von Norbert Grote

Norbert Grote

Foto: Meike Kenn

Die Digitalisierung ist auf vielen Ebenen in der Pflege im Gange, von der Optimierung der IT-Infrastruktur in den Pflegeeinrichtungen, über effizientere Verwaltungsprozesse, mobiles Arbeiten bis hin zu technischen Assistenzsystemen, Robotik und „Künstlicher Intelligenz“. Für den bpa ist wichtig, dass die Digitalisierung Prozesse in der alltäglichen pflegerischen Arbeit effizienter gestaltet, also dass z. B. die Kommunikation mit anderen Beteiligten am Versorgungsprozess wie beispielsweise Ärzten, Apotheken oder Krankenhäusern auf digitalem Wege stattfindet. Der bpa unterstützt aber auch den Einzug von Assistenztechnologien. Dazu ist der Verband z. B. in der Jury der Start-Up Challenge auf der Altenpflegemesse 2022 vertreten, um Bewertungen der Trends und Entwicklungen vornehmen zu können und innovative Lösungen mit dem größten Nutzen auszuwählen.

Vorreiter Seniorenstift Eppingen

Das Potenzial der Digitalisierung nutzen auch kleine und mittlere Unternehmen, wie das Beispiel des Seniorenstifts Eppingen zeigt. Die bpa-Mitgliedseinrichtung aus dem Kraichgau setzt moderne Software und Assistenztechnologien ein, um die Pflegequalität zu steigern und ihre Mitarbeiter zu entlasten. Wie die Einrichtung vorgegangen ist und welche Abläufe auf welchen Ebenen sinnvoll verändert werden konnten, haben Tobias Fundis und Michael Radetzky von der Seniorenstift Eppingen Verwaltungs GmbH im Folgenden beschrieben:

„Der zunehmende Fachkräftemangel hat auch bei der Seniorenstift Eppingen GmbH & Co. KG zu der Frage geführt, wie man durch den zielgerichteten Einsatz von Digitalisierung gleichzeitig die Qualität der Pflegeprozesse verbessern und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entlasten kann, damit ihnen mehr Zeit für die Interaktion mit den Heimbewohnern zur Verfügung steht. Neben der Entlastung der Pflegenden lag ein Fokus daher auch auf der Qualität des Pflegeprozesses.

Obwohl wir im Zeitalter der Digitalisierung leben, weist gerade der Bereich der Altenpflege noch starke analoge Prägungen auf. Dies liegt nicht zuletzt auch in der Natur der pflegerischen Tätigkeit begründet. Gleichzeitig birgt – neben der Vernetzung von Prozessen und der digitalen Analyse und Verarbeitung von Daten – insbesondere der Einsatz von Robotik und künstlicher Intelligenz großes Potenzial. Dies wirft jedoch auch eine Reihe ethischer Fragen auf, die im gesellschaftlichen und politischen Diskurs nicht unumstritten sind. Für das Seniorenstift Eppingen war es deshalb essenziell, dass sich der Einsatz von Digitalisierung rein auf die Unterstützung der Mitarbeiter fokussiert und sich in keinem Fall negativ auf die Lebensqualität der Heimbewohner auswirkt.

Einsatzmöglichkeiten in verschiedensten Unternehmensbereichen

Über eine App wird dem Pflegepersonal der Auslastungsgrad gesendet, um bedarfsgerechte Einlagenwechsel vornehmen zu können - Foto: ABENA Nova with MediSens

Über eine App wird dem Pflegepersonal der Auslastungsgrad gesendet, um bedarfsgerechte Einlagenwechsel vornehmen zu können – Foto: ABENA Nova with MediSens

Daher war zunächst eine ausführliche Analyse der einzelnen Prozesse im Unternehmen erforderlich. Dabei wurden die jeweiligen Prozesse in einzelne Schritte zerlegt, um so potenzielle Ansatzpunkte identifizieren zu können. Dabei zeigten sich im Unternehmen verschiedene Ebenen des Digitalisierungsgrads. Eine Ebene betraf den Einsatz absoluter Standardlösungen. In diesem Zuge wurden die Pflegedokumentation und der Dienstplan digital abgebildet.

Eine weitere Ebene war der Einsatz von Prozesslösungen. Hier wurde u. a. die Digitalisierung des Qualitätsmanagements vorgenommen. Dadurch können jetzt beispielsweise Schulungen und Fortbildungen individuell durchgeführt werden. Jeder Mitarbeiter erhält Zugang zu benötigten Unterlagen und Präsentationen, so dass er flexibel die entsprechenden Schulungsunterlagen sowie Expertenstandards alleine am PC studieren kann.

Eine weitere digitale Lösung wurde im Bereich des Ernährungsmanagements implementiert. Durch die Digitalisierung der Speisepläne inklusive der damit verknüpften Nährwertangaben, können die Pflegekräfte die zugeführten Nährwerte per Mausklick mit dem entsprechenden Bedarf der Bewohner abgleichen. So kann mit geringem Aufwand ein detailliertes Ernährungstagebuch erstellt und die Versorgung individuell auf die Bedürfnisse der Bewohner abgestimmt werden.

Neben Maßnahmen im operativ pflegerischen Bereich, wurden auch auf administrativer Ebene diverse Prozesse digitalisiert. So wurde die Buchhaltung vollständig auf das automatische Buchen digitaler Belege umgestellt. Ebenso wurde eine digitale Personalakte mit direkter Schnittstelle zur Dienstplanung eingeführt. Auf dieser Grundlage können relevante Daten direkt aus dem Dienstplanprogramm übernommen werden.

Digitalisierung auf dem Gebiet der Inkontizenz – (un-)möglich!?

Clip, der am oberen Ende des Inkontinenzproduktes angebracht wird und den aktuellen Sättigungsgrad der Einlage misst - Foto: ABENA Nova with MediSens

Clip, der am oberen Ende des Inkontinenzproduktes angebracht wird und den aktuellen Sättigungsgrad der Einlage misst – Foto: ABENA Nova with MediSens

Die wohl innovativste Veränderung des Digitalisierungsprozesses erfolgte jedoch im Bereich der Inkontinenzversorgung. Diese wurde durch den Einsatz eines digitalen Inkontinenz-Managementsystems komplett neugestaltet. Das System besteht aus einer Inkontinenzeinlage mit integrierten Sensoren, einem separaten Clip und der Wet-Sens Monitor-App. Geraten die Sensoren der Inkontinenzeinlage mit Feuchtigkeit in Kontakt, wird dies an den Clip, der am oberen Ende des Inkontinenzproduktes angebracht wird, weitergeleitet. So kann der aktuelle Sättigungsgrad der Einlage ständig gemessen werden. Diese Echtzeitdaten werden dann an die Monitor-App gesendet, die es dem Pflegepersonal ermöglicht, mit einem Smartphone den Auslastungsgrad des Inkontinenzproduktes zu überwachen.

Durch prozentuale Auslastungsangaben und hinterlegte Warnhinweise kann die Pflegekraft so rechtzeitig Maßnahmen ergreifen, wenn die Einlage gewechselt werden muss. Dieser digitale Lösungsansatz bietet großes Potenzial für Bewohner, Pflegekräfte und die gesamte Pflegeeinrichtung.

Auf Grundlage dieser personalisierten Inkontinenzversorgung können Einlagenwechsel individuell auf die Bewohner abgestimmt werden. Durch diese bedarfsgerechten Wechsel werden unnötige Eingriffe in die Intimsphäre der Heimbewohner vermieden. Ein zusätzlicher Mehrwert liegt in der Entlastung der Pflegekräfte, da die Inkontinenzwechsel nun am tatsächlichen Bedarf der Bewohner ausgerichtet werden können. Beim Seniorenstift Eppingen konnte der Zeitaufwand für die Inkontinenzversorgung der Bewohner so nahezu halbiert werden.“

Zukunftsorientiert Denken und clevere Lösungen finden

Der Seniorenstift Eppingen und viele andere Pflegeeinrichtungen machen es bereits vor: Der Einsatz moderner und innovativer Technologien kann Pflegekräfte nachhaltig entlasten und somit die Versorgung in Pflegeeinrichtungen unterstützen. Digitalisierung bietet zudem die Chance, den Beruf insgesamt attraktiver zu machen. Wenn Pflege und Digitalisierung Hand in Hand gehen, stellen sie eine tatsächliche Bereicherung für Pflegekräfte und Pflegebedürftige dar.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2022 zu finden.

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