von Dr. Vanessa Kubek und Dr. Frank Eierdanz (Institut für Technologie und Arbeit e. V.)

Was steckt hinter der Idee eines Assistenten zur Unterstützung digitaler Transformation in der Pflege?

Entscheidungen zur Anschaffung digitaler Technologien werden in Pflegeeinrichtungen tendenziell auf Leitungsebene getroffen. Gleichzeitig wird Digitalisierung in der Pflege-Praxis häufig reduziert auf eine Auswahl und Implementierung einzelner Technologien anstelle ganzheitlicher Lösungen. Die aktuelle Digitalisierungspraxis führt dazu, dass nach Aussage von Technologieanbietern die Einführung und effiziente Nutzung digitaler Technologien nicht selten u. a. an mangelnder Akzeptanz durch die Mitarbeitenden scheitert. Was muss sich ändern?

Beispielkarten im Planspiel „Digitale Transformation in der Pflege“ - Grafiken: ITA

Beispielkarten im Planspiel „Digitale Transformation in der Pflege“ – Grafiken: ITA

Digitalisierung ist nur dann erfolgreich, wenn sie die Arbeit in der Pflege besser macht. D. h., Digitalisierung muss strategisch und bedarfsorientiert vorangetrieben werden. Dazu ist eine systematische Analyse erforderlich: Welche Probleme treten in unserer Arbeitsorganisation immer wieder auf? Inwiefern sind pflegebedürftige Menschen in ihrer Sicherheit gefährdet und Teilhabe eingeschränkt? Inwiefern könnten digitale Technologien einen Beitrag zur Lösung dieser Probleme leisten? Mitarbeitende müssen dafür sensibilisiert werden, warum bestimmte Technologien sinnvoll sein können und in der Nutzung dieser Technologien geschult werden.

Digitalisierung sollte demnach durch einen systematischen Transformationsprozess vorangetrieben werden, der strategisch, bedarfsorientiert und partizipativ ausgerichtet ist. Aber: Woher sollen Pflegeeinrichtungen wissen, wie sie einen solchen Transformationsprozess angehen und realisieren sollen? Antworten darauf entstehen aktuell im Rahmen des Projektes „DiCo“ – Digital Companion für intelligente Beratung und interaktive Erfahrung in der Pflege (https://dico-pflege.de/), das durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gefördert und im Kontext der „Initiative Neue Qualität der Arbeit“ (INQA) umgesetzt wird. In diesem Projekt wird ein digitaler Assistent namens „DiCo“ entwickelt und prototypisch realisiert, um Pflegeeinrichtungen bei einem derartigen Prozess zu unterstützen.

Digitalisierung strategisch, bedarfsorientiert, partizipativ und „spielerisch“ angehen

ITA Planspiel Spielplan

Grafik: ITA

Im Projekt „DiCo“ verfolgen wir den Ansatz, Digitalisierung in der Pflege mithilfe eines KI-gesteuerten Assistenzsystems derart voranzubringen, dass eine strategische Verankerung und konkrete Problemlagen bzw. Bedarfe fokussiert werden und unterschiedlichste Beschäftigtengruppen/Funktionen eingebunden werden. Der Prozess soll dabei zielführend, aber gleichzeitig auch ansprechend und „spielerisch“ durchlaufen werden. Pflegeeinrichtungen werden sowohl bei dem digitalen Transformationsprozess als auch bei der Auswahl geeigneter Technologie unterstützt.

Ausgangspunkt im digitalen Assistenten ist ein Digitalisierungscheck, der eine Standortbestimmung unterstützt: Wie weit sind Sie als Pflegeeinrichtung in Sachen Digitalisierung? Nach dieser Standortbestimmung geht es darum, Mitarbeitende in der Pflegeeinrichtung für den Prozess der digitalen Transformation zu begeistern. Im Rahmen des Projektes wurde dazu zunächst ein analoges Planspiel „Digitale Transformation in der Pflege“ entwickelt, das für vier Phasen digitaler Transformation (Sensibilisierung und Orientierung; Analyse und Planung; Realisierung; Auswertung) und einen partizipativen Prozess sensibilisieren soll. Nach ausgiebigen Tests mit Pflegeeinrichtungen wurde dieses Spiel digitalisiert und steht auch in dem Assistenten direkt zur Verfügung.

Das Spiel lässt an digitaler Transformation interessierte Akteure aus Pflegeeinrichtungen spielerisch erfahren, wie Digitalisierung systematisch vorangetrieben und partizipativ gestaltet werden kann, wie wichtig Abstimmungen sind, welche Entscheidungen im Kontext von Digitalisierung zu treffen sind, welche Aufgaben erledigt werden müssen und wie wichtig ein guter Einsatz der verfügbaren Ressourcen ist. Interessierte können das Spiel unter folgendem Link aufrufen: https://dico-planspiel.de/

Bedarfsorientierte Technologieauswahl

Über die Sensibilisierung der Mitarbeitenden hinausgehend ist uns besonders wichtig, dass der digitale Assistent dabei unterstützt, Probleme in Pflegeeinrichtungen zu analysieren und darauf aufbauend, geeignete Technologien vorzuschlagen.

Nutzer*innen durchlaufen dazu folgenden Prozess:

Im Dialog mit einem KI-basierten Chatbot beschreiben Nutzer*innen ein Problem in ihrer Einrichtung, bei der sie sich technologische Unterstützung wünschen. Die KI nutzt natürliche Sprachverarbeitung, um diese frei formulierten Eingaben zu analysieren. Ein KI-basierter Algorithmus extrahiert die semantischen Informationen, vergleicht sie mit der Datenbank und empfiehlt den Nutzer*innen – je nach Genauigkeit der Algorithmus-Vorhersage – passende Technologien oder Technologie-Bereiche. Falls aufgrund einer ungenauen Eingabe keine passenden Technologien oder Bereiche empfohlen werden können, haben die Nutzer*innen die Möglichkeit, die Technologie-Datenbank über eine benutzerfreundliche Schnittstelle selbst zu durchsuchen.

Im Hintergrund des „DiCo“ ist eine Technologiedatenbank programmiert, die sich in drei Kernelementen skizzieren lässt, welche es erlauben, sich aus verschiedenen Richtungen der technischen Lösung zu nähern.

(I) Die aktuell 39 Technologiekategorien beschreiben Klassen von Produkten, welche demselben Ziel dienen. Ihre Anzahl wird kontinuierlich, entsprechend der Produkte in der Datenbank, erweitert.

(II) Die in der Technologiedatenbank enthaltenen Produkte bieten konkrete Lösungen für verschiedene Problemlagen. Sie werden entlang verschiedener Dimensionen beschrieben, sodass Nutzer*innen einen ersten Einblick erhalten, um selbstständig Anforderungen gegen den Produktvorschlag zu prüfen. Die aktuell weit über 100 Produkte werden kontinuierlich erweitert. Für eine umfassende Darstellung von Produkten ist die Technologiedatenbank weiterhin mit anderen Datenbanken verbunden.

(III) Erfahrungsberichte zum Einsatz verschiedener Produkte in unterschiedlichen Nutzungskontexten und Anforderungen ergänzen die Datenbank mit dem Ziel, den Nutzer*innen Anwendungskonzepte und auch Grenzen der Nutzung verständlich aufzuzeigen.

Zusammenfassend wird mit „DiCo“ ein digitaler Assistent realisiert, der zum einen spielerisch für digitale Transformation begeistern kann und zum anderen sicherstellt, dass digitale Technologien passgenau identifiziert werden, sodass Digitalisierung die Situation von Beschäftigten und Kund*innen in der Pflege konkret verbessern kann.

Ausblick

Die Entwicklungsarbeiten an „DiCo“ werden bis Sommer 2023 abgeschlossen. Danach wird der Assistent als Prototyp allen Pflegeeinrichtungen zugänglich gemacht.

Auf mehreren Veranstaltungen wird der „DiCo“ bzw. das Thema „Digitalisierung in der Pflege“ in diesem Jahr präsentiert, so etwa bei einer digitalen Veranstaltung am 27.04. sowie in Berlin am 13.06. Bei Interesse an diesen Veranstaltungen melden Sie sich gerne bei den Autor*innen (Mail: vanessa.kubek@ita-kl.de, Tel.: 0631 20583-27)

Weitere Informationen: www.dico-pflege.de

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2023 zu finden.

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