Die Finanzierung eines Pflegeheims ist ohnehin mit unterschiedlichsten Erschwernissen, verbunden. Kommen noch rechtliche Auseinandersetzungen hinzu, so kann eine überlange Verfahrensdauer die mittel- bzw. langfristige ökonomische Planung einer Pflegeeinrichtung massiv beeinträchtigen. Behörden und Gerichten fehlt im Hinblick auf diese Problematik vielfach das Verständnis dafür, dass Pflege nicht Ehrenamt aus moralisch –ethischem Pflichtgefühl ist, sondern mittlerweile eine feste Größe in der deutschen Wirtschaft, dass hier Unternehmen eine gesellschaftlich ausdrücklich gewünschte Dienstleistung nicht pro bono erbringen können oder sollen. Es wird verkannt, dass erst nach vielen Jahren festgestellte Ansprüche oder Forderungen oftmals uneinbringlich sind, jedenfalls soweit es sich um Bestandteile der Heimentgelte handelt. Zeitnahe Entscheidungen sind selten bis ausgeschlossen. Das wirtschaftlich bedeutsame Ausmaß dieser Verzögerungen hat zumindest das Bundesverfassungsgericht nunmehr ausdrücklich erkannt und für schützenswert erachtet. Ein Träger mehrerer Pflegeeinrichtungen in den neuen Bundesländern sah sich im vergangenen Jahr zur Erhebung einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht gezwungen, nachdem über einen Zeitraum von 10 Jahren bis heute keine höchstrichterliche Entscheidung erlangt werden konnte. In dem dieser Beschwerde zugrundeliegenden sozialrechtlichen Rechtsstreit vor dem SG Magdeburg in erster und dem LSG Halle in zweiter Instanz geht es um die Frage der Zustimmung zur gesonderten Inrechnungstellung von Investitionskosten gem. § 82 Abs. 2 SGB XI, insbesondere in Bezug auf Umlagefähigkeit der Positionen Absetzung für Abnutzung geförderter Anlagegüter, Instandhaltungs- und Instandsetzungskosten ab dem ersten Betriebsjahr, Erbbauzinsen sowie der Eigenkapitalverzinsung. Der Streitwert beläuft sich auf einen sechsstelligen Betrag, woraus bereits ersichtlich ist, welch immenser finanzieller Ausfall mit der langen Verfahrensdauer einhergeht. Insoweit ist des weiteren zu berücksichtigen, dass das hier aufgegriffene Verfahren nur eines von vielen ist und die Zustimmung regelmäßig im Jahresturnus neu beantragt und erteilt wird.
Ausgangspunkt des Rechtsstreits war ein Zustimmungsantrag aus dem Jahre 2000. In dem Ursprungsverfahren dauerte das erstinstanzliche Verfahren vor dem Sozialgericht Magdeburg über sechs Jahre; in II. Instanz war das Verfahren vor dem Landessozialgericht Sachsen-Anhalt etwas über drei Jahre und vier Monate anhängig. Die seitens des BSG angekündigte Entscheidung in III. Instanz steht weiterhin aus.
Das Bundesverfassungsgericht hatte im Verfahren I BvR 404/10 (Entscheidung vom 14.12.2010) nun die Frage zu klären, ob bei einer solch langen Verfahrensdauer noch von einer Angemessenheit gesprochen werden kann, bzw. wann von einer überlangen, die Rechtsgewährung verhindernden und damit unangemessenen Verfahrensdauer ausgegangen werden muss.
Obwohl das Verfahren in der I. Instanz über sechs Jahre dauerte, ging das Bundesverfassungsgericht hier nicht von einer Verletzung des Heimträgers in Art. 19 Abs. IV GG auf Gewährung eines zeitgerechten Rechtsschutzes aus. Das Verfahren II. Instanz vor dem zuständigen Landessozialgericht Sachsen-Anhalt befand das Bundesverfassungsgericht indessen für unangemessen lang und sah insoweit eine Grundrechtsverletzung des Heimträgers gegeben. Dieses Verfahren war etwas über drei Jahre und vier Monate vor dem Landessozialgericht anhängig. Nach Eingang der Berufungserwiderung erfolgten im Zeitraum 31.07.2007 bis zum 23.12.2009 keinerlei verfahrensfördernde Maßnahmen mehr. Das Bundesverfassungsgericht hat dieses fast 2 ½-jährige Nichtbetreiben des Verfahrens durch das Landessozialgericht als besonders gravierend angesehen, weil das Verfahren I. Instanz schon sehr lange gedauert hatte und sich hieraus eine besondere Pflicht zur Verfahrensbeschleunigung für das Landessozialgericht ergab. Nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts darf sich der Staat hier nicht auf solche Umstände berufen, die in seinem Verantwortungsbereich liegen. Insoweit kann auch eine anhaltend starke Überlastung der Sozialgerichtsbarkeit eine überlange Verfahrensdauer nicht rechtfertigen. Insoweit sei dem Pflegeheim in der II. Instanz kein effektiver Rechtsschutz gewährt worden. Ob sich das BSG an diesen Vorgaben orientiert und eine Entscheidung in III. Instanz zu Az. B 3 P 4/10 R wie gekündigt noch im Laufe dieses Jahres ergeht, bleibt abzuwarten. Nachdem gegenüber dem Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung für Mai angekündigt worden war, soll auf Nachfrage der Prozessbevollmächtigten des Heimträgers im September verhandelt werden.
Es nimmt nicht wunder, dass der EGMR Deutschland bereits in 58 Fällen wegen überlanger Prozessdauer verurteilt hat. Das Bundesjustizministerium war in der Folge gezwungen, einen Entwurf für ein Entschädigungsgesetz vorzulegen. Dieser sieht nach dem derzeitigen Stand eine Entschädigung von 100,00 € im Monat für die geschädigte Prozesspartei vor (Referentenentwurf vom 21.04.2010). Fraglich bleibt, ob ein solcher Entschädigungsbetrag überhaupt geeignet sein kann, den tatsächlich entstandenen Schaden der Rechtsverletzten auszugleichen. Das Bundesverfassungsgericht bezifferte das wirtschaftliche Interesse der Verfassungsbeschwerde im vorliegenden Verfahren mit 96.525,00 €. Mitgeteilt von der Rechtsanwaltskanzlei Schild & Schütze, Kurt-Schumacher-Platz 3-7, 44787 Bochum
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