Von Alexandra Zimmermann

Die Anbringung von Bettseitenteilen bedarf immer der Genehmigung des Betreuungsgerichts. Auch dann, wenn der Betroffene in einer Vorsorgevollmacht einem Bevollmächtigten hierüber die alleinige Entscheidungsbefugnis übertragen hat. Selbst wenn in der Vollmacht ausdrücklich geregelt ist, dass der Bevollmächtigte die Entscheidung über das Hochziehen eines Bettgitters ohne eine gerichtliche Genehmigung treffen darf, muss diese eingeholt werden. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) mit einer Grundsatzentscheidung vom 27. Juni 2012 (Aktenzeichen: XII ZB 24/12) klargestellt. Einer gerichtlichen Genehmigung bedarf es immer nur dann nicht, wenn der Betroffene noch in der Lage ist, die Entscheidung selbst zu treffen und dem Hochziehen des Bettgitters zugestimmt hat oder in einer Patientenverfügung eine klare Regelung hierzu festgehalten ist.

Veränderungen in der Rechtsprechung

In der Vergangenheit verhielt es sich durchaus so, dass den bei den Betreuungsgerichten eingereichten Anträgen auf Genehmigung des Bettgitters regelmäßig entsprochen wurde. Dies hat sich jedoch in jüngster Vergangenheit geändert. Die Betreuungsgerichte messen dem Selbstbestimmungsrecht und den Freiheitsrechten der Betroffenen im Ergebnis eine immer höhere Gewichtung bei der Abwägung ihrer Entscheidung zu und hinterfragen kritisch, ob anstelle des Bettgitters eine mildere Maßnahme in Betracht kommt, die den Betroffenen ebenso vor einem drohenden Sturz aus dem Bett schützt.

So hat das Amtsgericht Frankfurt in einer Entscheidung vom 29.11.2012 (Aktenzeichen: 49 XVII HOF 3023/11) z.B. folgende Feststellungen getroffen: Die Genehmigung der Einwilligung des Betreuers in eine freiheitsentziehende Maßnahme dürfe aufgrund des massiven Eingriffs nur dann erteilt werden, wenn keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Finanzielle Erwägungen dürfen im Rahmen der Prüfung von milderen Maßnahmen keine Rolle spielen. Außerdem stellt das Gericht fest, dass die Verhinderung einer Sturzgefahr ohne freiheitsentziehende Maßnahme – und damit ohne Bettgitter – in Deutschland zu den pflegerischen Standards gehöre.

Die Anschaffung alternativer Mittel, wie z.B. ein absenkbares Pflegebett, müsse von der Pflegeeinrichtung oder den sozialen Kostenträgern zur Verfügung gestellt werden. Wende die Pflegeeinrichtung diese pflegerischen Standards nicht an, so sei im Extremfall ein Umzug in eine andere Einrichtung vor einer Freiheitsentziehung mittels Bettgitter vorzuziehen. Alternativ oder zusätzlich müssten auch eigene finanzielle Mittel des Betroffenen verwendet werden, um alternative Hilfsmittel zu beschaffen.

Entscheidung des Landgerichts Frankfurt

In einer weiteren Entscheidung vom 09.04.2013 (Aktenzeichen: 2-29 T 377/12) stellte das Landgericht Frankfurt fest, dass die Anbringung von Bettseitenteilen nicht verhältnismäßig und damit nicht genehmigungsfähig ist, wenn als mildere Maßnahme die Verwendung eines geteilten Bettgitters in Betracht kommt. Weiterhin stellt das Gericht klar, dass es sich bei einem geteilten Bettgitter nicht um eine freiheitsentziehende Maßnahme handelt und für dessen Anbringung deshalb keine gerichtliche Genehmigung erforderlich sei. Im konkreten Fall stellt das Gericht fest, dass es unter Berücksichtigung der Bewegungsmöglichkeiten der Bewohnerin weitestgehend ausgeschlossen sei, dass die Bewohnerin das Bett durch den ca. 50 cm freien Zwischenraum zwischen einem oberen und einem unteren Bettseitenteil verlassen könnte. Gegebenenfalls in Verbindung mit einer polsternden Matratze wäre insofern eine zuverlässig erscheinende Gefahrenabwehr gewährleistet, so das Gericht.

Schließlich hat sich in der jüngeren Rechtsprechung herausgebildet, dass ein Bettgitter bei bestimmter Sachverhaltslage kontraindiziert sein kann, weil es im Ergebnis nicht der Gefahrenabwehr dient, sondern sogar eine zusätzliche Gefahrenquelle, verbunden mit einem Risiko schwerer Stürze, darstellen kann. So ist ein Bettgitter hiernach kontraindiziert bei einem erheblichen Bewegungsdrang des Bewohners, bei mangelnder Einsicht in das Krankheitsbild und insbesondere, wenn sich der Bewohner massig gegen diese Maßnahme wehrt und versucht, das Bettgitter zu überwinden. Dies hat z.B. das Amtsgericht Paderborn mit Urteil vom 26.04.2011 (Aktenzeichen: 57 C 680/08) festgestellt.

Prüfung der Sturzgefahr

Schließlich ist im Falle einer akuten Sturzgefahr genau zu prüfen, wann sich diese Sturzgefahr überhaupt stellt. Dies ergibt sich grundsätzlich aus bereits erfolgten Stürzen. Handelt es sich um Stürze beim Gehen, so sind im Fall des konkreten Sturzrisikos Maßnahmen für ein sicheres Gehen vorzunehmen wie rutschfestes Schuhwerk, rutschfeste Socken und / oder Sturzprothektoren. Das OLG Koblenz hat mit Beschluss vom 17. 06.2013 (Aktenzeichen: 3 U 240/13) jüngst betont, dass im Vordergrund der Erhalt der Mobilität und nicht die Einschränkung der Bewegungsfreiheit stehe. Nur bei Stürzen beim Verlassen des Betts kann sich die Frage eines Bettgitters stellen.

Auch hier sei aber zunächst die Matratze vor dem Bett, gegebenenfalls in Kombination mit dem Niedrigstellen des Betts als mildere Maßnahme vorzunehmen. Lediglich dann, wenn diese Maßnahme im konkreten Einzelfall wiederum eine besondere zusätzliche Gefahrenquelle bedeutet, ist sie kontraindiziert und das Bettgitter eventuell die richtige Maßnahme. Dies kann der Fall sein, wenn der Bewohner unter starken Gleichgewichtsstörungen leidet. Hier ist dann allerdings auch wieder zu prüfen, ob das geteilte Bettseitenteil nicht ausreichend ist.

Schlussfolgerung

Die Rechtsprechung zu Bettgittern hat sich in den letzten Jahren verändert. Die Genehmigung des Betreuungsgerichts ist erforderlich, und es wird vermehrt darauf geachtet, ob alternative Maßnahmen zur Gefahrenabwehr in Betracht kommen. Das Wohl und die Selbstbestimmung des Betroffenen stehen dabei im Mittelpunkt der Entscheidungen.

Bettgitter-spezialist - Pflegeheim RechtsprechungAlexandra Zimmermann
Rechtsanwältin und Fachanwältin für Medizin- und Strafrecht

Anwaltskanzlei für Heime und Pflegedienste
Günther-Wagner-Allee 5
30177 Hannover

Tel: 0511 / 64 07 25 – 0
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