von Wiebke Buhr

Als in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts die Grundsteine für die stationäre Pflege gelegt wurden, orientierte man sich an den Abläufen der damaligen Krankenhausstationen. Betreiber wie die Libento und die Lavendio Seniorenresidenzen suchen heute nach neuen Wegen und finden Inspiration in den flexiblen Strukturen der ambulanten Pflege.

Unsere Bewohner sind keine Patienten!

Fotos: Libento Seniorenresidenz Wuppertal, Detlef Berstermann

Die Einsatzplanung von Pflegefachkräften und Pflegehilfskräften erfolgt in der stationären Pflege typischerweise nach gebäudebezogenen Kriterien wie Wohnbereichen oder Stockwerken. Wie sehr uns dabei die Vorstellung eines Klinikaufenthalts geprägt hat, wird deutlich, wenn wir den Begriff „Wohnbereich“ gedanklich durch „Station“ ersetzen.

In gewisser Hinsicht ist dies eine schmerzliche Erkenntnis. Unsere Bewohner sind keine Patienten. Und unser Fokus liegt nicht auf der Krankheit, sondern auf dem Bestreben, ein gutes Leben im Alter zu ermöglichen. Dennoch ist die Vorstellung von „Patient“ und „Krankheit“ tief in unseren Strukturen verwurzelt.

Erfreulicherweise sehen wir, dass heute Alternativen gesucht, gefunden und erfolgreich in die Praxis umgesetzt werden. Ein besonders Erfolg versprechender Ansatz ist die sogenannte stationäre Tourenplanung, wie sie von der Libento entwickelt wurde. Die Libento ist eine Einrichtung der Pflegemotive GmbH, die den Anspruch an sich richtet, mit ihrem Betreiberkonzept neue Wege in der Pflege aufzuzeigen. Dass mit der Libento im Oktober 2021 und der Lavendio mit Eröffnung im März 2022 gleich zwei Cluster der Pflegemotive mit Konzepten wie der stationären Tourenplanung loslegen, wird diesem Anspruch gerecht. Die Vorlage für dieses Konzept ist nicht mehr der stationäre Aufenthalt in einer Klinik, sondern die ambulante Versorgung zu Hause. Dementsprechend stehen bei der Personaleinsatzplanung nicht mehr die Wohneinheiten im Mittelpunkt, sondern die Bewohner:innen und ihre individuellen Bedürfnisse.

Unterstützung genau da, wo sie benötigt wird

Der größte Vorteil ist, dass sich so viel leichter sicherstellen lässt, dass fachliche Unterstützungsbedarfe auch da ankommen, wo sie gerade benötigt werden. Insbesondere bei der Personalplanung kann tagesaktuell und erheblich flexibler reagiert werden. So wird vermieden, dass auf einer Etage Pflegefachkräfte Leistungen erbringen, für die sie eigentlich überqualifiziert sind, während auf einer anderen Bedarfsspitzen durch massive Überstunden abgefedert werden müssen. Auch für die Mitarbeiter:innen bietet die Tourenplanung ein deutliches Mehr an Flexibilität und Planbarkeit. So können sich z. B. berufstätige Eltern darauf verlassen, dass sie für Touren geplant werden, die es ihnen ermöglichen, ihre Kinder vor der Arbeit in die Schule oder den Kindergarten zu bringen.

Der Praxistest überzeugt

Fotos: Libento Seniorenresidenz Wuppertal, Detlef Berstermann

Im Praxistest der Libento zeigt sich, dass es so gelingt, Bewohner:innen und Mitarbeiter:innen eine deutlich verlässlichere Tagesstrukturierung zu bieten und dabei noch besser auf Bewohnerwünsche einzugehen – z. B. bzgl. individueller Essenszeiten. Pflege und Versorgung sind insgesamt besser an die Bewohner:innen angepasst. Frau Krause darf ihre Pflege beispielsweise am Vormittag erwarten, während Herr Müller schon morgens Besuch von der Pflegefachkraft bekommt. Eine Langschläferin wird also später versorgt als ein Frühaufsteher.

Interessant ist auch, wie Libento die stationäre Tourenplanung im Tagesgeschehen umsetzt. Das Konzept lässt sich natürlich auch analog via Steckkarte abbilden, Libento hat jedoch beschlossen, hier voll auf Digitalisierung zu setzen. Dafür wurde in Zusammenarbeit mit myneva eigens eine Software entwickelt. Heute wird die Tourenplanung für Tag- und Nachtdienste von der PDL und einem entsprechenden Team unter Einbeziehung des Wissens aller Mitarbeiter:innen bzgl. tageszeitlicher und inhaltlicher Interventionsbedarfe zusammengestellt. Bewohnerbezogene Leistungen übernimmt die Software dabei aus der individuellen Maßnahmenplanung. Die Leistungen lassen sich dann einfach und übersichtlich per „Drag & Drop“ den Touren zuordnen.

Alle Mitarbeiter:innen verfügen über Tablets, die sie mit auf Tour nehmen. Treten Ereignisse ein, die sich auf die Planung auswirken (z. B. veränderter Gesundheitszustand eines Bewohners oder krankheitsbedingter Ausfall von Mitarbeiter:innen), lässt sich die Tourenplanung nicht nur einfach und schnell anpassen, sondern alle Mitarbeiter greifen auch automatisch immer auf die aktuelle Version zu. Wir hören oft von „Digitalisierung“, ohne dass konkret wird, was damit gemeint ist oder welche Vorteile wir wirklich erwarten können.

Die Umsetzung eines neuen Konzepts wie der stationären Tourenplanung mithilfe neuer Technologien gibt uns ein konkretes Beispiel für eine positive digitale Veränderung, die es ermöglicht, genauer auf individuelle Bedürfnisse von Mitarbeiter:innen und Bewohner:innen einzugehen.

Der Artikel ist in der Ausgabe 01/2022 zu finden.

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