Mehr Zeit durch neue Leitungsstrukturen
Organisationsentwicklung und Expertentum in der Parkresidenz Helmine Held
Von Sylvia Habl
Die Grünwalder Parkresidenz Helmine Held krempelte erfolgreich ihre Leitungsstrukturen um. Aus Wohnbereichsleitungen wurden sogenannte Pflegeexperten. Bewohner und Mitarbeiter profitieren gleichermaßen von den veränderten Strukturen.Claudia Maziul ist eine von den vier Pflegeexpertinnen Die examinierte Gesundheits- und Krankenpflegerin ist bereits seit mehreren Jahren in der Senioreneinrichtung und war zuvor als Wohnbereichsleitung tätig. „Vor der Reorganisation war ich meinem Team sowohl fachlich als auch dienstrechtlich vorgesetzt. Das ständige Umschalten zwischen organisatorischen und pflegefachlichen Aufgaben war oft schwierig“, berichtet sie. „Seit die Pflegedienstleitung die administrativen Aufgaben übernommen hat, kann ich mich darauf konzentrieren, dass die Qualität unserer Pflege kontinuierlich besser wird.“ Ein wichtiges Instrument sind dabei das Konzept der Bezugspflegekraft und die Pflegevisiten. Maziul besucht gemeinsam mit den Pflegefachkräften einzelne Bewohner, begutachtet die ausgeführten und dokumentierten Pflegemaßnahmen und bespricht gemeinsam mit allen Beteiligten das weitere Vorgehen. Wünsche und Bedürfnisse des Bewohners spielen dabei selbstverständlich eine gewichtige Rolle. Daneben müssen sich alle Maßnahmen am aktuellen Stand der Pflegewissenschaft orientieren und werden immer wieder hinterfragt und nachhaltig weiterentwickelt. Als Bezugspflegekraft begleitet sie den Bewohner vom Einzug bis zu seinem Tod, gestaltet mit ihm zusammen das Wohnmilieu, ist verantwortlich für die Pflegeplanung und ist Ansprechpartnerin für Angehörige, Ärzte und weitere Kontakte.
Auch für ihre Expertenkollegin Anna-Maria Lutz haben sich Abläufe verändert. Die Pflegewirtin konzentriert sich seither stärker auf die Pflegepraxis ihres Teams. Einmal wöchentlich findet die Pflegeexperten-Runde statt. Gemeinsam mit Heimleitung und Pflegedienstleitung besprechen die Pflegeexpertinnen fachliche Aspekte, bewerten die Ergebnisse des Pflegecontrollings und setzen Schwerpunkte zur weiteren Gestaltung der Arbeitsabläufe. Die Dokumentation, Bewertung und – falls notwendig – Veränderung aller Prozesse ist Aufgabe des Qualitätszirkels, an denen die Expertinnen monatlich teilnehmen.
„Als Wohnbereichsleitung habe ich viel Zeit damit verbracht, den Dienstplan zu besetzen“, erinnert sich Lutz. Die Wohnbereiche mit 25, maximal 35 Bewohnern sind in der Parkresidenz im Verhältnis zu anderen Einrichtungen sehr klein und überschaubar. Das ist zwar für die Bewohner sehr angenehm, erhöht jedoch die Anforderungen an eine wirtschaftliche und qualitativ gute Personalplanung enorm. „Die Dienstplanung und die Abstimmung unter den Wohnbereichen ist eine zeitaufwändige Aufgabe. Zeit, die ich jetzt für die fachlichen und gesetzlichen Qualitätsanforderungen an die Pflege und Betreuung habe“, so Lutz.
Für Lutz beginnt der Pflegeexperten-Arbeitstag in der Regel um 7 Uhr morgens. Ihr erster Weg führt sie in den Westbau, einen 2005 neu errichteten, speziell auf die Bedürfnisse von gerontopsychiatrischen Bewohnern abgestimmten Gebäudeteil. Sie zeichnet verantwortlich für einen Bereich, der rund 25 Senioren verschiedener Pflegestufen und / oder mit gerontopsychiatrischen Einschränkungen ein Zuhause bietet. Nach der Begrüßung erfährt sie als Erstes, dass sich eine Altenpflegerin für den Spätdienst krank gemeldet hat. Mit ruhigem Gewissen gibt sie diese Meldung an die Pflegedienstleitung weiter, denn seit der Reorganisation ist Lutz nicht mehr für die Dienstplanung zuständig, und muss auch keinen Ersatz für die erkrankte Kollegin suchen. Danach lässt sich die Pflegeexpertin den Aufnahmebogen von Annemarie S. zeigen, die vor drei Tagen ein Zimmer im Pflegebereich B bezogen hat. Gemeinsam mit dem Team geht Lutz in einer Fallbesprechung die biografischen Daten der neuen Bewohnerin durch, begutachtet die dokumentierten physischen und psychischen Ressourcen und diskutiert die Pflegeplanung. Kritisch hinterfragt sie die geplanten Maßnahmen und möchte Annemarie S. selbst sehen. Gemeinsam mit der Schichtleitung klopft sie an Zimmer-Nr. 112, tritt ein, stellt sich vor und bittet darum, ein kurzes Gespräch führen zu dürfen. Zurück im Pflegestützpunkt ruft Lutz im EDV-Dokumentationssystem GoDo © die Seniorin auf und ändert die neu festgelegten Maßnahmen am PC. Weiter geht es um 11 Uhr zum Termin mit Christoph Büchele, Pflegedienstleiter und Qualitätsmanagementbeauftragter (QMB) in Personalunion. Zusammen mit den anderen drei Pflegeexpertinnen arbeiten sie am hausinternen Expertenstandard Wundversorgung. Büchele nutzt die Arbeitsgruppe der Pflegexpertinnen, um die Anzahl der Bewohner mit offenen Wunden, deren Größe und Lage in den einzelnen Pflegebereichen abzufragen. Mithilfe dieser Angaben aktualisiert der QMB seine interne, wöchentlich durchgeführte Qualitätsdokumentation. „Ich gehe jetzt erst einmal zum Mittagessen“, beschließt Pflegewirtin Lutz mit knurrendem Magen, „und erst danach kontrolliere ich die Bewohner-Medikation in meinem Pflegebereich.“ Gestärkt eilt sie nach der Mittagspause zurück in den Westbau, führt die Kontrollen aus, hilft hier einer Kollegin bei der Mobilisation, packt dort beim Nachmittagskaffee an, um gegen 16 Uhr den Dienstkittel auszuziehen. „Es geht mir gut mit den neuen Aufgabenschwerpunkten. Die Pflegequalität und die Mitarbeiterzufriedenheit in unserer Einrichtung haben sich merklich verbessert. Auch, wenn ich den Kolleginnen mit meiner kritischen Begleitung manchmal auf die Nerven falle“, zieht sie zufrieden das Resümee der veränderten Strukturen.Auch Heimleitung Heidi Sogawe zeigt sich sehr angetan von den bisherigen Ergebnissen der Organisationsentwicklung: „Mit unseren Pflegeexperten können wir die Qualität der Pflege in der Parkresidenz Helmine Held nachhaltig weiter entwickeln. Jeder weiß, der Arbeitsmarkt in der Altenhilfe ist schwierig. Qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen stellt alle Einrichtungen vor Herausforderungen.“ Sogawe ist sicher: „Flachere Hierarchien und mehr Verantwortung für die Bezugspflegekräfte steigern jedoch nicht nur die Mitarbeiterzufriedenheit. Auch unsere Bewohner und deren Angehörige profitieren von den positiven Veränderungen.“