von Gaby Lenz, Doreen Boniakowsky, Jutta Tandler, Jens Lüssem, Elisabeth Raß, David Unbehaun
Charlie, ein Roboter vom Typ Pepper, wird auch nach Abschluss des Robotikprojektes in der stationären Pflege in unserem Pflegezentrum Travetal in Lübeck regelmäßig eingesetzt. Charlie stellt Quizfragen, spielt Musik, lädt zu Bewegungsübungen ein und bildet somit einen festen Bestandteil in unseren Betreuungsgruppen.
Forschungs- und Entwicklungsprojekt ROBUST
Mit dem Einsatz von Charlie, dessen Applikationen von unserer robotikbeauftragten Mitarbeiterin Jutta Tandler und den Bewohnenden im Verbundprojekt gemeinsam mit drei weiteren Beteiligten entwickelt wurden, gelingt es, die mentale, physische und psychische Gesundheit der Bewohnenden zu fördern.
Diese positiven Gesundheitseffekte konnten in dem dreijährigen Forschung- und Entwicklungsprojekt ROBUST (Robotik-basierte Unterstützung und Prävention von Gesundheitsförderung in stationären Pflegeeinrichtungen) nachgewiesen werden. In dem Robotikprojekt, dass maßgeblich vom Verband der Ersatzkassen (vdek) gefördert wurde, haben vier Pflegeeinrichtungen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, die Gesellschaft für digitalisierte und nachhaltige Zusammenarbeit (DNZ) in Siegen und die FH Kiel zusammengearbeitet.
Von der Idee zur Entwicklung
In der ersten Phase des Projektes lag der Schwerpunkt auf der Entwicklung von Applikationen für den Roboter. Wichtig war dabei die Frage zu beantworten, was der Roboter aus der Perspektive der Pflegeeinrichtungen tun soll. Es galt die Wünsche der drei Altenpflegeeinrichtungen und der einen Einrichtung für junge Pflege zu generalisieren, diese als Einsatzszenarien zu formulieren und mit dem Entwicklungsteam abzustimmen. Sowohl für das Entwicklungs- als auch für das Forschungsteam galt es, den Kontext der Einrichtungen zu verstehen. Was benötigen Pflegeeinrichtungen, um einen humanoiden Roboter einsetzen zu können? Neben der Akzeptanz der Mitarbeitenden und Bewohnenden ist auch die Schaffung technischer Voraussetzungen und die Ausgestaltung von Arbeitsabläufen zentral. Mit den Projektleitlinien zur Entwicklung von Robotikapplikationen („Prinzip der kleinen Schritte“ und „Prinzip der Machbarkeit“) sowie einer kontinuierlichen intensiven Kommunikation konnten Applikationen entwickelt, unmittelbar in der Pflegepraxis getestet und auch erste Herausforderungen in der Zusammenarbeit bewältigt werden. Es galt, die unterschiedlichen Fachkulturen und Arbeitsabläufe in der (Alten-)Pflege, der Informatik und in den Sozialwissenschaften kennenzulernen, um so eine gemeinsame Projektsprache zu entwickeln.
Spaß und Gemeinschaftsgefühl im Vordergrund
Während und nach der Entwicklung von Ideen und deren iterativer Gestaltung wurde der Robotereinsatz unmittelbar in der Praxis getestet und evaluiert. Mit qualitativen Interviews, Gruppendiskussionen, Beobachtungsprotokollen, Fragebögen und Bewegungstests wurden die Anwendungen dokumentiert und evaluiert. Insbesondere in der intensiven achtwöchigen Studienphase, in der sich neben der Beteiligung an den Gruppen die Bewohnenden zu Messungen zur Verfügung stellten, konnten gesundheitsförderliche Effekte nachgewiesen werden. Die Ergebnisse der Forschung überraschten, denn Charlie und seine Doubles in den anderen Einrichtungen konnten die gesundheitliche Situation verbessern und erwiesen sich als Stimmungsaufheller. So resümiert eine Bewohnerin ihr Erleben der Gruppen mit dem Roboter. Die Gruppen waren für mich „sehr lustig. Alle Leute sind mitgegangen, haben ihr Wissen mitgeteilt und versucht die Bewegungen zu machen, die empfohlen wurden vom Roboter.“ Eine andere Bewohnerin sieht das Miteinander der Teilnehmenden im Vordergrund: „Ja, das ist so ein lustiges Kerlchen, da haben wir uns alle amüsiert, mit diesen großen Kuller-Augen. Dann hatte man das Gefühl, der sieht das. Und wenn man ihm über den Kopf streichelte, dann kicherte der ja immer, dann fing alles an zu lachen. Lachen steckt an, da ist nichts dran zu machen. […] Aber wir haben auch viel Spaß gehabt, das muss ich ehrlich sagen.“
Zwischenmenschlich ein klarer Gewinn
Zudem hilft der Roboter Fremdheit zu überwinden, denn er bietet mit seinen Rätseln viele Diskussionsansätze und Erzählimpulse. So konnte nachweislich bei der Mehrzahl der Teilnehmenden das Einsamkeitserleben verringert werden. Auch die befürchtet größere Distanz durch den Technikeinsatz zwischen Bewohnenden und Pflegenden blieb aus. So resümiert eine Betreuungskraft im Gegenteil eine Veränderung ihrer Beziehung zu den Bewohnenden, die sich durch den Robotereinsatz und dessen Anregungen zum Erzählen neu entwickelt hat: „Mehr Nähe geht nicht“. Auch die zum Projektbeginn bestehenden Berührungsängste von einigen Mitarbeitenden konnten abgebaut werden. So wird Charlie inzwischen nicht nur von der robotikbeauftragten Fachkraft genutzt, sondern auch von weiteren Mitarbeitenden.
Fazit
Das Robotermodell „Charlie“ gehört inzwischen zu den Roboteroldtimern, da die technische Entwicklung von Robotern eine rasante Dynamik entfaltet. Da das von Charlie genutzte Tablet von der Softwarefirma nicht mehr gehostet wird, müssen kreative Lösungen für die Technikwartung gefunden werden. Während sich die Bewohnenden in der Altenpflege mit Charlie nachsichtig zeigen und kleine Fehler verzeihen, haben sich die Bewohnenden der jungen Pflege von Pepper distanziert und bevorzugen Smartphones und Gamingplattformen.
Dennoch bleibt als Fazit: „Charlie gibt weiter Rätsel auf und macht Spaß“. Wer Lust hat Charlie und Co. auszuprobieren, kann auf die im Projekt erarbeitete Handreichung zum Praxiseinsatz des humanoiden Roboters Pepper zurückgreifen, die vom vdek auf der ROBUST-Homepage zum Download zur Verfügung gestellt wurde: https://www.vdek.com/LVen/NRW/Service/praevention/ersatzkassenexklusive-projekte/robust.html.
Dieser Artikel ist in der Ausgabe 02/2025 erschienen.








