Fahrten zum Arzt – endlich geklärt
Spätestens seit der vielbeachteten Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 13.01.2011 (Aktenzeichen: 4 K 3702/10) fragen sich viele stationäre Pflegeeinrichtungen, wie Sie mit erforderlichen Fahrten von Bewohnern zu einem Arzt umgehen sollen und ob sie die hierfür anfallenden Kosten den Bewohnern in Rechnung stellen dürfen. In vielen stationären Pflegeeinrichtungen wird dies so praktiziert. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte in seinem Urteil vom 13.01.2011 entschieden, dass ein Heimbetreiber die Begleitung zu einem Arzttermin sicherzustellen hat, wenn dieser Arztbesuch zwingend außerhalb der Einrichtung notwendig ist und eine erforderliche Begleitung durch Dritte nicht möglich ist. Nach Auffassung des Gerichts gehöre dies als Hilfe bei der Mobilität zu den allgemeinen Pflegeleistungen. Regelmäßig ist diese Frage in den Landesrahmenverträgen gemäß § 75 SGB XI nicht eindeutig geklärt. Zumeist ist dort unter „Hilfen bei der Mobilität“ festgehalten, dass dabei solche Verrichtungen außerhalb des Pflegeheims zu unterstützen sind, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung notwendig sind und das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen erfordern. In einem Klammerzusatz wird dann häufig aufgelistet: z.B. Organisierungen und Planen des Zahnarztbesuches oder das Organisieren und Planen von Besuchen bei Ärzten, Zahnärzten (…). Das Verwaltungsgericht vertrat die Auffassung, dass zum Organisieren und Planen auch eine Begleitung durch das Personal der Einrichtung gehöre, wenn eine solche erforderlich ist. Wie die hierdurch anfallenden Kosten zu behandeln sind, stellte das Gericht in dieser Entscheidung allerdings nicht klar heraus, so dass hier große Unsicherheit herrschte. Mit einer Entscheidung höherer Instanz hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg hier nun jedoch ein klärendes Wort gesprochen. Mit Urteil vom 09. Juli 2012 (Aktenzeichen: 6 S 773/11) kassierte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichts Stuttgart und stellte klar, dass sich aus dem Rahmenvertrag die Verpflichtung zu einer Begleitung zu erforderlichen Arztterminen gerade nicht ableiten lasse. Mit überzeugenden Erwägungen ist nun endlich klargestellt, dass ein Heimbetreiber keine Begleitung der Bewohner durch eigenes Personal schuldet und vornehmen muss. Es handelt sich hiernach nicht um eine allgemeine Pflegeleistung und damit auch nicht um eine Regelleistung der Pflegeeinrichtung. Dieser Entscheidung kann nur zugestimmt werden. Die Kosten, die für derartige Begleitungen durch Mitarbeiter der Pflegeeinrichtung entstehen, sind nicht über die Pflegesätze refinanzierbar. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg stellt außerdem klar, dass die Kosten für eine Begleitung zum Arzt deshalb den Bewohnern von den Einrichtungen in Rechnung gestellt werden darf.
Dieser Entscheidung lag der Rahmenvertrag für die vollstationäre Pflege für das Land Baden-Württemberg zugrunde. Die Entscheidung ist jedoch auch für andere Bundesländer heranzuziehen, da die entsprechende Regelung in vielen anderen Rahmenverträgen gleichermaßen formuliert ist (so z.B. für Niedersachen, Thüringen und Bayern). Der Rahmenvertrag für Rheinland-Pfalz sieht demgegenüber allerdings als Teil der allgemeinen Pflegeleistungen eine ausdrückliche Pflicht zur Begleitung vor. Hier ist die rechtliche Beurteilung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg also nicht übertragbar.
Auch das Sozialgericht Dresden hat sich jüngst mit der Frage von Ausfahrten pflegebedürftiger Bewohner beschäftigt. Gemäß Urteil vom 23.05.2012 (Aktenzeichen: S 25 KR 175/11) unterfällt es nicht den Leistungspflichten einer stationären Pflegeeinrichtung das Aufsuchen des Nahbereichs außerhalb des Geländes des Pflegeheims zu ermöglichen. Begründet hatte dies das Gericht damit, dass allgemeine Pflegeleistungen, zu denen die Hilfen der Mobilität aus dem Rahmenvertrag zählen, nur innerhalb des Pflegeheims geschuldet werden. Wenn der pflegebedürftige Bewohner auf bestimmte Hilfsmittel angewiesen ist um sich außerhalb des Geländes der Pflegeeinrichtung bewegen zu können, so unterfallen diese Hilfsmittel deshalb auch nicht der Bereitstellungspflicht durch das Heim, sondern der Leistungspflicht der Krankenkasse.
Auch an anderer Stelle ist der Zeitaufwand für erforderliche Fahrten zum Arzt bedeutungsvoll. Bei der Berechnung des Hilfebedarfs im Bereich der Grundpflege, zu der die Mobilität zählt, sind nämlich die Zeiten zu berücksichtigen, die für eine notwendige Begleitung zu Ärzten sowie durch die Wartezeiten in der Praxis entstehen. Das hat das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz mit Urteil vom 02.02.2012 (Aktenzeichen: L 5 P 29/11) bestätigt. Regelmäßige Fahrt- und Wartezeiten von erforderlichen Begleitpersonen können also im Ergebnis zu der Einstufung in eine höhere Pflegestufe führen.
Alexandra Zimmermann, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizinrecht und Strafrecht, Anwaltskanzlei für Heime und Pflegedienste, Hannover,
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