Umdenken – Ernährung bei Kau- und Schluckstörungen im Seniorenheim
In stationären Pflegeeinrichtungen leiden rund 20% der Bewohner an Kaubeschwerden [1]. Ab einem Lebensalter von 55 Jahren liegt die Häufigkeit von Schluckstörungen etwa bei 16-22% [2]. Im Allgemeinen werden Kau- und Schluckstörungen als gleiches angesehen und die Betroffenen erhalten vor allem breiige und pürierte Speisen. Dieses Speiseangebot ist im Energie- und Nährstoffgehalt nicht bedarfsdeckend, wenig appetitlich, oft nicht notwendig und trägt in vielen Fällen zum Ablehnen der Nahrung bei. Infolgedessen entwickelt sich rasch eine Mangelernährung. Das pauschale Angebot einer breiigen, pürierten Kost entspricht somit nicht dem aktuellen Stand.
Liegt eine Kau- oder Schluckstörung vor?
Die Therapie ist je nach Kau- oder Schluckproblem zu unterscheiden. Kaustörungen werden verursacht durch Zahnverluste, schlecht sitzender Prothese oder Druckstellen im Mund- und Rachenraum. Diese lassen sich oftmals durch anpassen der Prothese bzw. Mundpflege beseitigen. Schluckstörungen treten im Zusammenhang mit Schlaganfall, Morbus Parkinson oder Demenz auf. Hier ist die Ernährungstherapie grundsätzlich mit dem Arzt und dem Logopäden zu besprechen, da der Schluckvorgang in unterschiedlichen Phasen gestört sein kann. Welche Ernährungslösung gibt es? Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt 4 Konsistenzstufen, damit kann die Speiseauswahl an die individuelle Kau- und Schluckfähigkeit des Betroffenen angepasst werden [3]. Dies trägt maßgeblich zum sicheren schlucken bei, nimmt die Angst vor verschlucken und steigert die Nahrungsaufnahme. STUFE 1: Passierte Kost dickflüssig, breiigPürierte Lebensmittel die durch ein Sieb gestrichen werden. Diese Speisen sind homogen, klümpchen- und faserfrei. Die Passierte Kost ist nicht bedarfsdeckend, ein Zusatz mit bilanzierter Zusatz- oder Sondennahrung ist notwendig. STUFE 2: Pürierte Kost
Breiige Lebensmittel die mit einem Mixer püriert werden. Die Kost ist frei von Fasern. Zur Sicherstellung der Energie- und Nährstoffe, ist die Einsatz von Trinknahrung oder Supplementen empfehlenswert. STUFE 3: Teilpürierte Kost
Lebensmittel die schwer zu schlucken sind wie Fleisch, Fisch werden püriert angeboten. Weiche Lebensmittel die mit der Zunge zerdrück bar sind, sind zu bevorzugen wie Kartoffeln, Nudeln, Brot, Gemüse, Kompott. STUFE 4: Adaptierte Kost weich, nicht püriert
Bestehen nur leichte Störungen beim kauen und schlucken, kann der Betroffene überwiegend normal essen. Geeignet sind Weiche Speisen z.B. Kartoffeln statt Reis, Banane statt Ananas, Frikadelle statt Rinderbraten.
Zusätzlich kann das Andicken von Flüssigkeiten mit Dickungsmittel notwendig sein. Flüssigkeiten sind im Mund schwer kontrollierbar und führen schnell zum verschlucken, auch wenn schon die vierte Stufe erreicht ist.
Empfehlung zur Umsetzung im Seniorenheim
Die Konsistenzstufe ist mit dem Arzt und dem Logopäden festzulegen. Um zu gewährleisten, dass der Betroffene die entsprechende Speisenkonsistenz erhält, ist es empfehlenswert die Kostform auf der Essenskarte zu vermerken. Eine standardisierte Lebensmittelauswahlliste für jede Stufe erleichtert die Auswahl der Speisen für Pflegende und Küchenmitarbeiter. Pürierte und Passierte Speisen können in Eigenherstellung zubereitet oder über den Handel als Convenience- Produkt bezogen werden. Mit Hilfe von Formen und Spritzbeuteln lassen sich die Speisen ansprechend und appetitlich zubereiten, dies steigert die Akzeptanz beim Betroffenen. Die Konsistenzstufe ist regelmäßig an die Kau- und Schluckfähigkeit anzupassen, somit wird das Speisenangebot vielfältiger und auch ein Stück Lebensqualität zurück gewonnen.
Nathalie Wayand
Diätassistentin mit besonderer Qualifikation
für geriatrische und Enterale Ernährungstherapie
Quelle:
1] ErnSTES- Studie Heseker H, Stehle P: Ernährung älterer Menschen in stationären Einrichtungen. In: Deutsche Gesellschaft für Ernährung (hrsg.): Ernährungsbericht 2008. Bonn (2008) 157-200
2] Deutsche Gesellschaft für Neurotraumatologie und Klinische Neuropsychologie, Leitlinien 2003
3] DGE „Qualitätsstandard für die Verpflegung in stationären Senioreneinrichtungen“