Staatliche Einmischung ist kontraproduktiv

In einer Absichtserklärung wurden am 1. Juli in Hanoi Empfehlungen festgelegt, wie Azubis aus Vietnam nach Deutschland zu vermitteln sind. Die Vorschläge stießen auf heftige Kritik. In einem alternativen Modell wird der Verein vietduc.care das letzte Modul der Sprachschulung und der Praktika in Deutschland organisieren.

Interview mit Prof. Dr. Dr. hc. mult. hc Rupert Huth

Foto: MLP AG

 

Sie waren lange Zeit als Vizepräsident der Deutschen Hochschulrektorenkonferenz eingebunden in internationale Beziehungen und kennen Vietnam durch vielfältige Kooperationen und Projekte des Wissenstransfers. Warum sollten wir ausgerechnet in Vietnam Abiturienten für eine dreijährige Altenpflegeausbildung in Deutschland anwerben?

Die Grundvoraussetzungen sind günstig: eine schnell wachsende Zahl junger Menschen, die nach Berufschancen suchen und nicht allein in einem Studium den großen Wurf sehen. Dazu kommt die konfuzianische Mentalität, aus der in der Regel eine hohe Motivation und Effizienz abzuleiten ist.

 

Eine Schlüsselqualifikation ist die Sprache. Jetzt scheint sich die Forderung nach einer B2-Qualifikation durchzusetzen. Wie sollte in der Vorbereitungsphase einer dreijährigen Ausbildung in Deutschland das Erlernen der Sprache organisiert sein?

Es wird sehr schwer sein, den Schritt von B1 auf B2 in Vietnam zu vollziehen. Hier müsste die Absichtserklärung entsprechend korrigiert werden, da man in Vietnam mit Pauken und Auswendiglernen allenfalls bis B1 kommt. Das B2-Modul sollte in Deutschland erlernt werden, wobei es mir auch um die Fachtermini geht. Im Übrigen hat es sich gezeigt, dass eine mehrmonatige Vorbereitung in Deutschland gegenüber den Altenpflegeeinrichtungen und dem Azubi selbst nur sehr fair ist.

  Junge Leute müssten doch aushalten, ins kalte Wasser geworfen zu werden?

Aushalten schon, aber die Erfahrung hat gezeigt, dass aufgrund fehlender Eingewöhnung Irritationen und Missverständnisse entstehen können, die in einer ersten Phase sogar bis hin zum Abbruch der Ausbildung führen können. Im Übrigen ist es grundsätzlich nicht hinnehmbar, dass zwischen dem Bundeswirtschaftsministerium und dem vietnamesischen Ministerium für Arbeit (MOLISA) derartige Details vorgeschrieben werden. Zu Grundsätzen und Rahmenbedingungen sage ich ja, aber eine staatliche Einmischung ist kontraproduktiv.

 

MOLISA möchte auch ein Monopol bei der Auswahl der B2-Azubis und will Organisationskurse veranstalten. Dafür dürfen 300 Euro Gebühren berechnet werden. Ansonsten sollte niemand gegen Provision vermitteln.

Es entstehen Begehrlichkeiten, wenn man bedenkt, dass zwanzigjährige Vietnamesen während der dreijährigen Ausbildung in Deutschland soviel verdienen wie ein Bankdirektor in Hanoi. Es ist letztlich auch richtig und schafft Klarheit, dass keine zwielichtigen Agenturen abkassieren. Allerdings frage ich mich, warum die deutsche Seite ein derartiges Bürokratiemonster zulässt. Ich bezweifle die Kompetenz der Molisa, Kurse zu veranstalten und auszuwählen. Das sollen nur die Altenpflegeheime in Deutschland übernehmen. Nicht zuletzt sind mir ausreichend Unregelmäßigkeiten bekannt und man hat hier den Bock zum Gärtner gemacht.

Im Memorandum wird auch gefordert, dass die Altenpflegeeinrichtungen sämtliche Kosten wie Reisekosten oder Gebühren für Sprachkurse übernehmen sollten. Ist dann der Pflegeazubi aus Vietnam noch attraktiv?

Das ist Unsinn und ein Armutszeugnis für die deutschen Verhandlungsführer. Allein vom Gleichstellungsanspruch mit einem deutschen Bewerber wird der Azubi aus Vietnam schon mal um 4000 Euro teurer. Dazu kommt die Hürde, einen Bewerber ohne Eignungstest und Kennenlernen aus 12000 Kilometer Entfernung anzuheuern. Im Übrigen muss ein Student aus Vietnam, der an einer deutschen Hochschule im Rahmen seiner eigenen Privatinitiative studiert, im Schnitt selbst mehr als 50.000 Euro finanzieren. Ich bin mir sicher, dass sich in diesem Bildungsmarkt vieles von allein regelt und staatliche Einmischung nur behindert.

 

Das Gespräch führte Miriam Ann Hüttl, Pressereferentin www.vietduc.care

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