zeit mit der Maschine befriedigt. Apathie entgegenzuwirken und Bewohner zu körperlicher und geistiger Aktivität anzuregen, könnte somit zumindest ein Stück weit auch durch Roboter unterstützt werden. Im Rahmen des Praxistests beobachteten die Forscher auch systematisch das Verhalten der Bewohner: Sie waren konzentriert beim Spiel und zeigten positive Emotionen.

An den Grenzen arbeiten

Natürlich sind den Kommunikationsfähigkeiten eines Roboters Grenzen gesetzt – er soll und kann das Gespräch und menschliche Zuwendung nicht ersetzen. Bis es soweit ist, dass Roboter mit Menschen z. B. komplexere Dialoge führen können, werden noch viele weitere Forschungsprojekte nötig sein.

Über das Projekt

Das Projekt NIKA (Nutzerzentrierte Interaktionsgestaltung für kontextsensitive und akzeptanzfördernde Roboter) wurde vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des Förderschwerpunktes „Roboter für Assistenzfunktionen: Interaktionsstrategien“ von Juni 2018 bis Dezember 2021 gefördert. Das Verbundprojekt wurde vom Wohlfahrtswerk für Baden-Württemberg koordiniert.

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Der Artikel ist in der Ausgabe 02/2023 zu finden.

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